John Brosnan: Future Tense

Buchcover von John Brosnan, "Future Tense" (1978)

John Brosnan: Future Tense. The Cinema of Science Fiction. MacDonald & Jane’s Publishers Ltd., London 1978.

 

Science-Fiction-Sachbuch. Mit einem Vorwort von Harry Harrison, einem Appendix (“SF on Television”), einem Index und zahlreichen schwarzweißen Abbildungen. Gebundene Ausgabe, 320 Seiten.

 

John Brosnan (1947–2005) war sein Leben lang ein leidenschaftlicher Science-Fiction-Fan. Gebürtiger Australier wie sein langjähriger Freund John Baxter, war er mit 23 Jahren nach England übergesiedelt und betätigte sich dort bald als Herausgeber und Autor verschiedener SF-Fanzines. Er verfasste zahlreiche Filmkritiken, Kolumnen und mehrere Filmbücher. Von ihm stammen viel beachtete Werke wie James Bond in the Cinema (1972), Movie Magic – The Story of Special Effects in the Cinema (1974) und The Horror People (1976). Seit den Achtzigerjahren schrieb Brosnan auch mehrere Science-Fiction-Romane, -Kurzgeschichten und Comics, und drei seiner Werke wurden sogar als Story­vor­lagen für unauffällige B-Filme verwendet. Der bemerkenswerteste dieser Filme ist vielleicht der von Roger Corman produzierte Carnosaur (1993), der auf Brosnans gleichnamigen Roman von 1984 basiert. Brosnan nahm dort bereits die Idee gentechnisch konstruierter Dinosaurier vorweg, die später auch die Grundlage für Michael Crichtons Jurassic Park bildete.

 

Vorliegendes Buch ist eine unterhaltsame Gesamtdarstellung des Science-Fiction-Genres im Kino und in gewisser Weise ein Update von John Baxters Science Fiction in the Cinema (1970). Zog Baxter in seinem Buch eine Bilanz des Genres, wie es sich nach Stanley Kubricks revolutionärem 2001: A Space Odyssey (1968) darbot, steht Brosnans Buch unter dem unmittelbaren Einfluss des Hypes um George Lucas’ Star Wars (1977), einem nicht minder revolutionären Wendepunkt in der Geschichte des Science-Fiction-Kinos.

 

Mit The Primal Screen – A History of Science Fiction Film veröffentlichte John Brosnan 1991 eine weitere Gesamt­dar­stel­lung des Genres, in der auch viele Passagen aus Future Tense wiederverwendet wurden. Brosnan lässt in The Primal Screen viele Informationen aus, die er in Future Tense noch erzählenswert fand, steuert andererseits aber auch zu älteren Filmen neue Informationen, Interviews und Ansichten hinzu. Es lohnt sich gewiss, beide Bücher zu lesen. Was in The Primal Screen indes manchmal störend wirkt, ist der gallige Spott, mit dem Brosnan die meisten Filme bedenkt. In Future Tense legt Brosnan dagegen einen nüchterneren Stil und eine engagiertere Haltung an den Tag, und so ist Future Tense für meinen Geschmack das gelungenere Buch.

 

Brosnan diskutiert hier die Filme auf angenehm seriöse, abgeklärte Art und Weise, wobei hier und da auch der Humor nicht zu kurz kommt. Die Filme werden nicht lexikalisch aufgeschlüsselt, sondern in einem zusammenhängenden Fließtext in 13 Kapiteln besprochen (einschließlich der Einleitung und des Epilogs). Brosnan beschäftigt sich dabei nicht mit akademischen Filmtheorien oder ambitionierten soziologischen Deutungen. Seine Sicht auf die Dinge bleibt persönlich, und wenn es auch unvermeidlich scheint, dass sich in den zahllosen Geschichtsschreibungen des Genres die Argumente oft wiederholen, führt Brosnans fundierte Sachkenntnis und sein kritisches Gespür doch oft auch zu eigenen Bewertungen, die wohltuend von den kanonisierten Meinungen abweichen. Denn das ist es ja letztlich, was der Leser neben interessanten Informationen und Trivia zu den Produktionen der Filme in einem Filmbuch sucht: das fundierte Urteil eines Kenners der Materie. Auch wenn der Leser sich dasselbe nicht zu eigen machen muss, regt es doch zum Nachdenken an. Das eigene Urteil kann davon nur profitieren.

