Frank Schnelle (Hrsg.): Hollywood Professional. Jack Arnold und seine Filme. Mit Beiträgen von Frank Arnold, Lars-Olav Beier, Robert Fischer, Norbert Grob, Roland Johannes, Annette Kilzer, Klaus-Peter Koch, Robert Müller, Lars Penning, Dana M. Reemes, Daniela Sannwald, Frank Schnelle, Anke Sterneborg und Bodo Traber. Verlag Robert Fischer + Uwe Wiedleroither, Stuttgart 1993.
Film-Sachbuch. Mit zahlreichen schwarzweißen Abbildungen, einer Filmografie, einer Bibliografie und einem Index. Broschiert, 176 Seiten.
Jack Arnold (1916–1992) ist einer der meistverehrten Regisseure des Science-Fiction-Kinos. In den Fünfzigerjahren drehte er eine Reihe von B-Movies, die das Genre in jener Dekade entscheidend geprägt haben: Gefahr aus dem Weltall (1953), Der Schrecken vom Amazonas (1954), Die Rache des Ungeheuers (1955), Tarantula (1955), Die unglaubliche Geschichte des Mr. C (1957), The Space Children (1958) und Der Schrecken schleicht durch die Nacht (1958). Viele dieser Filme sind hochgeachtete Genreklassiker und werden noch heute von zahlreichen Fans geliebt, die sie vor Jahrzehnten als Kinder oder Jugendliche im Kino oder Fernsehen gesehen haben. Jack Arnold war auch in fast allen anderen Genres produktiv – er drehte Western, Kriminalfilme, Dramen und Komödien –, doch es sind die Science-Fiction- und Monsterfilme, die aus seinem Œuvre herausstechen und ihm nachhaltigen Ruhm eingebracht haben. “The great genius of American fantasy film” nannte ihn der Filmkritiker und Autor John Baxter in seinem hervorragenden Buch Science Fiction in the Cinema (1970), das den Regisseur überschwänglich feierte und zur Initialzündung für die bis heute anhaltende Würdigung von Jack Arnolds Schaffen wurde.
Über Jack Arnolds Filme wurde seither viel geschrieben – in Filmzeitschriften, Abschnitten von Filmbüchern oder Filmlexika –, doch Bücher, die sich ausschließlich mit Jack Arnolds Werk beschäftigen und dabei die verstreut publizierten Studien und Erkenntnisse zusammenfassen, gibt es nur drei. Dana M. Reemes veröffentlichte mit Directed by Jack Arnold (1988) das einzige englischsprachige Werk zum Thema. Die anderen beiden Bücher sind in Deutschland erschienen: Der von Frank Schnelle herausgegebene, hier besprochene Sammelband Hollywood Professional (1993) sowie Peter Osterieds prächtig bebilderter Großband Die Filme von Jack Arnold (2012).
„Jack Arnold erzählt“
Der Filmpublizist und Theaterwissenschaftler Frank Schnelle (geb. 1963) versammelt in vorliegendem Buch fünf Essays verschiedener Autoren, die sich mit Jack Arnolds Werk beschäftigen. Dazu gesellt sich als ein weiterer Hauptteil auf 41 Seiten – fast einem Viertel des Buchs – der vollständige Abdruck eines für das Fernsehen gefilmten Interviews, das der WDR-Spielfilmredakteur Roland Johannes (geb. 1942) am 9. und 10. August 1983 mit Jack Arnold in Universal City führte. Der 51 Seiten umfassende Anhang enthält eine Biografie und eine Filmografie Jack Arnolds, die mit Kritiken des Autorenteams zu jedem Film kombiniert wurde, sowie eine erfreulich ausführliche Bibliografie und einen Index.
Das Roland-Johannes-Interview ist legendär geworden, da es in den Achtzigern in zehnminütigen Ausschnitten unter dem Titel „Jack Arnold erzählt“ im Anschluss an Jack Arnolds Filmen in den dritten Programmen ausgestrahlt und von den Monster- und Science-Fiction-Film-Fans begierig aufgesogen wurde. Zweifellos hat in Deutschland die „Jack Arnold erzählt“-Reihe den Ruhm Jack Arnolds enorm befördert, und so ist die Veröffentlichung des Interviews in gedruckter Form sehr willkommen. Inzwischen ist der Interview-Mitschnitt auch auf der deutschen Bluray von Tarantula (1955) erschienen, die 2014 von Koch Media herausgebracht wurde.
