The Phantom Planet (USA 1961)
Regie: William Marshall
Drehbuch: Fred Gebhardt (Story); William Telaak, Fred De Gorter, Fred Gebhardt (Drehbuch); William Marshall (zusätzliche Dialoge)
Kamera: Elwood J. Nicholson. Schnitt: Hugo Grimaldi, Donald Wolfe
Musik: Gordon Zahler (Leitung), Ted Roberts (Editing)
Darsteller: Dean Fredericks (Captain Frank Chapman), Dolores Faith (Zetha), Anthony Dexter (Herron), Coleen Gray (Liara), Francis X. Bushman (Sesom), Richard Weber (Lieutenant Ray Makonnen), Al Jarvis (Richter Eden), Dick Haynes (Colonel Lansfield), Earl McDaniels (Pilot Leonard), Michael Marshall (Lieutenant White), John Herrin (Captain Beecher), Richard Kiel (Monster) u. a.
Produzent: Fred Gebhardt
Companies: Four Crown Productions Inc.; AIP (Verleih)
Laufzeit: 82 Min.; Schwarzweiß
Premiere: 13. Dezember 1961 (USA)
Im Jahre 1980 unterhalten die USA auf dem Mond mehrere Raumhäfen für ihre Raketenschiffe. Als in der Nähe des Mondes zweimal ein unbekannter großer Asteroid auftaucht und wieder verschwindet und die Raketenschiffe, die zufällig an ihm vorbeifliegen, nicht zurückkehren, ist Colonel Lansfield von der Lunar Base 1 alarmiert. Was hat es mit diesem „Phantomplaneten“ auf sich? Lansfield beauftragt seine besten Astronauten Captain Frank Chapman und Lieutenant Ray Makonnen, mit der Rakete Pegasus 4 aufzubrechen, um das Mysterium aufzuklären.
Auf ihrem Flug gerät die Pegasus 4 in einen Meteoritenschwarm und wird beschädigt. Als Chapman und Makonnen das Schiff verlassen, um seine Außenhülle zu reparieren, wird Makonnen von einem Mikrometeoriten getroffen und stirbt. Bald darauf begegnet die Pegasus 4 dem „Phantomplaneten“ und wird von einem Gravitationsstrahl auf die Oberfläche gezwungen, wo Chapman auf ein Volk von humanoiden, nur wenige Zentimeter großen Liliputanern trifft. Unter dem Einfluss der fremden Atmosphäre und der eigentümlichen Gravitation schrumpft Chapman selbst zu einem Däumling; er wird gefangen genommen und vor Sesom, den Patriarchen des Asteroiden, geführt.
Ein Tribunal entscheidet, dass Chapman auf „Rehton“, wie die Bewohner ihre Welt nennen, bleiben muss: Um für Feinde aus dem All unerkannt zu bleiben, darf niemand den Asteroiden wieder verlassen, der einmal seinen Fuß auf ihn gesetzt hat. Von Sesoms Tochter Liara erfährt Chapman, dass Rehton mittels hochentwickelter Gravitationstechnologie wie ein Raumschiff navigiert werden kann. Rehton ist ständig auf der Flucht vor den feindlichen „Solariten“, einer monströsen Rasse, die es auf Rehtons Gravitationstechnologie abgesehen hat. Als die Solariten mit einer Flotte von Raumschiffen herannahen und Rehton bombardieren, muss Sesom entscheiden, ob Rehton kämpfen oder fliehen soll. Kann Chapman helfen?