 

John Brosnan blickt bei jedem Film besonders genau auf den Wert des Films als Science-Fiction; er geht regelmäßig der Frage nach, wie der jeweilige Film mit seinen Spekulationen und seiner vorgegebenen Wissenschaftlichkeit umgeht. Die Filme, in denen die wissenschaftlichen Grundlagen souverän und intelligent gehandhabt wurden, sind demnach – wen verwundert’s – äußerst selten. Ein weiteres Augenmerk ist auf die Einordnung der Filme im Zusam­menhang mit der sich wandelnden Popkultur gerichtet. Von besonderem Interesse sind natürlich auch die Spezial­effekte und visuellen Reize der Filme. Produktionsnotizen treten dagegen in den Hintergrund, obgleich es auch einige Filme gibt, auf die Brosnan besonders detailliert eingeht. So diskutiert er sehr ausführlich die Klassiker Metropolis (1927) und Things to Come (1936), und hier kommen dann auch die Entstehung und Produktion dieser Filme nicht zu kurz. Aufgrund von Brosnans intensiver Beschäftigung mit den Spezialeffekten des fantastischen Kinos (siehe sein Buch Movie Magic) werden die verschiedenen Filmfassungen von Jules Vernes’ 20.000 Leagues Under the Sea (1907 von George Méliès, 1916 von Stuart Paton, 1954 von Richard Fleischer und 1961 von Irwin Allen) ausführlich besprochen, wobei vor allem die technische Umsetzung des phantastischen U-Boots von Captain Nemo und die Realisierung der Unterwasseraufnahmen dargestellt werden. Insbesondere Stuart Patons Film von 1916 findet überraschend starke Beachtung, da dies einer der ersten Filme war, der Unterwasseraufnahmen realisierte. Patons Film gesehen haben dürfte dagegen heutzutage kaum jemand.

 

Weitere Filme, die Brosnan in seinem Buch intensiver diskutiert, sind The War of the Worlds (1953) von Byron Haskin, Forbidden Planet (1956) von Fred M. Wilcox, 2001: A Space Odyssey (1968) von Stanley Kubrick – diesem Film erteilt Brosnan den persönlichen Ritterschlag als “the greatest sf film ever made” (S. 174) –, Soylent Green (1973) von Richard Fleischer, The Final Programme (1973) von Robert Fuest und die beiden großen Blockbuster, die 1977 das Science-Fiction-Kino auf neue, ungeahnte Höhen führten: Star Wars von George Lucas und Close Encounters of the Third Kind von Steven Spielberg. Der dritte große Blockbuster jener Zeit, Richard Donners Superman, erschien erst im Dezember 1978 und ist daher noch nicht in Brosnans Buch einbezogen.

 

„Ist es Science-Fiction?“

 

Wie schon erwähnt, ist die zentrale, fast schon obsessiv verfolgte Fragestellung in John Brosnans Buch, inwieweit die besprochenen Filme als Science-Fiction im engeren Sinn durchgehen. Brosnan greift die Diskussion auf, die bereits John Baxter in seinem Science Fiction in the Cinema geführt hatte, bewertet sie im Lichte der „neueren“ Science-Fiction-Filme der Siebzigerjahre neu und kommt insgesamt zu einem enger gefassten, frustrierteren Urteil. John Baxter hatte in seinem Buch das Science-Fiction-Kino explizit in seinem eigenem Recht gesehen und generell kein Problem damit gehabt, dass es mit der geschriebenen Science-Fiction-Literatur kaum Berührungspunkte teilte. Im Zusam­men­hang mit Star Wars, dem Brosnan ankreidet, wissenschaftlich nicht akkurat zu sein, wird eine Korrespondenz mit Baxter zitiert, in der Baxter seinen Standpunkt bekräftigt, dass dieser Mangel nebensächlich sei:

 

What I [John Baxter] really liked about sf films was the vulgarization of technology. I was never really interested in technology and I don’t think any sf reader really is, but it’s what the sf films did to technology that interested me. All the arguments by sf fans along the lines of ‘This is absurd! Rocketships don’t work this way!’ never mattered to me, any more than it mattered to me that Bette Davis in The Letter wasn’t an accurate copy of the Malayan planter’s wife. (Future Tense S. 281f.; Hervorhebg. von mir)

 

