Sphere (USA 1998)
Regie: Barry Levinson
Drehbuch: Kurt Wimmer (Adaption); Stephen Hauser, Paul Attanasio (Drehbuch); nach dem Roman Sphere (1987) von Michael Crichton
Kamera: Adam Greenberg. – Schnitt: Stu Linder. – Musik: Elliot Goldenthal
Art direction: Mark W. Mansbridge, Jonathan McKinstry
Darsteller: Dustin Hoffman (Dr. Norman Goodman), Sharon Stone (Dr. Elizabeth Halperin), Samuel L. Jackson (Dr. Harry Adams), Peter Coyote (Captain Harold C. Barnes), Liev Schreiber (Dr. Ted Fielding), Queen Latifah (Alice Fletcher), Marga Gómez (Jane Edmunds), Bernard Hocke (Seemann) u. a.
Produzenten: Michael Crichton, Barry Levinson, Andrew Wald
Companies: Warner Bros.; Baltimore Pictures; Constant C; Punch Productions
Laufzeit: 134 Min.; Farbe
Premiere: 13. Februar 1998 (USA); 2. April 1998 (Deutschland)
Ein Team von Wissenschaftlern wird von der US-Navy in einem streng geheimen Unternehmen auf den Pazifik hinausgeflogen, um dort ein in 311 Metern Tiefe gefundenes gigantisches UFO zu untersuchen. Die Navy hat neben dem UFO ein Unterwasserhabitat stationiert, in das die Wissenschaftler für mehrere Tage einziehen. Aus der Dicke des Korallenwuchses auf der Hülle des UFOs schließen die Forscher, dass es bereits seit 288 Jahren auf dem Meeresgrund liegt. Als sie in das Wrack eindringen, staunen sie nicht schlecht, denn das Raumschiff stammt offensichtlich von der Erde; in der Kommandozentrale befindet sich noch die mumifizierte Leiche von einem der Piloten.
Aus den Datenbanken des Schiffs wird erkennbar, dass das Schiff aus der Zukunft kam; durch die Begegnung mit einem schwarzen Loch ist es im Zeitstrom zurückgeschleudert worden und anschließend auf der Erde abgestürzt. Im Frachtraum des Schiffes machen die Wissenschaftler eine seltsame Entdeckung: eine fast zehn Meter hohe, golden schimmernde Kugel von perfekter geometrischer Form und einer Oberfläche, die sich sanft wie Wasser kräuselt. Das Objekt ist offensichtlich außerirdischen Ursprungs und könnte vielleicht eine hochentwickelte Form von Leben sein.
Nach dem Kontakt mit der goldenen Sphäre wird das Unterwasserhabitat von einer Serie von bizarren Gefahren heimgesucht. Eine Forscherin wird außerhalb der Station von plötzlich auftauchenden Quallenschwärmen getötet, im Inneren spielen die lebenserhaltenden Systeme verrückt, und ein gigantischer Tintenfisch nähert sich dem Habitat. Erst nach und nach dämmert den Forschern, dass alle Bedrohungen Manifestationen ihrer eigenen unterbewussten Ängste sind. Der Kontakt mit der goldenen Sphäre hat ihnen psychische Allmacht verliehen – die sie jedoch nicht kontrollieren können . . .
Michael Crichton kann es besser
Sphere – Die Macht aus dem All ist passable Science-Fiction-Kost. Der von Barry Levinson (geb. 1942; Rain Man, Wag the Dog) als solider Thriller inszenierte Film ist fesselnd und unterhaltsam, hat allerdings auch mit gravierenden Schwächen zu kämpfen. Er fährt keine besonders originellen Ideen auf, krankt an brüchiger Logik und verärgert mit einem lachhaften, absurden Ende. Die bereits 1987 erschienene Romanvorlage stammt aus der Feder des Autors, Regisseurs und Produzenten Michael Crichton (1942–2008). Der Großmeister des technologischen Thrillers schrieb in den Siebzigerjahren Science-Fiction-Meilensteine wie die Romanvorlage zu Robert Wises Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All (1971) sowie die Drehbücher für die Filme Westworld (1973) und Koma (1978), bei denen er auch Regie führte. Nachdem seine nachfolgenden Werke und Regiearbeiten in den Achtzigerjahren kaum Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten, gelang ihm mit dem so cleveren wie packenden Roman Jurassic Park (1990), der von Steven Spielberg 1993 als mitreißender Blockbuster verfilmt wurde, ein fulminantes Comeback.