Liest man das Interview heute, im Lichte der fortgeschrittenen Erforschung und Dokumentation der Produktionshintergründe von Jack Arnolds Filmen, muss man freilich feststellen, dass es mit ähnlich kritischer Distanz bewertet werden muss wie die Interviews vieler anderer Regisseure, Drehbuchautoren, Produzenten oder Schauspieler. Oft neigen die Befragten in diskreter Eitelkeit dazu, die eigene Rolle im Entstehungsprozess gefeierter Filme zu übertreiben, und vor dieser Versuchung ist auch Jack Arnold nicht gefeit. Dann und wann weist Johannes in Fußnoten auf widersprüchliche Aussagen Arnolds aus anderen Interviews hin, aber in anderen Fällen entgehen ihm Arnolds Flunkereien, da die Quellen damals noch nicht mehr hergaben. So behauptet Arnold beispielsweise, dass die Idee zu Der Schrecken vom Amazonas von ihm stamme (S. 54), obgleich inzwischen nachgewiesen ist, dass es Produzent William Alland war, der die Idee in einem Treatment Ende 1952 dem Studio vorgeschlagen hatte (Alland selbst hinwiederum hatte in einem Interview behauptet, die Geschichte von einem sagenhaften Fischmenschen im Amazonas 1941 als Gast eines Essens bei Orson Welles vom Kameramann Gabriel Figueroa aufgeschnappt zu haben). Ferner behauptete Arnold, die Unterwasserszenen in Der Schrecken vom Amazonas selbst inszeniert zu haben (S. 57f.), was ebenfalls nachweislich falsch ist. Arnold schrieb zwar die Unterwasserszenen, insbesondere das berühmte „Wasserballett“ von der schönen Heldin und dem Monster, und fertigte höchstwahrscheinlich auch Storyboards zu ihnen an (vgl. Bill Warren, Keep Watching the Skies!, S. 175), gedreht wurden sie jedoch von der Second Unit in Florida von James C. Havens und Charles S. Welbourne. Auch die Idee zu Tarantula reklamierte Jack Arnold im Interview allein für sich, obgleich Robert M. Fresco, der sich in einem anderen Interview seinerseits als maßgeblichen Urheber bezeichnete, zumindest an der Entstehung der Idee beteiligt gewesen war (S. 65). Nichtsdestotrotz gibt „Jack Arnold erzählt“ nach wie vor einen lebendigen und informativen Einblick in Arnolds Karriere und seine Erlebnisse im Filmgeschäft.
Kritik an John Baxter
Der erste Essay des Buchs „Eine außergewöhnliche und beständige Vision“ (S. 9–23) stammt aus der Feder von Frank Schnelle und versucht, stilistische und inhaltliche Elemente aufzuspüren, die Jack Arnolds Filme kennzeichnen – mit anderen Worten: Jack Arnolds spezifische Handschrift als Regisseur zu erkennen und zu analysieren. Da diese Fragestellung für mich einen der wichtigsten Gründe darstellt, überhaupt eine Abhandlung über Jack Arnold zu lesen, wird auf Schnelles Essay hier ausführlicher eingegangen. Jack Arnolds kreativen Einfluss von den Leistungen aller anderen Beteiligten – der Schauspieler, der Drehbuchautoren, der Kostümbildner usw. – zu trennen und greifbar zu machen ist ein Unterfangen, das viel schwieriger ist, als es auf den ersten Blick scheinen mag. John Baxter, der vielleicht glühendste Bewunderer Jack Arnolds, findet in Science Fiction in the Cinema nahezu poetische Worte, um Arnold zu preisen, doch resümiert er auch, dass das Idol „unergründlich“ sei, „mysteriös“ und „fast unmöglich zu analysieren“ (ibid., S. 116). Verweist Baxter hier auf ein transzendentales Geheimnis von Arnolds Kunst, oder vergaloppiert er sich lediglich mit seiner Begeisterung und liegt völlig falsch? Gibt es das Besondere, das „gewisse Etwas“ der Arnoldschen fantastischen Filme, und wenn ja, worin besteht es und inwieweit geht es auf Jack Arnold selbst zurück?