John Brosnan widerspricht: Er erwartet von einem Science-Fiction-Film in wissenschaftlicher Hinsicht dieselbe Genau­ig­keit, mit der in jedem Westernfilm vermieden wird, dass beispielsweise keine Telefonmasten oder Flugzeuge am Himmel zu sehen sind. Ohne hier näher auf die fragwürdige historische Genauigkeit des Hollywood-Westerns einzu­gehen, ist Brosnans Wunsch generell zuzustimmen; doch wird ein Science-Fiction-Film in seiner Wirkung wirklich so schwer beschädigt, wenn er seine wissenschaftlichen Voraussetzungen nicht mit derselben Akribie handhabt wie die literarische Science-Fiction? Science-Fiction ist eben auch und in erster Linie Fiktion, wissenschaftliche Fantasie und die „Vulgarisierung von Technologie“. An anderer Stelle gibt Brosnan durchaus zu, dass es mit der Wissenschaftlichkeit der literarischen Science-Fiction auch nicht immer weit her sei:

 

At least sf writers are usually aware of scientific flaws and try to disguise them with pseudo-science; for instance, they’ve long got around Einstein’s laws regarding the impossibility of travel faster than the speed of light by taking a short-cut through ‘hyper-space’. (Future Tense, S. 50)

 

“Pseudo-Science” – was für Brosnan ein etwas peinliches Feigenblatt der Science-Fiction ist, ist eben häufig schlicht der Kern der Sache. Nicht jeder Science-Fiction-Autor ist gewillt, wissenschaftlich oder technisch orientiert wie Isaac Asimov oder Arthur C. Clarke zu schreiben, und wie Brosnan selbst anmerkt (S. 12), hatte es selbst der Vater der modernen Science-Fiction, H. G. Wells, mit der Wissenschaft oft nicht sehr genau genommen. Der springende Punkt ist nicht, wie wissenschaftlich akkurat ein Science-Fiction-Film ist. Um als „Science-Fiction“ durchzugehen, kommt es allein darauf an, dass sich die im Film gebotenen Konzepte und Erklärungen wissenschaftlich gebärden. Der tech babble beispielsweise ist in fast jedem Science-Fiction-Film haarsträubender Unfug. Das ist aber kaum von Belang. Wichtig ist die Gebärde des tech babble, die dem Zuschauer unmissverständlich klar macht, dass das gezeigte Phänomen als seriös begründbare Wissenschaft aufgefasst werden soll. Auf diese Weise werden die unglaublichsten Begebenheiten und Traumgebilde in unser herrschendes rationales Weltbild eingepasst, und so wird das spezielle Vergnügen an der Science-Fiction überhaupt erst ermöglicht. “But that’s fantastic!” ist der immer wiederkehrende, staunende Ausspruch der Figuren im Science-Fiction-Film, wenn sie mit dem Übernatürlichen konfrontiert werden. Ja, fantastisch, aber – und das ist das Faszinierende am Science-Fiction-Genre – eben so verkleidet, als ob es wissen­schaft­lich erklärbar sei.

 

An zwei Beispielen lässt sich die problematische Fixierung auf die Wissenschaftlichkeit bei der Bewertung von Science-Fiction-Filmen gut aufzeigen. Sowohl die gigantisch gewachsenen Insekten der Monsterfilme (z. B. in Them!) als auch das Zusammenschrumpfen von Menschen und Dingen auf mikroskopische Größe (z. B. in The Incredible Shrinking Man oder in The Fantastic Voyage) ist, so führt Brosnan aus, wissenschaftlich gesehen grober Unfug. Rieseninsekten könnten aufgrund ihrer Tracheen, die nur winzige Körper ausreichend mit Atemluft versorgen können, nicht existieren. Und winzig zusammengeschrumpfte Massen würden in ihrer engsten Umgebung ein extrem starkes Schwerkraftfeld entwickeln, sodass sie sofort durch die Erdkruste bis in den Erdmittelpunkt hinabsinken würden (vgl. S. 97; S. 167). Wohl wahr – weshalb vermutlich weder Riesenameisen noch extrem miniaturisierte Menschen auf Erden wandeln. Der springende Punkt aber ist doch gerade, dass die Science-Fiction solche Fantasiegebilde möglich macht – und sie „wissenschaftlich“ erklärt wie z. B. mit dem Einfluss radioaktiver Strahlung, dem Standardargument der Fünf­zigerjahre für alle möglichen Monstrositäten und fantastischen Ereignisse im Science-Fiction-Kino.

