Rocketship X-M (USA 1950)
Regie: Kurt Neumann
Drehbuch: Dalton Trumbo (ungenannt), Kurt Neumann und Orville H. Hampton
Darsteller: Lloyd Bridges (Floyd Oldham), Osa Massen (Lisa van Horn), John Emery (Dr. Karl Eckstrom), Noah Beery jr. (Major William Corrigan), Hugh OʼBrian (Harry Chamberlain), Morris Ankrum (Dr. Ralph Fleming), Sherry Moreland (marsianische Frau) u. a.
Produzenten: Robert L. Lippert (presents-Credit); Kurt Neumann
ausführender Produzent: Murray Lerner
Company: Lippert Pictures, Inc.
Premiere: 26. Mai 1950 (USA); 3. Januar 1958 (Deutschland)
77 Minuten, Schwarzweiß
Vier Männer und eine Frau sollen als erste Menschen zum Mond fliegen. Vor den Augen einer großen Reporterschar, die für den historischen Moment herbeigerufen wurde, startet die Besatzung mit der dreistufigen Rakete RXM, die feurig von der Erde davonrast. Im All gerät das Raumschiff in einen Meteoritenschauer und wird gehörig durchgeschüttelt, doch trägt es glücklicherweise außer Beulen und Kratzer keine größere Schäden davon. Kurz darauf versagt jedoch die Zündung der letzten Raketenstufe. Der Chef der Expedition Dr. Karl Eckström, der die Rakete auch konstruiert hat, und der Ingenieur William Corrigan untersuchen alle Bauteile des Antriebs, können allerdings keinen technischen Defekt entdecken. Eckström vermutet daraufhin ein falsch berechnetes Verhalten des Treibstoffs, der durch die kosmische Strahlung chemisch verändert worden sein könnte.
Eckström und seine Assistentin, die Chemikerin Lisa van Horn, berechnen das Mischungsverhältnis der Treibstoffkomponenten neu. Dabei unterläuft Eckström ein Fehler: Bei dem erneuten Versuch, den Antrieb zu zünden, schießt die Rakete mit gewaltiger Beschleunigung davon, und die Mannschaft fällt in Ohnmacht. Als die Raumfahrer Stunden später wieder erwachen, staunen sie nicht schlecht: Die RXM hat den Planeten Mars erreicht! Alle sind sich rasch einig, dass man sich die Chance zur Landung auf dem roten Planeten nicht entgehen lassen sollte. In der endlosen Geröll- und Sandwüste, die sich um den Landeplatz der Rakete erstreckt, entdeckt das Team die Ruinen einer uralten Zivilisation, die sich einst in einem großen Atomkrieg selbst vernichtet hat – und stößt kurz darauf auf eine Horde feindseliger Mutanten, die auf eine steinzeitliche Kulturstufe zurückgefallen sind . . .
Aufbruch des modernen Science-Fiction-Kinos
Die beiden Raumfahrtfilme Rakete Mond startet von Kurt Neumann und Endstation Mond von Irving Pichel, die im Mai und Juni 1950 in die amerikanischen Kinos kamen, markieren den Beginn des modernen Science-Fiction-Kinos, das in den Fünfzigerjahren seine erste große Blütezeit erleben sollte. Damals stand die Welt an der Schwelle zum Raumfahrtzeitalter, und der Aufbruch ins All wurde eine zunehmend populäre, die Fantasie der breiten Masse beflügelnde Idee. Zwar hatte es auch schon zuvor Science-Fiction-Filme gegeben, in der die Raumfahrt eine Rolle spielte – prominente Beispiele wären George Mélièsʼ Le Voyage Dans La Lune (1902), Holger Madsens Himmelskibet (1918), Jakow Protasanows Aelita (1924), Fritz Langs Frau im Mond (1929), Wassili Schurawljows Kosmitscheski Reis (1936), William Cameron Menziesʼ Things to Come (1936) oder Kinoserials wie Flash Gordon (1936) und Buck Rogers (1939). Allerdings traten diese Filme nur sporadisch in Erscheinung – Raumfahrt war eine noch zu fantastische und dem Kinopublikum zu fern liegende Idee – und die Vorstellungen, die diese frühen Filme über die Raumfahrt abbildeten, waren zum größten Teil noch sehr märchenhaft: Der Sprung ins All wurde mit Kanonengeschossen, Zeppelinen oder flugzeugähnlichen Raketenschiffen bewältigt. Spätestens seit dem technologischen Durchbruch der deutschen V-2-Rakete jedoch gab es keinen Zweifel mehr darüber, dass die Menschheit den Weltraum mit Raketen erreichen würde, und sowohl Endstation Mond als auch Rakete Mond startet bildeten die Reise ins All per Rakete mit einer wissenschaftlichen Glaubwürdigkeit ab, die so zuvor noch nie in einem Science-Fiction-Film erreicht worden war.