Schnelle nimmt in dieser Fragestellung eine paradoxe Haltung ein. Zum einen geht er mit John Baxter scharf ins Gericht und kritisiert ihn dafür, Jack Arnold über Gebühr überhöht und ihn angeblich zum auteur und „zu einer der absoluten Größen des amerikanischen Kinos“ stilisiert zu haben (S. 7). Stattdessen will Schnelle in Arnold lediglich einen „cleveren und routinierten Handwerker“ sehen, „der innerhalb eng gesteckter ökonomischer und ästhetischer Grenzen gute und oftmals überdurchschnittlich gute Arbeit leistete“ (ibid.). Andererseits verfolgt Schnelles Essay letztlich dasselbe Ziel wie Baxter: Er will nicht etwa die Gewöhnlichkeit der Filme Jack Arnolds herausarbeiten, sondern umgekehrt ihre „außergewöhnliche Vision“ umreißen.
Die Kritik gegen Baxter ist dabei zum größten Teil ungerechtfertigt. So unterstellt Schnelle, Baxter habe mit einer Reihe von Vergleichen angeblich das Ziel verfolgt, „Arnold auf eine Stufe mit Alfred Hitchcock und Howard Hawks zu heben“. Weiter diagnostiziert er:
„Hinter solchen Gleichsetzungsmethoden steckt, zumindest tendentiell, der Irrglaube, man müsse einen Regisseur erst in Hollywoods Pantheon hieven, bevor er der Auseinandersetzung wert wäre. Wir, die Autoren dieses Buchs, haben diese Legitimationsprobleme nicht.“ (S. 7)
Abgesehen davon, dass sich anno 1970 jeder ernsthafte Interpret von Science-Fiction-Filmen, einem damals sowohl von Liebhabern der Science-Fiction-Literatur wie von Filmfans und Filmkritikern weithin abschätzig betrachteten Genre, tatsächlich vor ein Legitimationsproblem gestellt sah – und Schnelle hätte 22 Jahre später gut daran getan anzuerkennen, dass er mit seiner analytischen Arbeit nur deshalb höher hinaus gelangen konnte, weil er auf den bahnbrechenden Arbeiten von Baxter und anderen aufbaute –, ging es Baxter mitnichten um die Aufwertung Jack Arnolds zu einem A-Regisseur, sondern lediglich um die Benennung von Qualitäten in Arnolds Filmen, die sich auch in den Filmen Hitchcocks oder Hawksʼ finden und dort regelmäßig als Belege für deren Genialität angeführt werden. Angesichts der polemischen Haltung gegen Baxter ist es bemerkenswert, dass Schnelle selbst ungeniert mit demselben Mittel operiert, welches er Baxter ankreidet. So schreibt er über Tarantula:
„Wenn Arnold während des Gesprächs zwischen Matt und Steve die herabfallenden Steine zeigt, lenkt er unsere Aufmerksamkeit auf das Geschehen hinter dem Felsen, freilich ohne uns einen Blick auf die dortigen Vorgänge zu gewähren. Das ist fast so, als habe Arnold die Bombe aus Hitchcocks berühmtem Suspense-Beispiel unter einem Tisch plaziert, um dem interessanten, aber nicht eben spannenden Dialog seiner Figuren eine neue Qualität zu verleihen.“ (S. 13)
Recht behält Schnelle lediglich mit seiner Kritik, dass Baxter in der bühnenhaften Art der Inszenierung von Dialogszenen eine herausragende Qualität Jack Arnolds erkennen will, während diese Szenen tatsächlich recht blass und uninteressiert wirken und überdies dem damals in Genrefilmen Üblichen entsprachen, nicht nur in Universal-Produktionen (vgl. S. 15f.). Bemerkenswerterweise kommt jedoch auch Schnelle nicht umhin, in der Dialogszene im Meeresforschungsinstitut in Der Schrecken vom Amazonas auf die besondere Anordnung der Figuren hinzuweisen, die etwas über ihr Verhältnis zueinander aussagt (so steht die Heldin Kay zwischen ihrem Verlobten David und dem Nebenbuhler Mark). Sollte sich in Szenen wie dieser doch noch mehr entdecken lassen, wenn man nur noch genauer hinschaute?