 

Brosnan stellt zuwenig in Rechnung, dass die mangelnde wissenschaftliche Genauigkeit nicht allein dem Unvermögen der Drehbuchautoren zuzuschreiben ist, sondern häufig mit dem Medium Film selbst unmittelbar zusammenhängt. So ist neben dem überlichtschnellen Raumflug durch den Hyperraum die künstliche Schwerkraft an Bord von Raum­schiffen ein ständig wiederkehrendes Detail in Science-Fiction-Filmen. Sehr oft hat die künstliche Schwerkraft produk­tionstechnische Gründe: Eine schwebende Mannschaft an Bord eines Raumschiffs zu realisieren bedeutet, teure Spezialeffekte umzusetzen. Es gibt aber auch ästhetische Gründe: So ist es für das filmische Erzählen von Vorteil, wenn sich die Charaktere an Bord eines Raumschiffs ganz natürlich bewegen und miteinander interagieren können, statt dass sie in aberwitzigen Winkeln durchs Bild trudeln. Die Aufmerksamkeit des Publikums würde damit nur abgelenkt werden. Selbst die „Haftschuhe“, die die Stewardessen an Bord des Raumschiffs in Kubricks wissenschaftlich so peniblem 2001 tragen, wirken nur wie eine flaue Antwort auf das ästhetische Problem, denn die Stewardessen sollten ganz offensichtlich gehen können, nicht schweben, und erst aus dieser Verlegenheit heraus sind die „Haft­schuhe“ eingesetzt worden. Und es macht durchaus einen Unterschied, ob ein Film die vorstellbare Raumfahrt in allernächster Zukunft möglichst glaubwürdig darstellen will wie zum Beispiel Anthony Hoffmans Red Planet (2000) – in diesem Film ist die Anwesenheit künstlicher Schwerkraft in der Tat ein Ärgernis – oder ob die Raumfahrt in ferner, fantastischer Zukunft angesiedelt ist wie in Star Wars – hier ist die künstliche Schwerkraft problemlos akzeptabel, egal, ob sie mit unseren heutigen physikalischen Theorien vereinbar ist.

 

Um beim Beispiel Star Wars zu bleiben: Brosnan moniert, dass die Figuren in Star Wars im inneren Kern des Todes­sterns neben dem Gravitationszentrum dieses künstlichen Himmelskörpers stehen, obwohl sie eigentlich mit den Füßen zu ihm hin orientiert stehen müssten (S. 281). Dabei unterschlägt Brosnan, dass künstliche Schwerkraft ständig in Star Wars zu beobachten ist (wobei es im übrigen vollkommen unerheblich ist, dass nie im Film direkt gesagt oder darauf verwiesen wird, dass künstliche Schwerkraft zum technischen Equipment der „weit, weit entfernten Galaxis“ gehört). Künstliche Schwerkraft herrscht in Star Wars praktisch auf jedem Raumschiff, so klein es auch sein mag. Warum also nicht auch im Inneren des Todessterns? Im Inneren des Todessterns muss sie allein deshalb schon vor­handen sein, weil der Todesstern angesichts seiner Größe ein nur schwaches Schwerkraftfeld von der Größenordnung unseres Mondes erzeugen würde. Hätte der Film also ästhetisch oder intellektuell wirklich profitiert, wenn Obi Wan Kenobi und Darth Vader ihr Laserschwertduell fast frei schwebend, wie in Zeitlupe in einem schwachen Schwerefeld hüpfend, ausgefochten hätten?

 

Ähnlich verhält es sich mit den Geräuschen von Raumschiffen und Explosionen im Weltraum, die fast nie im Raum­fahrt­film fehlen. Fast jedes Schulkind weiß heutzutage, dass Geräusche im luftleeren Weltraum unmöglich sind. Es ist jedoch fraglich, ob die Science-Fiction-Fans Star Wars und all die anderen Space Operas mehr genießen würden, wenn die Geräuschkulisse im All fehlen würde. Die Filmemacher mochten bis in die Siebzigerjahre hinein nur selten näher mit Science-Fiction vertraut gewesen sein (heutzutage ist das offenkundig ganz anders). Aber sie wissen sehr genau um die Notwendigkeiten ihres Mediums Bescheid. Wenn es die cineastische Dramatisierung der Raumschiffe und Raumschlachten im All erfordert, ist die unterstreichende Geräuschkulisse offensichtlich unabdingbar. Selbst in der Neufassung von Battlestar Galactica von Ronald D. Moore fehlt sie nicht, obwohl gerade diese Serie viel Lob für ihre wissenschaftliche Genauigkeit erhielt und sich darum bemühte, die Bewegungen der Raumschiffe und Raum­schlach­ten stets unter Beachtung der Massenträgheit der Schiffe und der großen Entfernungen im All darzustellen – was dann in den Dogfight-Szenen leider oft eher drollig als cool aussah.