Flash Gordon auf Gullivers Reisen
The Phantom Planet ist einer jener Science-Fiction-Filme, an denen sich die Geister scheiden. In der Filmkritik wurde er ungewöhnlich scharf verrissen, und das Publikum scheint mehrheitlich derselben Meinung zu sein – in der Nutzerbewertung der IMDb schneidet der Film mit nur 3,3 von 10 Sternen ausgesprochen schlecht ab, und ähnlich mies ist das Uservoting auf Rotten Tomatoes mit nur 11 % positiver Stimmen. Vor einigen Jahren fiel außerdem die berüchtigte TV-Serie Mystery Science Theater 3000 mit ihrem üblichen Hohn und Spott über ihn her, was seinen Ruf als vergurktes Machwerk weiter zementierte. Eine der wenigen positiven Einschätzungen findet sich in Phil Hardys Science Fiction Filmenzyklopädie: „Trotz der albernen Story bleibt dies ein unterhaltsamer kleiner Film, sei es auch nur wegen der interessanten Schauspieler und Marshalls energischer Regie“ (S. 220). Ganz recht: The Phantom Planet ist nicht lachhafter oder absurder als andere cheapies jener Zeit, aber im Gegensatz zu vielen Konkurrenten ist er dabei erfrischend kurzweilig und einfallsreich. Der Film macht Spaß!
So verwundert es ein wenig, wie leidenschaftlich Bill Warren (1943–2016) den Film in seinem Buch Keep Watching the Skies! verreißt (S. 658–662). Warren war einer der besten Kenner der Science-Fiction-Filme der Fünfziger- und frühen Sechzigerjahre und lässt häufig wohltuende Milde walten, wo andere Bücher nur mit schnarrendem Gelächter ätzen. In seiner aufgebrachten Schelte gegen The Phantom Planet scheinen ihm indessen die Pferde durchzugehen. Warren lässt kein einziges gutes Haar an dem Film. Er hält ihn für unerträglich „langweilig“, brandmarkt ihn als „abgeschmackt“, „hoffnungslos“, „dumm“ und „lethargisch“ und greint – zu Unrecht –, dass der Streifen „möglicherweise der dialoglastigste amerikanische Science-Fiction-Film aller Zeiten“ sei. Die Spezialeffekte seien „unakzeptabel“, die Schauspieler „stumpf“ und die Regieanstrengungen „fantasielos“. Man reibt sich die Augen – hat Warren etwa einen anderen Film gesehen? Und hat er vergessen, wie viele billige Science-Fiction-Heuler es gibt, die weitaus langweiliger, dümmer, lethargischer und phantasieloser als The Phantom Planet sind?
Sicher – der Film ist eine naive, kindische Space Opera, die beherzt in die Legokiste der Pulp-Klischees greift und reichlich bunte Bausteine herauskramt. Es gibt einen umherirrenden, bedrohlichen Asteroiden, tollkühne Weltraumhelden, verschollene Raketenschiffe, den unausweichlichen Meteoritensturm, Gravitationsstrahlen, ein exotisches Weltraumvolk, wunderschöne außerirdische Jungfrauen, die sich nach dem Helden verzehren, und glotzäugige Monster. Doch all das ist auf der Habenseite zu verbuchen: Der Film versammelt eine Fülle an fantastischen Ideen, dass es eine helle Freude ist, und überrascht dabei trotz aller Klischees mit unerwarteten Wendungen. Am Ende bekommt man sogar einen regelrechten „Krieg der Sterne“ geboten, mit einer Flotte angreifender Raumschiffe, die Rehton mit Laserstrahlen beschießen.
Die Spezialeffekte von Louis DeWitt (einem langjährigen Mitarbeiter von Jack Rabin und Irving Block) und Charles R. Duncan sind ansprechend gemacht. In der besten Trickszene schrumpft Chapman, für den Zuschauer völlig unerwartet, plötzlich zusammen: Im Visier seines Helms schwindet langsam sein Gesicht, während sein am Boden liegender Raumanzug in sich zusammenfällt; kurz darauf lugt Chapman als splitternackter Winzling aus seinem Helm heraus. Die Bauten und die Ausstattung sind recht proper und lassen erkennen, dass durchaus einige Dollars in sie investiert wurden. Die rehtonischen Kontrollen des Gravitationsstrahls sind unspektakulär: Sie sehen ein bisschen aus wie zerbrochene Weingläser, die auf mehreren Pulten zwischen leuchtenden Glaskuppeln angeordnet sind; Patriarch Sesom (der nicht viel mit seinem „umgekehrten“ Namensvetter Moses gemein hat) bedient sie mit frei kreisenden Handbewegungen, die er über ihnen ausführt. Immerhin sind sie ein recht netter Versuch, eine fremdartige Technologie darzustellen. Völlig vergurkt ist dagegen das zusammengeschusterte, schreiend lachhafte Helloween-Kostüm des Solariten, eine stümperhafte Nachäffung des Mutanten aus Joseph M. Newmans Metaluna 4 antwortet nicht (1955). In dem Kostüm steckte kurioserweise Richard Kiel, der später in mehreren James-Bond-Filmen als „Beißer“ Berühmtheit erlangte.
