Alan Frank: The Science Fiction and Fantasy Film Handbook. B. T. Batsford Ltd., London 1982.
Science-Fiction-Sachbuch. Mit zahlreichen schwarzweißen Abbildungen
und einem Index. Gebundene Hardcoverausgabe. 194 Seiten.
Alan Frank zählt seit den Siebzigerjahren zu den produktivsten Filmkritikern Englands. Der in London lebende Cineast und Autor hat zahlreiche Filmbücher und tausende Kritiken geschrieben, für Printmedien, Radio und Fernsehen gearbeitet und Dutzende Filmschaffende und Stars getroffen. Schwerpunkte seiner Filmleidenschaft bilden dabei Horror- und Science-Fiction-Filme.
Als 1982 Alan Franks Science Fiction and Fantasy Film Handbook erschien, war es bereits sein viertes Werk dieser Art; vorangegangen waren Filmhandbücher über Horrorfilme, Thriller und Western. Solche Handbücher und Lexika waren damals die „Bibeln“ aller Filmfreaks – vor dem Siegeszug des Internets waren sie neben Filmzeitschriften und Monografien die wichtigsten Informationsquellen. Der begrenzte Platz zwang dabei die Autoren zur Konzentration auf das Wesentliche. In dieser Hinsicht stellt das Handbook eine bemerkenswerte Leistung dar. Das handliche Buch hat nur 194 Seiten, enthält jedoch Einträge über 420 Filme und 70 Filmschaffende und ist mit 233 Abbildungen (Szenenfotos und Porträtaufnahmen) großzügig bebildert. Um so viele Informationen wie möglich unterzubringen, wurde für das Buch eine ziemlich kleine Druckschrift gewählt, doch wird die Lesbarkeit davon kaum beeinträchtigt; man gewöhnt sich schnell an sie.
Das Buch ist in drei Hauptteile gegliedert, die jeweils in sich alphabetisch geordnet sind: “Films” (140 Seiten), “People” (28 Seiten) und “Themes“ (12 Seiten). Jeder Eintrag zu einem Film besteht aus einer Auflistung von Stab, Besetzung und technischen Details (Land und Jahr, Produktionsfirma, Laufzeit usw.), einer Synopsis, einem kritischen Kommentar durch den Autor und Zitaten aus den Kritiken anderer Autoren. Bei den Daten zu Stab, Besetzung und technischen Details bemüht sich Frank um die Vollständigkeit aller Informationen, die ihm greifbar waren, und unterscheidet sich hierin von vielen anderen Nachschlagewerken wie beispielsweise Phil Hardys Science Fiction Filmenzyklopädie, wo diese Angaben unbefriedigend knapp sind. So können in Extremfällen wie bei Richard Donners Superman (1978) die Filmdaten bis auf eine halbe Seite anwachsen. Die anderen Elemente sind dagegen so kurz wie irgend möglich gehalten, kommen dabei in ihrem Gehalt jedoch stets auf den Punkt. So bestehen die Synopsis und die kritische Bewertung häufig nur aus einem einzigen Satz. Als ein Beispiel für den konzentrierten Stil von Synopsis und Kritik sei der Eintrag zu Ray Millands Panic in Year Zero (1962) zitiert (S. 98):
After Los Angeles is destroyed by a nuclear attack, a family struggle to survive. Effective post-holocaust thriller, with good performances and brisk direction which manages to disguise the low budget. – ‘I think “Panic in Year Zero” is a completely sincere film and an extremely bold one … a restrained anti-apocalyptic film. It is not a bomb movie, it is a war movie’. Movie
Einige der großen Meilensteine des Genres wie Things to Come (1936), 2001: A Space Odyssey (1968), Star Wars (1977), Close Encounters of the Third Kind (1977), Superman (1978) oder The Empire Strikes Back (1980) werden ausführlicher besprochen, doch bleiben dies seltene Ausnahmen.
Alan Frank hat an anderer Stelle einmal erklärt, dass für ihn vor allem der Unterhaltungswert von Filmen zählt und er wenig von akademischen Filmwissenschaftlern oder anspruchsvollen Feuilletonkritikern hält, die häufig Dinge in Filmen zu erkennen meinen, die entweder nur durch Zufall entstanden oder schlichtweg nicht da sind. Das intellektuell Hochtrabende ist nicht seine Sache, und demgemäß findet Alan Frank an ambitionierten Kunstfilmen wenig Gefallen. Jean-Luc Godards Alphaville (1965) oder Stanley Kubricks A Clockwork Orange (1971) beispielsweise werden in seinem Buch kühl verrissen, während er häufig zu Filmen applaudiert, die die Kritikerkollegen mehrheitlich für furchtbar halten. Daher ist Alan Frank nicht unumstritten; andererseits scheinen mir seine Kritiker häufig intoleranter zu sein als umgekehrt er selbst. Über Geschmack zu streiten ist bekanntlich oft müßig – es mag sich jeder selbst sein Urteil über Franks Filmbewertungen bilden. Auch ich bin beileibe nicht immer seiner Meinung – so wirkt auf mich Franks lahmer Verriss von Glen A. Larsons Film Battlestar Galactica (1978), den er als Star Wars-Imitation abtut und für “dire” hält, wie das Blöken mit der Schafsherde (S. 20; S. 67 unter Ikaria XB-1).