 

Evangelist in eigener Sache: Harry Harrison

 

Weitaus engstirniger bewertet der Science-Fiction-Autor Harry Harrison im Vorwort zu Brosnans Buch den Science-Fiction-Film. Voller Gift und Galle denunziert er praktisch das gesamte Filmgenre als schändliche Mogelpackung und zieht mit fliegenden Fahnen zu Felde, um die intellektuelle Überlegenheit seiner Zunft zu verteidigen:

 

When filmmakers talk about ‘science fiction films’, they are really talking about the same old films they have always made – only tarted up with some of the mechanical trappings of sf. [ … ] Dressing an actor in a dentist’s smock does not make him a scientist; nor does putting him into a tin suit make him a robot. If the author of the screenplay does not know what a scientist really is or what a robot could possibly be, then the film, no matter how much it looks like science fiction, will not be science fiction. (Future Tense, S. 6f.; Hervorhebung original)

 

Harrison lässt nicht den Hauch einer Ahnung davon erkennen, wie verschieden die ästhetischen Erfordernisse des Films von denen der Literatur sind. „Wirkliche“ Science-Fiction-Filme sind für Harrison Filme, deren Drehbücher auch von Science-Fiction-Autoren geschrieben wurden. Als Beispiele nennt er Arthur C. Clarkes Mitarbeit am Skript für Kubricks 2001 und H. G. Wells’ Skript für Things to Come. Doch gerade der letztgenannte Film, den Harrison in Phil Hardys Science Fiction Filmenzyklopädie als „besten Science-Fiction-Film, der jemals gemacht wurde“ bezeichnet (S. 541), ist ein schlagendes Beispiel dafür, wie gründlich der utopische Entwurf eines Science-Fiction-Autors trotz großem Budget und aufwendiger Spezialeffekte Schiffbruch erleiden kann. Der Film hat eine gewisse Größe und fasziniert zweifellos mit einer kühnen utopischen Perspektive – gleichzeitig hat er aber auch schwerwiegende dramaturgische Mängel.

 

Science-Fiction-Autoren sind nicht notgedrungen die besseren Science-Fiction-Drehbuchautoren, und wenn die zugrundeliegende Story schwach ist, wird es der Film auch sein. Star Wars erklärt Harrison zu einem „wahren“ Science-Fiction-Film, weil er auf humorvolle Weise die bunte Pulp- und Comic-Science-Fiction der Zwanziger- und Dreißiger­jahre à la Buck Rogers und Flash Gordon so auf die Leinwand gezaubert hat, wie sie sich Generationen von Lesern immer ausgemalt hatten (offenbar war Harrison von Star Wars gut unterhalten worden). Steven Spielbergs Close Encounters of the Third Kind hingegen wird von Harrison wutschnaubend verteufelt: Dieser Film sei kein Science-Fiction-Film, weil der hoffende Blick zum Himmel, der außerirdische, uns erlösende Götter erwartet, nach Harri­sons Meinung nicht die rechte Haltung zur Wissenschaft sei; Close Encounters leiste einem regressiven Mystizismus Vorschub. Der Mensch solle schließlich nicht sein Gehirn ausklinken und auf Götter hoffen, sondern sein Schicksal mithilfe der heilbringenden Wissenschaft selbst in die Hand nehmen. Offenbar muss ein Film erst das Bekenntnis zur Dreieinigkeit von Technik, Wissenschaft und Fortschritt ablegen, um von Harry Harrison die Seligsprechung „als Science-Fiction“ erlangen zu können.