In Michael Crichtons Romanen, Drehbüchern und Filmen kommt stets ein tiefer Zweifel an der menschlichen Natur zum Ausdruck. Crichton traut der Moral und der intellektuellen Befähigung des Menschen nicht über den Weg. Seine Figuren sind regelmäßig von den kritischen Situationen überfordert, die der Mensch selbst heraufbeschworen hat, und es gelingt ihnen nicht, die aus dem Ruder laufenden eigendynamischen Prozesse in den Griff zu kriegen. Öfters spielt dabei die immer komplexer werdende, nicht mehr sicher beherrschbare Technologie eine Rolle. Der Mensch, mit seiner Wissenschaft und Technik Schöpfung spielend, versagt – er taugt nicht als Gott.
Diese Auffassung liegt auch dem Plot in Sphere zugrunde. Die goldene Sphäre ist das Angebot einer enorm hochentwickelten außerirdischen Rasse, die ihren Geist von den Zwängen der Materie befreit hat – Denken und materielles Erschaffen sind ihnen eins. Der Mensch erhält mit der Sphäre die Chance, dieselbe unbegrenzte Schöpferkraft zu erhalten. Jeder, der einmal in die Sphäre eingetaucht ist, kann anschließend seine Gedanken unmittelbar manifestieren. Während jedoch die Außerirdischen gottgleiche Bewusstseinshöhen erklommen haben, scheitern die Menschen am kognitiven Boost erbärmlich. Zu spät erkennen die drei Helden des Films, welche Fähigkeit sie da erworben haben, nämlich erst nachdem die Manifestationen ihres abgründigen, von Angst und Hass erfüllten Unterbewussten alle Kollegen im Unterwasserhabitat ermordet haben.
Monster aus dem Id
Das Manifestieren von Gedanken und unterbewussten Traumgebilden erinnert unweigerlich an die außerirdischen Krell und die „Monster aus dem Id“ aus Fred M. Wilcox’ Science-Fiction-Klassiker Alarm im Weltall (1956). Weitere prominente Science-Fiction-Filme, die psychische Manifestationen thematisieren – mit katastrophalen Folgen selbstverständlich –, sind Andrei Tarkovskys Solaris (1971) und Paul Andersons Event Horizon (1997), während das Anschieben der menschlichen Entwicklung durch eine fast gottgleiche außerirdische Spezies spätestens seit Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum (1968) zu den gängigen Themen des Science-Fiction-Films gehört. Ferner können gewisse Schockeffekte, insbesondere der mumifizierte Leichnam im Raumschiff-Cockpit, ihre Anleihen an Ridley Scotts Alien (1979) nicht verhehlen. Der first contact mit Außerirdischen unter Wasser gemahnt natürlich James Camerons Abyss – Der Abgrund (1989), obgleich dieser Vergleich nicht ganz fair ist, denn Michael Crichtons Romanvorlage erschien bereits zwei Jahre früher. Ein anderes Unterwasser-Epos, das Sphere zitiert, ist Richard Fleischers 20.000 Meilen unter dem Meer (1954). Abgesehen davon, dass ein Exemplar von Jules Vernes’ klassischem Roman zur Quelle des gigantischen Krakens wird, der das Unterwasserhabitat bedroht, sind es vor allem die Szenen vom Ab- und Auftauchen in einem Wasserbecken und die Unterwasserspaziergänge am Meeresgrund, die an Fleischers Film denken lassen.
Gängige Science-Fiction-Topoi zu verwenden oder andere Science-Fiction-Filme zu zitieren ist im Genrefilm durchaus legitim und auch eher die Regel als die Ausnahme – es sollte Sphere daher nicht angelastet werden, dass der Film genauso verfährt. Wenn eingangs die mangelnde Originalität beklagt wurde, zielt die Kritik auch eher auf die Ausführung. Die Story des Films mäandert unentschlossen zwischen den Plotideen hin und her und präsentiert sich als verworrener Mischmasch: Will Sphere nun den Erstkontakt mit Aliens erzählen, über das menschliche Unterbewusstsein meditieren oder ein schlichter Horrorschocker sein? Die ungereimte Fabel färbt auf die Figuren der Erzählung ab, vor allem auf Dr. Harry Adams (Samuel L. Jackson), der erst als bedrohliches, träumendes Monster präsentiert wird, das mit seinen Kollegen ein perfides Katz-und-Maus-Spiel spielt, um plötzlich zu einem Helden gedreht zu werden, der fest an der Seite von Dr. Norman Goodman (Dustin Hoffman) und Dr. Elizabeth Halperin (Sharon Stone) steht.