Jack Arnolds Brillanz im B-Film
Im Bemühen um Jack Arnolds Qualitäten verweist Schnelle auf eine Reihe von Aspekten in seinen fantastischen Filmen, die auch schon von anderen Autoren dafür in Anspruch genommen worden sind, sich aber durchaus auch in anderen Science-Fiction-Filmen der Fünfzigerjahre finden und nicht auf „Arnolds Strategie“ (S. 10), sondern meistens auf die Drehbücher zurückzuführen sind. Schnelles Vorwurf gegen Baxter, „durchweg die falschen Argumente“ zu benutzen (S. 6), lässt sich auch ihm selbst entgegenhalten. Das Problem aber schreibt sich fort: Wo genau wird Arnolds inszenatorisches Talent greifbar?
Dass, wie Schnelle beispielsweise hervorhebt, die Aliens in Gefahr aus dem Weltall unser Verständnis verdienen, nachdem sie anfangs bedrohlich gewirkt haben (vgl. S. 10), ist ein Konzept des Drehbuchs, dessen Ideen auf William Alland und Ray Bradbury zurückgehen. Zuvor entfaltete schon Robert Wises Der Tag, an dem die Erde stillstand (1951) ein ganz ähnliches Konzept, nämlich einen Besucher aus dem All, der zum einen bedrohlich, dann aber vorwiegend sympathisch erlebt wird, und auch in Edgar G. Ulmers The Man from Planet X (1951) begegnet ein Alien, das zugleich bedrohlich und sympathisch erscheint und bei dem es bis zuletzt offen bleibt, ob es auch feindliche Absichten gehabt haben könnte. Die Tragik, die den übrigen Monstern der Jack-Arnold-Filme innewohnt, ist bereits in den Monster- und Horrorfilmen der Dreißigerjahre ausgeprägt worden und daher alles andere als originell.
Auch fast alle anderen inhaltlichen und stilistischen Mittel, die Schnelle anführt, sind keineswegs nur in Arnolds Filmen vorzufinden oder dort „erfunden“ worden: das klassische Dreiecksverhältnis zwischen Held, Heldin und Nebenbuhler; die Verzögerung des Augenblicks, bis das Publikum das Monster endlich zu Gesicht bekommt; die subjektive Kamera, die aus dem Blickwinkel des Monsters filmt, während es sich auf sein Opfer zubewegt; der sanfte Wissenschaftler, der ein Außenseiter ist, als einziger aber über seinen Tellerrand hinausblickt und im Verlauf der Handlung zum Helden wird. Zu Letzterem beispielsweise ist zu sagen, dass dieser Typus, wie er im Astronom John Putnam in Jack Arnolds Gefahr aus dem Weltall verkörpert ist, auch im Atomphysiker Clayton Forrester in Kampf der Welten, im Astronom Dr. Stuart Kelson in Invasion vom Mars oder im Atomphysiker Tom Nesbitt in Panik in New York erscheint, in Filmen also, die gleichzeitig oder sogar ein paar Monate vor Gefahr aus dem Weltall ins Kino kamen.
Ein inhaltliches Kennzeichen, das Schnelle in Arnolds Filmen als besonders prominent herausstellt, ist die Angst und die aggressive Haltung des Menschen gegen alles, was fremd und daher bedrohlich erscheint. Was der Mensch fürchtet und nicht versteht, muss er vernichten. Es ist allerdings fragwürdig, ob, wie Schnelle behauptet, Filme wie Panik in New York oder Kampf der Welten in dieser Hinsicht in einem Gegensatz zu Arnolds Arbeiten stehen, weil sie „ungebrochen von der Schlacht zwischen Gut und Böse erzählen und Andersartigkeit stets mit Bösartigkeit gleichsetzen“ würden (S. 10f.). Aus Arnolds vermeintlich feinerer Sensibilität in dieser Frage zieht Schnelle das Fazit, Jack Arnold sei „der liberale Moralist unter Amerikas Horrorfilmern der Fünfziger“ gewesen – ein Statement, das beinahe danach klingt, als würde Schnelle hier selbst das Odium eines auteurs wittern.