 

Von der Weisheit des Science-Fiction-Lesers

 

Des Öfteren verfällt auch John Brosnan auf das Vorurteil von der Überlegenheit der schreibenden und lesenden Science-Fiction-Gemeinde. “Scriptwriters have never understood even the basic principles of science or the workings of technology”, behauptet er, “they were writing for the mass cinema audiences, and what did they know about science? About as much as the scriptwriters – which is why so many of the early movies that are labelled ‘science fiction’ aren’t really sf at all” (S. 14). Der Schrecken des Atomkriegs wurde schon 1914 in H. G. Wells The World Set Free vorweggenommen, woraus Brosnan das Bild einer kleinen, eingeschworenen Science-Fiction-Gemeinde ableitet, die anders als die dumme, unwissende Masse ja schon immer gewusst habe, wie furchtbar die Bombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki werden würden (S. 72). Brosnan kann es sich nicht verkneifen, spöttisch Journalisten zu verlachen, die nicht souverän mit Science-Fiction-Standards wie der Lichtgeschwindigkeit umgehen können (S. 75f.). Mittelbar wird der Misserfolg von William Cameron Menzies’ Things to Come (1936) auch darauf zurückgeführt, dass der Film “pro-science” und “pro-space travel” gewesen war (S. 61), ein Thema, das nur für eine kleine, „verfemte“ Science-Fiction-Gemeinde Attraktivität gehabt habe:

 

Those were the days when any attempt to discuss the subject seriously with non-sf readers [ ... ] could result in ridicule and scorn, thus reinforcing the image sf fans had of themselves as a persecuted but intellectually superior group whose beliefs would one day be vindicated in the eyes of the world. One can perhaps draw amusing parallels between them and the early Christians in Rome who were waiting for the Second Coming to achieve a similar result for their religion. (Future Tense, S. 62)

 

Wenn auch Brosnan die geschilderte Einstellung hier mit einem Augenzwinkern belächelt – sie ist doch auch eine „Macke“ seines eigenen Denkens.

 

Ein Ausblick – und ein Fazit

 

Trotz des bisweilen durchschimmernden Science-Fiction-Snobismus ist John Brosnan alles in allem doch recht nachsichtig mit dem Science-Fiction-Kino. Brosnan ist keineswegs blind für die aufregenden Möglichkeiten bester Unterhaltung, die das Science-Fiction-Kino potenziell bietet und trotz zahlloser Rohrkrepierer in besseren Produktionen auch immer wieder eingelöst hat:

 

Of course this hybrid product of science fiction and the cinema has included a lot of marvellous entertainment and some classic films over the years, and it would be churlish to disregard these simply because they don’t fulfil one’s personal criteria of what makes good science fiction. (Future Tense, S. 15).

 

Star Wars ist in Brosnans Augen keine „gute“, aber höchst unterhaltsame Science-Fiction – eine technisch perfekt umgesetzte, detailverliebte Visualisierung der guten, alten Pulp-Science-Fiction auf der großen Leinwand. Der Um­stand, dass Star Wars der Pulp-Science-Fiction verpflichtet war und die sehnlichsten Wünsche der Science-Fiction-Leser befriedigte, kündigte für Brosnan eine neue Ära des Genres an. Mit Milde blickte Brosnan damals in die Zukunft. George Lucas, Steven Spielberg, Michael Crichton und Brian de Palma waren ihm Garanten einer künftigen Aufwer­tung des Science-Fiction-Films, denn alle diese Regisseure waren anders als ihre Vorgängergeneration mit Science-Fiction aufgewachsen und vertraut mit ihren Traditionen und Gesetzmäßigkeiten (S. 15). Nun, wie wir heute wissen, lag Brosnan mit dieser Prognose nicht falsch. Viel zu viele Rohrkrepierer kommen zwar immer noch regelmäßig in die Kinos (mit dem Unterschied, dass sie heutzutage exorbitante Budgets verpulvern dürfen). Aber alles in allem präsen­tiert sich das Science-Fiction-Kino heute erwachsener denn je und dominiert dabei das Kino wie kein zweites Genre. Der Einfluss, den Star Wars auf diese Entwicklung gehabt hat, kann dabei gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

 

John Brosnans Future Tense ist eine höchst unterhaltsame, souverän formulierte, umsichtig diskutierte Gesamtdar­stellung des Science-Fiction-Kinos, die bei aller oben geäußerten Detailkritik vollauf empfehlenswert ist – auch heute noch eines der besten Bücher zum Thema.

 

 

Text: © Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 10. Februar 2016

Buchumschlag: © MacDonald & Jane’s Publishers Ltd.; Design von Paul Chevannes, Fotografie von John Lawson