Das größte Manko des Buchs, das immerhin ein Nachschlagewerk darstellen soll, ist die seltsam willkürliche Zusammenstellung der Filme. Niemand kann auf 194 Seiten ein vollständiges Werk erwarten, aber doch wohl einen repräsentativen Querschnitt des Genres, bei dem die Genreklassiker keinesfalls fehlen dürfen. Alan Frank gibt im Vorwort hingegen freimütig zu, dass er seine Auswahl völlig eigenwillig getroffen hat; zum Teil hat er wohl auch den einen oder anderen Film dem Horrorgenre zugeordnet und deshalb ausgeschlossen. So fehlen Meilensteine wie Frankenstein (1931), King Kong (1933), The Invisible Man (1933), Them! (1954) und Tarantula (1955); der Klassiker The Lost World (1925) fehlt ebenfalls, während das schwache Remake The Lost World (1960) enthalten ist. Dasselbe gilt für The Beast from 20.000 Fathoms (1953) und Godzilla (1954) – beide Filme wurden nicht im Buch aufgenommen, ihr unbedeutendes mexikanisches Rip-Off The Beast of Hollow Mountain (1956) aber sehrwohl.
Der schmälere Hauptteil über “People” enthält Biografien und Genrefilmografien von Filmemachern – Autoren, Regisseuren, Produzenten, Tricktechnikern und Schauspielern –, doch ist die Auswahl hier noch beliebiger. Die Einträge sind interessant geschrieben, aber stark veraltet und nicht mehr zuverlässig. Im dritten Hauptteil “Themes” erstellt Alan Frank chronologisch geordnete Listen von Filmen zu Science-Fiction-Themen wie “Alien Encounters”, “Robots, Androids and Cyborgs” oder “Space Travel” (Science-Fiction-Fans scheinen Listen zu lieben – in gewisser Hinsicht nachvollziehbar, stellt doch die Liste die ursprünglichste und primitivste Form der Wissenschaft dar). Eine hübsche Spielerei, aber von nur geringem Nutzwert und darüber hinaus auch unvollständig (es fehlen z. B. die Themen “Mad Scientist” oder “Giant Monster On the Loose”). Eine Liste alternativer Filmtitel und ein Index beschließen das Buch.
Ausgedient?
In einem auf der Website The Spooky Isles veröffentlichten Interview mit David Saunderson vom Mai 2012 hat Alan Frank mit einigem Recht die Meinung vertreten, dass seine „alten Schwarten“ ausgedient haben. „Heute kannst du das alles aus dem Internet kriegen, es gibt wirklich keinen Bedarf mehr für ein weiteres Buch wie die alten“, sagt er. „Damals gab es nichts außer das.“
Gewiss. Dennoch sind die alten Handbücher auch heute noch wertvoll. Es lassen sich immer noch die älteren Filme darin nachschlagen, die Datensammlungen sind meistens korrekt (das Internet, insbesondere die IMDb, ist diesbezüglich kaum zuverlässiger), und die vielfach zitierten Pressestimmen sind nach wie vor als Spiegel der Rezeption eines Films nützlich und interessant. Außerdem kann man in ihnen nach Herzenslust herumblättern und stöbern und immer wieder neue Entdeckungen dabei machen. Vor allem aber bieten die Handbücher und die Monografien etwas, das im Internet nur schwerlich zu finden sein wird: Die sichtende, einordnende und kritisch wertende Darstellung des Genres aus der Feder eines einzelnen Kenners, eine interpretierende Gesamtschau aus einem Guss. Alan Franks Handbook ist in dieser Hinsicht immer noch lesenswert. Ja, es hat Lücken und mag entbehrlich sein – aber für die Filme, die es enthält, ist es meistenteils gut. Ein unterhaltsames, prägnant geschriebenes Lesebuch, in das man sich gern vertieft.
© Michael Haul
Veröffentlicht auf Astron Alpha am 14. März 2016