Die Regie von William Marshall (1917–1994), soweit behält Bill Warren recht, ist müde und einfallslos; Tiefpunkt ist der unglaublich hüftsteife „Kampf“ Chapmans und Herrons mit dem Monster. Allerdings enthält der Film so viel Action, dass er auch ohne Marshalls Zutun Schwung entwickelt. Marshall, in den Vierziger- und Fünfzigerjahren ein vielbeschäftigter Schauspieler, hat in nur drei Filmen Regie geführt; seine beiden anderen Regiearbeiten, Adventures of Captain Fabian und Hello God (beide 1951), waren kleine, unbedeutende Abenteuerfilme, die er mit seinem Freund Errol Flynn 1951 in Europa realisierte. Kuriosum am Rande: In demselben Jahr, als Marshall The Phantom Planet inszenierte, heiratete er Ginger Rogers (1911–1995). Es war Rogers’ fünfte und letzte Ehe; sie scheiterte früh und wurde zehn Jahre später geschieden.
Die Darsteller sind symphatisch, ihr glanzloses Schauspiel aber ist bestenfalls routiniert. Dean Fredericks (1924–1999) müht sich mit strohblondem Haar und viel zu starrer Mimik erfolglos ab, eine energische Flash-Gordon-Kopie zu geben. Anthony Dexter (1913–2001), Dolores Faith (1941–1990) und Coleen Gray (1922–1950) agieren geschmeidiger, während Francis X. Bushman (1883–1966), einst ein gefeierter Stummfilmstar, in der Rolle des Patriarchen Sesom bemitleidenswert unbeholfen erscheint.
Der Plot des Films baut auf zwei zentralen Ideen auf: die fantastischen Eigenschaften der Gravitation Rehtons, die die Rehtoner technologisch nutzbar gemacht haben, und das Gullivers Reisen-Motiv, das Bill Warren und die meisten anderen Kritiker für überflüssig halten, da die Miniaturisierung Chapmans und der Rehtoner keinerlei Einfluss auf den Fortgang der Handlung hat. Nun, immerhin wird das Motiv effektiv gehandhabt und unterstreicht sowohl die Andersartigkeit der Rehtoner als auch den fantastischen Charakter von Chapmans Erlebnissen auf dem Asteroiden. Hierfür wird zusätzlich auch noch der übliche Rahmen einer Traumgeschichte bemüht: Der Held wird bewusstlos, erwacht in einer völlig fremdartigen Traumwelt und verlässt dieselbe, indem er erneut bewusstlos wird. Als Chapman, wieder zu seiner normalen Körpergröße gewachsen, von einer Rettungsmission aufgelesen und zum Mond zurückgeflogen wird, beweist ihm ein kleiner Stein in seiner Hand, den ihm Zetha geschenkt hat, dass er nicht geträumt hat. Seltsam nur, dass auch dieser einst winzige Stein mit ihm zu Faustgröße gewachsen ist . . .