Es gibt auch Lichtblicke im Drehbuch zu verzeichnen. So wird der Psychologe Goodman nur aufgrund einer von ihm verfassten Studie über mögliche Auswirkungen eines Erstkontakts mit Aliens von der Navy für das Wissenschaftler-team rekrutiert. Dass Goodman sich diese Studie vollständig aus den Fingern gesaugt hat, ist ein herrlich bissiger Sei-tenhieb auf die Eitelkeiten des Wissenschaftsbetriebs und lässt Goodman schlagartig symphatisch erscheinen. Andere aus dem Team wie der Astrophysiker hadern mit sich und ihrer wissenschaftlichen Reputation, während die mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Koryphäe unter ihnen voller Neid beäugt wird. Bei soviel professionellem Konfliktstoff ist die gescheiterte Liebesbeziehung zwischen Goodman und Halperin fast überflüssig. Eine gelungene Szene ist auch der Dialog mit Goodman, den Adams mit dem Satz eröffnet: „Wir werden alle sterben.“ Anschließend legt Adams die schlichte deduktive Logik dieser Schlussfolgerung dar, die sich aus dem klassischen Zeitparadoxon ergibt: Würden die Wissenschaftler nicht sterben, würden sie der Nachwelt von dem Raumschiff aus der Zukunft erzählen, sodass die zu-künftigen Raumfahrer von dieser Kunde wüssten und vor ihrer Begegnung mit dem Schwarzen Loch gewarnt wären. Folglich würden sie das schwarze Loch meiden, wodurch nie ein Raumschiff im Zeitstrom zurückgeschleudert worden wäre.
Die Stärken des Films täuschen jedoch nicht darüber hinweg, dass es Michael Crichton nicht gelingt, seine halbgare und verworrene Story logisch sauber zu durchdenken. So stoßen eine Reihe von absurden Wendungen und Fehler sauer auf. Weshalb bedingt die Fähigkeit, unterbewusste Manifestationen zu erzeugen, dass Harry Adams plötzlich so seltsam verändert und verschlossen ist? Adams sprüht plötzlich vor Euphorie, was angesichts erster Todesfälle völlig unangebracht ist, und mampft riesige Portionen Eier. Was er in der Sphäre erlebt hat oder was mit ihm geschehen ist, erzählt er nicht. Der dramaturgische Sinn ist klar: Adams soll bedrohlich erscheinen, und die Wahrheit über die Sphäre soll so lang wie möglich hinausgezögert werden. Die anderen Figuren rätselraten derweil, ob Adams möglicherweise von einer außerirdischen Lebensform übernommen wurde. Überdies lassen sich mit einer Figur im Habitat, die nur scheinbar die Quelle der bedrohlichen Situationen ist, treffliche Spannungs- und Schockmomente sowie falsche Fähr-ten und überraschende Wendungen herbeiführen. Gleichwohl ist Adams’ Verhalten vollkommen unlogisch, insbeson-dere deshalb, weil Goodman und Halperin sich nicht in derselben Weise wie Adams verändern, obwohl auch sie, wie sich gegen Ende des Films herausstellt, in die Sphäre eingetaucht waren.
Als es den Wissenschaftlern gelingt, über den Computer mit der fremden Macht zu kommunizieren, stellt sich die Macht, die in Wirklichkeit Harry Adams’ Unterbewusstsein ist, auf dem Bildschirm mit den Worten „Ich heiße Jerry“ vor. Erst später entdeckt Goodman, dass der Code für die Kommunikation falsch entschlüsselt wurde und zwei „Tippfehler“ enthält: „Jerry“ meint in Wirklichkeit „Harry“. Auch das ist unlogisch, da ein derartiger Dekodierungsfehler die anderen ausgetauschten Informationen zwischen den Wissenschaftlern und Harry ebenfalls korrumpiert hätte. Schließlich ist die auf dem Computerbildschirm angekündigte Entscheidung von Harry Adams’ Unterbewusstsein, alle töten zu wol-len, nicht durch die Beziehungen zwischen Adams und seinen Kollegen motiviert. Dass in unser aller Unterbewusstein die Mordlust eingekerkert ist und nur darauf lauert auszubrechen, ist ein gängiges küchenpsychologisches Klischee. Dennoch bleibt die Frage, weshalb Harry und, wie sich später zeigt, auch Goodman alle Kollegen mit sadistischem Vergnügen ermorden will. Auch hier geht es Michael Crichton allein um den dramaturgischen Effekt. Dasselbe gilt für das zweite Romanexemplar von Jules Vernes’ 20.000 Meilen unter dem Meer, das mitten im Buch plötzlich abbricht und nur noch leere Blätter aufweist. Weshalb sollte Harry ein solches Buch manifestieren?