Doch malen die angeführten Gegenbeispiele wirklich so entschieden schwarzweiß, wie Schnelle uns glauben machen will? Der Rhedosaurus in Panik in New York mag nicht verliebt sein wie die Bestie im Schrecken vom Amazonas und dementsprechend keine tragische Rührung hervorrufen, aber er ist wie das Amazonasmonster eine vollkommen unschuldige, natürliche Kreatur aus grauer Vorzeit, die kreatürlichen Instinkten folgt. Der Saurier wird ebenso wie der gill man vom zivilisierten Menschen selbst entfesselt, und er begibt sich nicht nach New York, weil er „anders“ oder „böse“ wäre, sondern weil sich in der Mündung des Hudson River vor Jahrmillionen sein Brutgebiet befand. Auch die Schlacht gegen die Marsianer in Kampf der Welten ist nicht einfach eine „Schlacht zwischen Gut und Böse“, sondern ein sozialdarwinistischer Horrortripp, der erst durch das Vertrauen auf Gott aufgelöst wird: Die Marsianer kämpfen um ihr eigenes Überleben, da der Mars nicht länger bewohnbar ist, sie repräsentieren aber auch eine höhere evolutive Entwicklungsstufe, die offenbar die ethische Maxime des Mitgefühls und der Fürsorge Schwächeren gegenüber hinter sich gelassen hat. Die Marsianer mögen der Menschheit durch und durch böse erscheinen, aber es wird in ihnen nichtsdestotrotz auch eine andere, eben die marsianische Perspektive geboten, aus der heraus der Begriff des Bösen relativiert wird – böse ist, was das eigene Überleben in Frage stellt. Wie immer man das von Glockengeläut erfüllte Ende von Kampf der Welten auch bewerten mag, so ist doch eines sicher: Durch die Betonung des Vertrauens auf Gott ist George Pals Film hochmoralisch.
Schnelle führt zu Recht aus, dass das Fantastische in Arnolds Filmen vor allem deshalb glaubwürdig erscheint, weil „bei Arnold das Irreale immer direkt aus dem Realen hervorgeht“, und weil „in seiner Science Fiction die Wissenschaft und die Erfindung immer sehr nahe beieinander liegen“ (S. 16). Dem wäre noch hinzuzufügen, dass Jack Arnold das Fantastische zumeist ebenso scharf umrissen und unverstellt ins Bild rückt wie die Realität, statt es mit filmtechnischen Tricks zu verzerren. Allerdings ist die Realistik des Fantastischen, das in ungebrochenem Ernst vorgegaukelt wird, ebenfalls keine exklusive Erscheinung in Arnolds Filmen, sondern eines der hervorstechendsten Stilmittel des Science-Fiction-Kinos der Fünfzigerjahre. Bereits Der Tag, an dem die Erde stillstand (1951) wurde in diesem Stil inszeniert, den Bill Warren als mock documentary style bezeichnete, als pseudo-dokumentarischen Stil, der vom Film Noir inspiriert war und sich abkehrte von den artistischen Mitteln des gotischen Horrorfilms. Wenn auch Jack Arnold vom Dokumentarfilm herkam und den pseudo-dokumentarischen Stil schärfer gefasst haben mag als andere Genrefilmer, so war er doch nicht von ihm ins Genre eingeführt worden.
Am unmittelbarsten ist Arnolds künstlerische Handschrift in seiner Inszenierung von Landschaften zu fassen. Arnold vermochte wie kaum ein Zweiter, die Weite der kalifornischen Wüste aufregend und zugleich fremdartig erscheinen zu lassen, in der das Fantastische beinahe von selbst als glaubwürdiges Element erscheint; immer wieder verfielen seine Exegeten darauf, in Arnolds Wüstenszenen seine filmische „Poesie“ oder auch „Melancholie“ am deutlichsten ausgedrückt zu sehen. Doch auch andere Landschaften handhabte Arnold stets sehr atmosphärisch, sei es der urweltliche Meeresstrand am Beginn von Der Schrecken vom Amazonas, die Sümpfe Floridas in demselben Film oder die kalifornische Küste in The Space Children. Überhaupt wirken seine fantastischen Filme, von Die unglaubliche Geschichte des Mr. C einmal abgesehen, stets natürlicher und kraftvoller, solange sie draußen on location spielen statt in geschlossenen Räumen. Es ist in dieser Hinsicht ein erhellendes Gedankenspiel, sich vorzustellen, wie radikal anders ein Film wie The Man from Planet X ausgesehen hätte, wenn er von Jack Arnold inszeniert worden wäre.