Das Drehbuch ist ein greller Mix aus tollen Einfällen und grandiosem Unvermögen. Der energische Versuch der Autoren, all die „wissenschaftlichen“ Fragen lösen, die ihre fantastische Geschichte aufwarf, ist deutlich erkennbar, doch so löblich ihr Eifer auch ist, scheitern sie kläglich dabei, die kruden Erklärungen auch glaubwürdig erscheinen zu lassen. Der massive science babble ist kompletter Quatsch mit Soße. Dass die Astronauten einen Asteroiden ständig als „Planeten“ ansprechen, mag man vielleicht noch hinnehmen. Völlig unglaubwürdig dagegen ist, dass die Rehtoner aufgrund obskurer „Tonwellen“ – tone waves – die englische Sprache auf Anhieb verstehen können. Die Erklärung Liaras, dass Chapman durch eine kombinierte Wirkung der Atmosphäre und der abnormen Gravitation Rehtons geschrumpft sei und durch das Atmen normaler Erdatmosphäre wieder zu normaler Größe wachsen würde, verlangt nach einem Beißholz. Dasselbe gilt für Sesoms Ausführungen über Rehton und seine Gravitation: Die Atome Rehtons hätten engere Elektronen-Orbits, weshalb Rehton eine höhere Dichte habe und die Rehtoner in der Lage seien, die „positive“ und „negative Gravitation“ des Asteroiden zu kontrollieren; da sich die Energie, die die Atome Rehtons zusammenhalten, langsam erschöpfe, schrumpfe Rehton kontinuierlich, und in einigen Jahrmillionen werde sich Rehton „in Nichts auflösen“. Bizarre Dinge erfährt man auch über die Solariten: Sie kommen angeblich von einem „Sonnensatelliten“ (sun satellite), ihr Element ist demnach das Feuer, und deshalb sehen ihre Raumschiffe auch aus wie flammend brennende (!) Holzkohlestückchen (was sie vermutlich auch gewesen waren). Ferner kratzt man sich bei Liaras Erklärung am Kopf, dass auf Rehton nichts wachse und die Rehtoner daher synthetische Nahrung produzierten. Schön und gut – aber wenn dem so ist, können sich die Rehtoner kaum auf Rehton entwickelt haben. Woher sind sie dann ursprünglich gekommen?
Auch die Logik der eigentlichen Handlung holpert bisweilen stark, da die Klischees ungeschickt zusammengebastelt wurden. Das Tribunal, vor das Chapman gestellt wird und das aus einer Schar wunderschöner junger Frauen besteht, von denen Marya Carter (geb. 1942) und Merissa Mathes (geb. 1940) bald darauf auch als Pinups im Playboy zu bewundern waren, bleibt eine obskure Veranstaltung, weil die Autoren sich offenbar selbst nicht recht klar darüber waren, wofür Chapman nun eigentlich verurteilt werden soll. Es ist wohl glaubwürdig, dass ihm aus verteidigungspolitischen Gründen verboten wird, Rehton wieder zu verlassen. Wenig glaubwürdig ist es dagegen, wie rasch Chapman zu einem der engsten Vertrauten Sesoms aufsteigt. Seltsame Ehrbegriffe vertritt Herron, wenn er Chapman zum Duell herausfordert, weil der Erdling Liara angeblich damit beleidigt habe, dass er sich nicht in sie verliebte – mehr noch, er selbst (!) fühle sich nicht minder beleidigt, weil er Liara durchaus begehre. Ausgesprochen lahm wird der Höhepunkt der Handlung gehandhabt, der den Helden der Geschichte zum bloßen Zuschauer degradiert. Als die Solariten angreifen und Rehton bombardieren, fragt Sesom Chapman, was er tun solle – fliehen oder kämpfen? Chapman votiert für den Kampf, und Sesom sekundiert, dass das auch sein eigener Entschluss gewesen sei, und schreitet an den Kontrollen des Gravitationsstrahls zur Tat.
Eine Menge Schwächen also, die dem Spott regelrecht den roten Teppich ausgerollt haben. Nichtsdestotrotz hat mich The Phantom Planet gut unterhalten. Ja, der Film ist naiv und „unwissenschaftlich“; er ist schwach inszeniert, mäßig gespielt und präsentiert eines der dämlichsten Monster der Filmgeschichte. Aber er ist auch actionreich, voller Wendungen, spannend und hat Charme – ein verfilmter, kurzweiliger Comicstrip. Die Fülle der fantastischen Elemente, die sympathischen Darsteller und das flotte Tempo der Handlung ergeben unter dem Strich ein munteres, durchaus sehenswertes Weltraumabenteuer.
© Michael Haul
Veröffentlicht auf Astron Alpha am 18. Januar 2018