Zerfahrener Showdown
Das Filmende ist unglaublich doof und ärgerlich. Der Fluchtversuch von Goodman, Halperin und Adams aus dem Habitat, das zu explodieren droht, scheint fast zu scheitern, weil sich die drei Wissenschaftler – wiederum unmotiviert und unlogisch – in schnellen Schnitten zwischen verschiedenen Orten (dem Schiff, dem Habitat, dem Rettungsboot) hin und her manifestieren. Schließlich, in der Dekompressionskammer an Bord eines Navy-Schiffs, denken die Helden über ihre neu erworbene psychische Fähigkeit des Manifestierens nach. Goodman kommt zu dem Schluss, dass die Ereignisse am Grund des Meeres bewiesen haben, wie gefährlich diese Fähigkeit ist. Er stellt der menschlichen Psyche ein schlechtes Zeugnis aus („Wir sind noch nicht soweit“) und überzeugt seine Mitstreiter davon, dass es das Beste wäre, wenn sie sich gemeinsam ihres kognitiven Boosts wieder entledigen. Ihre manifestativen Kräfte sind auch dafür gut – alle drei reichen einander die Hände, und auf eins, zwei, drei – Simsalabim! ist alles vergessen. Dümmer geht’s nimmer.
Sphere bleibt damit auch im Schluss inkonsequent. Der Mensch ist angeblich zu unterentwickelt, um mit der Fähigkeit des Manifestierens umgehen zu können. Aber Crichtons Helden handeln trotzdem edel und selbstlos, indem sie freiwillig diese Fähigkeit wieder vergessen. Unversehens hat doch die Kultur die Oberhand gewonnen, und die Albträume und Mordgelüste der Helden werden in ihre Kerker zurück verbannt. Da wirkt es fast zynisch, dass keiner der Helden um all die getöteten Kollegen trauert. Sie sind letztlich ja auch egal gewesen: Ihre einzige Funktion bestand darin, den Gesetzen des Thrillers folgend einer nach dem anderen ins Gras zu beißen.
Laut IMDb hat Sphere stolze 80 Millionen Dollar gekostet, aber weltweit nur etwa 50 Millionen Dollar eingenommen – ein schlimmer Flop. War es eine gute Entscheidung gewesen, teure Stars zu engagieren und dafür auf tricktechnischer Seite sparsamer zu sein? Keine einfache Frage. Einerseits wirken die Produktionswerte angesichts des hohen Budgets mager. So ist der Anblick des gigantischen Raumschiffs unter Wasser wenig beeindruckend, mehr als eine aufragende Rückenflosse des Schiffs bekommt man nicht zu sehen. Da ändert es auch nichts, wenn Sharon Stone staunend die Augen aufreißt und „Wahnsinn!“ ausruft. Und der riesige Oktopus, der zweimal das Habitat bedroht, wird dem Zuschauer sogar ganz vorenthalten – er muss sich mit einem schemenhaften Schatten auf einem Radarschirm begnügen. Selbst die goldene Sphäre ist wenig spektakulär und schürt kaum den sense of wonder. Andererseits macht sich die Starbesetzung definitiv bezahlt. Samuel L. Jackson, Sharon Stone und Dustin Hoffman sind alle in Topform, hauchen ihren Rollen eine gehörige Portion Glaubwürdigkeit ein und retten den Film davor, dass er wie eine sterile Neunzigerjahre-TV-Produktion anmutet.
Sphere – Die Macht aus dem All ist ein spannender Science-Fiction-Thriller mit einer ansprechenden, wenn auch etwas verworrenen Prämisse, der vor allem durch seine hervorragenden Schauspieler punktet. Gleichwohl ist die Enttäuschung über das unlogische Durcheinander der Story doch erheblich, und diese wird auch nicht von den durchschnittlichen Produktionswerten aufgewogen. So bleibt das Gesamturteil durchwachsen. Die teils schlimmen Verrisse über den Film sind übertrieben, doch eine Sternstunde der Science-Fiction ist der Streifen keinesfalls. Michael Crichton kann es besser.
© Michael Haul; veröffentlicht auf Astron Alpha am 2. Juli 2017
Szenenfotos © Warner Bros.