Mit einer der am meisten gepriesenen Szenen aus einem Jack-Arnold-Film, dem berühmten „Wasserballett“ der Schönen und der Bestie in der Lagune in Der Schrecken vom Amazonas, beschließt Schnelle sein Essay. Diese Szene – ihre Deutung durch John Baxter als „eine stilisierte Repräsentation von Geschlechtsverkehr“ (Science Fiction in the Cinema, S. 121) ist längst legendär – ist Schnelle ein Beleg für „den besonderen Reiz von Jack Arnolds Kino“ (S. 23). Wie bereits oben erwähnt, ist diese besonders schöne und lyrische Szene, die nicht zuletzt von Ricou Brownings wundervoller Darstellung des durch die Wassertiefe gleitenden Monsters getragen wird, nicht von Jack Arnold selbst gedreht worden, sondern von James C. Havens und Charles S. Welbourne. In Hollywood Professional wird auf diesen Hintergrund nicht hingewiesen, da anno 1993 darüber wahrscheinlich noch nichts recherchiert und veröffentlicht war. Da Bill Warren später jedoch anhand des originalen Skripts feststellen konnte, dass die Szene von Jack Arnold persönlich geschrieben wurde und es zudem sehr wahrscheinlich ist, dass Arnold auch genaue Storyboards für die Unterwasserszenen angefertigt hatte, kann das „Wasserballett“ trotzdem für Arnolds Kunst in Anspruch genommen werden. Ein anderes eindrucksvolles Beispiel für Arnolds sorgfältige Planung der Szenen sind die Storyboards für Die unglaubliche Geschichte des Mr. C, die Peter Osteried in seinem Buch Die Filme von Jack Arnold abgedruckt hat. Hier zeigt sich besonders deutlich, dass Jack Arnold tatsächlich ein professional war, ein versierter Filmemacher mit einer genauen Vorstellung von dem, was er wollte. So ist es vor allem die szenische Umsetzung, in der Arnolds Talent zum Ausdruck gelangt. Mit inhaltlichen Momenten hatte er weniger zu schaffen, während der in den Fünfzigern moderne mock documentary style, von ihm in lupenreiner Brillanz gehandhabt, keine von ihm entwickelte Neuerung war; er hat allerdings, soviel ist wahr, diesen Stil entscheidend mitgeprägt.
Am trefflichsten hat womöglich Bill Warren über Jack Arnolds Qualitäten sinniert und dabei auch John Baxter richtig eingeordnet. Er schreibt:
„Ich denke, Baxter missverstand die Entscheidungen dieses „obskuren, aber brillanten Künstlers“ und hielt sie für bewusst, während sie mir intuitiv erscheinen. Ich vermute, dass Arnold oft instinktiv arbeitete; Ideen und Bilder erschienen ihm richtig, ohne dass er intellektuell zu den Gründen für ihre Richtigkeit vorgedrungen wäre. Künstler sollten in weiten Teilen instinktiv sein; Bewusstheit verringert häufig die Spontaneität und fügt dem Werk offensichtliche Künstlichkeit hinzu. [ … ]
Es ist schwer, Themen zu finden, die in allen Filmen Arnolds wiederkehren, zum Teil deshalb, weil er nie oder selten dafür verantwortlich gewesen war, die Drehbücher auszusuchen; für gewöhnlich inszenierte er die Drehbücher, die ihm gegeben wurden. Jedoch ist es leicht, eine gleichförmige mise-en-scène zu finden, die nicht nur seine Science-Fiction-Filme, sondern auch die anderen Melodramen durchzieht, die er bei Universal gemacht hat. Arnold muss sehr viel mehr Aufmerksamkeit darauf verwandt haben, wie die Dinge aussehen, statt darauf, wovon sie handeln. [ … ]
Arnold hat ein wirkliches Auge für schlagende, fast surreale Bilder. Die sich krümmenden, verlegenen Schwimmbewegungen der Kreatur und Julia Adams, Lori Nelson auf einer Boje in Die Rache des Ungeheuers, die falsche Barbara Rush in Gefahr aus dem Weltall, die Spinne am Fenster in Tarantula, die ganze letzte Stunde von Die unglaubliche Geschichte des Mr. C – all dies sind oder enthalten lebhafte, prächtig komponierte und unheimliche Bilder. Sie sind Arnolds wirkliches Erbe und zeigen am stärksten, wo sein wirkliches Talent lag.