Das zweite große Thema, das die Imagination der Nachkriegsära prominent beschäftigte, war die Technologie der Atomkraft. Die Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki hatten der Welt vor Augen geführt, dass die Menschheit nunmehr in die Lage versetzt war, sich selbst mit verheerend entfesselter Atomkraft vollständig auszulöschen – eine Perspektive, die durch die atomare Abschreckung im Kalten Krieg ständig Wirklichkeit zu werden drohte und daher nervöse Angst erzeugte. Es waren vor allem diese beiden Entwicklungen – der Beginn des Raumfahrt- und des Atomzeitalters –, die die Hochkonjunktur der Science-Fiction im Kino der Fünfzigerjahre beförderten. Die Science-Fiction war das natürliche Genre, das auf die brennenden Fragen an die Zukunft, die mit den neuen Technologien und ihren Konsequenzen zusammenhingen, Antworten versuchen konnte.
In Rakete Mond startet sind bemerkenswerterweise beide Themen miteinander verschränkt. Tatsächlich war der Film der erste überhaupt, der das Menetekel des Atomkriegs im Gewand einer Science-Fiction-Story auf die Kinoleinwand malte. Im Gegensatz dazu konzentrierte sich der von George Pal (1908–1980) produzierte Konkurrenzfilm Endstation Mond vor allem auf die enthusiastische Feier des kommenden Raumfahrtabenteuers, während er nebenher die nukleare Abschreckung vorbehaltlos bejahte, indem er die Errichtung von Atomwaffenstützpunkten auf dem Mond zu einem wesentlichen Ziel für die Eroberung des Mondes erklärt – eine Idee, die Robert A. Heinlein, der Vater der modernen Military-SF, dem Film in das Drehbuch geschrieben hatte.
Inhaltlich mochte Rakete Mond startet ambitionierter sein; für den Produzenten Robert L. Lippert (1909–1976) hingegen stellte der Film vor allem eine kostengünstige Trittbrettproduktion dar, die von der Medienkampagne für George Pals Endstation Mond profitieren sollte. Pals Film, in Farbe gedreht und mit einem großzügigen Budget von 586.000 Dollar ausgestattet, war bereits im Herbst 1949 in die Produktion gegangen und wurde über Monate von werbewirksamen Artikeln und Reportagen in Zeitschriften und Tageszeitungen begleitet. Lippert beschloss, mit erheblich weniger Aufwand auf den fahrenden Zug aufzuspringen und selbst einen Raumfahrtfilm ins Kino zu bringen. Er gab einer vom Regisseur Kurt Neumann an ihn herangetragenen Science-Fiction-Idee grünes Licht und lieferte sich mit der Konkurrenz einen Aufsehen erregenden Wettlauf in die Kinos. Rakete Mond startet wurde für läppische 94.000 Dollar in höchster Eile in Schwarzweiß hergestellt, wobei 18 Tage im Februar 1950 auf die reine Drehzeit entfielen, und am Ende gewann Lippert das Rennen knapp: Am 26. Mai 1950, nur 23 Tage vor der Kinopremiere von Endstation Mond, wurde Rakete Mond startet in New York uraufgeführt.