Die Drehbücher für die meisten Filme von Arnold sind schwach, das Schauspiel ist Routine und die Geschichten sind oft abgedroschen und konventionell. Aber Arnolds intelligentes Auge für das barocke Bild scheint immer und immer wieder durch. Arnold mag nicht ganz das Genie sein, wie Baxter und andere behauptet haben, zumindest nicht diese Art von Genie, aber am besten erwies er sich als einer der hervorragendsten Regisseure von Science-Fiction-Filmen.“ (Keep Watching the Skies!, S. 175f.; Hervorhebungen original)
„Wenn andere Wolken über Meere und Kontinente ziehen“
So lautet der Titel des zweiten Essays in Hollywood Professional, einem Beitrag von Bodo Traber (geb. 1965) über Die unglaubliche Geschichte des Mr. C, jenem Film, der gemeinhin als Arnolds Meisterwerk angesehen wird (S. 25–41). Traber stellt den Film in seinen Zusammenhang mit den Ängsten des Atomzeitalters und versucht, die psychologischen Dimensionen des Melodramas tiefer auszuloten, indem er Richard Mathesons Roman heranzieht, der die Grundlage für das ebenfalls aus Mathesons Feder stammende Drehbuch gebildet hatte. Der Vergleich mit dem Roman ist interessant; auch ist es erfrischend, dass Traber nicht jeden Freudianischen Kurzschluss, der sich in der filmkritischen Literatur über Mr. C findet, unterschreibt. Allerdings ist es schade, dass er auf die vielleicht spannendste und umstrittenste Frage im Zusammenhang mit Mr. C, nämlich wie der philosophische Schlussmonolog des Helden am Ende des Films auszudeuten ist, keine eigene Antwort versucht.
Der Essay „Schnörkellos und geradeaus“ (S. 85–100) von Lars Penning (geb. 1962) beschäftigt sich mit der Handvoll Westernfilme, die Jack Arnold inszenierte: vier Filme, die für Universal in den Fünfzigern entstanden, sowie als fünfter Film Boss Nigger aus dem Jahr 1974. Penning gibt einen hervorragenden Überblick über Arnolds Western, die alle von demselben Grundthema durchzogen sind: Ein Außenseiter kommt in die Westernstadt und greift in das stickige Leben der Gemeinde ein, die von Korruption, Gewalt und Amoral bedroht ist. Wer sich bisher noch nie mit Arnolds Western beschäftigt hat, wird hier erstklassig und versiert informiert. Neben dem sich anschließenden Essay von Robert Müller ist Pennings Beitrag der beste des Sammelbandes: gehaltlich sehr ertragreich, hervorragend strukturiert und sehr flüssig geschrieben. Es ist bemerkenswert, dass Penning großzügig lobende Worte für Arnolds atmosphärisches Gespür und für die Leistungen der Darsteller findet – ist doch sonst stets eher achselzuckend bis abwertend über Arnolds Western geschrieben worden, die vorgeblich über keinerlei nennenswerte Qualitäten verfügen würden. Arnold war für seine Western aufgrund der ihm gegebenen Drehbücher auf das übliche Repertoire an Genreversatzstücken beschränkt, doch inszenierte er diese mit meisterhaftem Verve.
Der Essay „Konfektionär des Genrefilms“ (S. 101–115) von Robert Müller (geb. 1962) steht gehaltlich und qualitativ dem Essay Pennings kaum in etwas nach, hat allerdings nur mittelbar mit Jack Arnold zu tun. Er beschäftigt sich mit der Geschichte von Universal-International in den Fünfzigerjahren, dem „letzten Bollwerk des alten Studiosystems“, das lange den Umbrüchen in Hollywood mit profitablen Low-Budget-Filmen trotzte – womit die Rahmenbedingungen umrissen werden, in denen der B-Filmer und Vertragsregisseur Jack Arnold zu arbeiten hatte. Am Ende der Dekade wurde das Studio von MCA gekauft und stärker auf Fernsehproduktionen ausgerichtet. Es ist zweifellos wichtig, über das Studiosystem und die Strukturen bei Universal-International Bescheid zu wissen, um Jack Arnolds Genrefilme besser zu verstehen. Dennoch fühlt sich Müllers Essay in einem Band, in dem es eigentlich um Jack Arnold und seine Filme gehen soll, ein Stück weit wie Etikettenschwindel an.
Etwas fragwürdig ist auch der letzte Essay „A Lost World“ (S. 116 –123), ein Kapitel, das aus dem bereits erwähnten Buch Directed by Jack Arnold (1988) von Dana M. Reemes übernommen wurde. Es beschäftigt sich mit Jack Arnolds Projekt einer spektakulären Neuverfilmung von Arthur Conan Doyles berühmten Abenteuerroman The Lost World (1912), das der Regisseur in den frühen Achtzigerjahren plante, das aber nie verwirklicht worden ist. An sich spannend und informativ, hätte ich stattdessen ein weiteres Kapitel über tatsächlich existierende Jack-Arnold-Filme vorgezogen.
Die im Anhang gebotene Biografie ist vollauf zufriedenstellend, die Filmografie mit ihrer Datensammlung zu den Produktionsstäben und Besetzungen der jeweiligen Filme so umfassend wie damals möglich. Die beigegebenen Filmkritiken hingegen, teils entnommen aus Filmzeitschriften wie Variety oder Monthly Film Bulletin, teils Originaltexte des Autorenteams, sind von stark schwankender Qualität, bleiben insgesamt blass und gelangen nur selten zu klaren, wohlbegründeten Aussagen und Urteilen. Um lexikalischen Ansprüchen vollauf gerecht zu werden, wäre es hier besser gewesen, sich stur auf knappe Inhaltsangaben zu beschränken oder diese zumindest aus dem kritisch bewertenden Teil herauszulösen und jeweils voranzustellen. Zu den Fernseh- und Dokumentarfilmen Arnolds finden sich schließlich nur ganz knappe Angaben.
So präsentiert sich Hollywood Professional alles in allem als ein etwas unbefriedigendes Buch. Es ist ein unterhaltsamer und vielfach erhellender Zeitvertreib, jede Menge Fachsimpelei über Jack Arnold, die noch dazu einen filmpublizistischen und filmwissenschaftlichen Anspruch für sich reklamiert, zu lesen. Das Besondere an Jack Arnolds Kino, sein „Genie“, vermag das Buch allerdings trotz redlicher Anstrengung nicht wirklich zu fassen, die Argumentation bleibt in den sattsam bekannten, nebulösen Kennzeichnungen von Arnolds Filmen stecken, die bei näherem Hinsehen keineswegs auf Arnolds Filme beschränkt sind und oft auf die Drehbücher, nicht aber auf Jack Arnold zurückgehen. Vielleicht ist Arnold tatsächlich „fast unmöglich zu analysieren“, wie John Baxter mutmaßte, doch scheint mir Bill Warren in der oben zitierten Passage seines Buchs Keep Watching the Skies! dem „Genie“ Arnolds enger auf der Spur zu sein als Hollywood Professional, das in Hinblick auf diese Frage enttäuschend wenig Stichhaltiges beiträgt. Des Weiteren wird mehr als die Hälfte des Buchs vom „Jack Arnold erzählt“-Interview, von zwei Beiträgen, die nur mittelbar mit Arnolds Werk befasst sind, und vom Anhang mit der Filmografie und wenig ergiebigen Filmkritiken eingenommen, sodass sich der Eindruck verstärkt, nicht das Jack-Arnold-Buch in Händen zu halten, das es hätte sein können, wäre es denn über eine dezidiertere Auswahl der Beiträge enger am Thema geblieben. Nichtsdestotrotz ist das Buch sehr informativ, unterhaltsam geschrieben und für jeden, der sich mit den Filmen Jack Arnolds intellektuell auseinandersetzen will, eine willkommene Lektüre.
© Michael Haul
Veröffentlicht auf Astron Alpha am 1. Juni 2016
Jack-Arnold- und Szenenfotos © Verlag Robert Fischer + Uwe Wiedleroither