Während der Produktion kam es zu heftigem Streit zwischen Eagle-Lion, der Produktionsfirma von Endstation Mond, und Lippert. Einige gepfefferte Briefe der Rechtsanwälte von Eagle-Lion, die Lippert des Plagiats bezichtigten, sollen angeblich dafür gesorgt haben, dass das Drehbuch für Rakete Mond startet geändert wurde, sodass nunmehr Lipperts Mondrakete ihr Ziel verfehlte und stattdessen den Mars erreichte. Bill Warren hat überdies in seinem Buch Keep Watching the Skies! vermutet, dass der Mars auch aus Gründen des schmalen Budgets als Schauplatz gewählt worden sein könnte:
In frühen Drehbuchentwürfen flog die Rakete tatsächlich zum Mond, aber Pals Film (und ein angedrohter Rechtsstreit) änderte Lipperts Ziel vom Mond zum Mars. Und das machte den ganzen Unterschied aus. Für 94.000 Dollar wäre es schwierig (selbst im Jahre 1950), eine glaubwürdige Reise zum Mond darzustellen; die dazu nötigen gemalten Hintergründe, matte paintings, Miniaturen usw. wären zu teuer, um das Ganze richtig hinzubekommen. Für einen Trip zum Mars hingegen benötigte man nur drei Tage in der Wüste von Mojave, Kalifornien, am Red Rock Canyon, sowie Aufnahmen, die im Tal des Todes gedreht wurden. (Skies, S. 709)
Die merkwürdige Vermengung der beiden Ideen – der Flug zum Mond und der Flug zum Mars – geht aber wohl auch auf die kuriose Entstehungsgeschichte des Drehbuchs zurück. Im ursprünglichen, von Kurt Neumann offerierten Drehbuchentwurf sollte eine Expedition zum Mars fliegen und dort auf Dinosaurier stoßen – eine Idee, die Lippert nicht überzeugte. Etwa zu derselben Zeit hatte der Regisseur und Produzent William Castle (1914–1977) einen anderen Entwurf mit dem Titel Destination Moon ausgearbeitet, der auf Robert A. Heinleins Roman Rocket Ship Galileo (1947) basierte. Castle war schon länger von der Idee eines Films über einen Flug zum Mond fasziniert; bereits 1948 hatte er mehrfach in der Presse verlauten lassen, dass er plane, einen Film mit dem Titel Trip to the Moon zu drehen, für den der gleichnamige Roman von Jules Verne die Vorlage liefern sollte. Castle schlug gemeinsam mit Produzent Aubrey Schenck sein Destination Moon-Projekt Eagle-Lion-Chef Arthur Krim vor, der zunächst ablehnte. Schon kurz darauf änderte Krim seine Meinung, betraute allerdings George Pal mit dem Film. Castle verkaufte seine Idee an Eagle-Lion, mitsamt dem Titel, für den er sich bereits die Rechte gesichert hatte (vgl. Bill Warren, Skies, S. 223 und 324).
Auch die Spezialeffekte-Tüftler Jack Rabin (1914–1987) und Irving Block (1910–1986) hatten zu jener Zeit gemeinsam mit Steven Longstreet an einem Entwurf getüftelt, der Destination Moon betitelt war. Ihr Entwurf ist möglicherweise identisch mit dem Castle-Schenck-Projekt, für das sie im Auftrag erste Produktionszeichnungen und Storyboards anfertigten. Als das Destination Moon-Projekt an George Pal übergegangen war, zogen Rabin und Block nicht mit und traten stattdessen mit ihren Entwürfen an Robert L. Lippert heran. Da sie versicherten, die Spezialeffekte für ein winziges Budget hinzubekommen, holte Lippert sie schließlich mit ins Boot. Rabin kümmerte sich im Film schließlich um die visuellen Effekte, während Block die benötigten matte paintings malte. Letzten Endes verblieb das Reiseziel Mond wahrscheinlich nur deshalb im Film, um von der medialen Aufmerksamkeit für Pals Endstation Mond zu profitieren, während das tatsächliche Flugziel Mars aufgrund von Kurt Neumanns früherem Drehbuchentwurf, wegen der angedrohten Rechtsstreitigkeiten mit Eagle-Lion und aus Gründen des Budgets verwendet wurde.
Der in Nürnberg geborene Kurt Neumann (1908–1958) war in jungen Jahren in die USA emigriert und hatte seit 1932 als Regisseur in Hollywood Fuß gefasst. In den Dreißiger- und Vierzigerjahren inszenierte er zahlreiche Genrefilme: Er drehte B-Western, Musicals, Gangsterfilme und einige Tarzan-Streifen mit Johnny Weissmuller. Als eifriger Science-Fiction-Leser hatte er den Wunsch verspürt, sich auch in diesem Genre zu versuchen, und Rakete Mond startet war sein erster Versuch in diese Richtung. Von den weiteren Science-Fiction-Filmen, die er inszenierte, dürften Kronos (1957) und der Genreklassiker Die Fliege (1958) am bekanntesten sein.
Das Drehbuch zu Rakete Mond startet wird im Vorspann Kurt Neumann zugeschrieben, ergänzt mit zusätzlichen Dialogen des wenig bemerkenswerten Drehbuchautors Orville H. Hampton (1917–1997). Ted Newsom konnte jedoch die erstaunliche Entdeckung machen, dass das Drehbuch im Wesentlichen aus der Feder von Dalton Trumbo (1905–1976) stammt, damals einem der besten und gefragtesten Drehbuchautoren Hollywoods (vgl. Bill Warren, Skies, S. 711). Höchstwahrscheinlich war es Trumbo gewesen, der dem Drehbuch die grimmige, ungeschminkte Warnung vor der atomaren Verstrahlung auf dem Mars hinzugefügt hat. Seit 1943 war der Autor Mitglied der Kommunistischen Partei der USA. Als Trumbo sich weigerte, vor dem „Komitee für unamerikanische Umtriebe“ (House Committee on Un-American Activities), einem Gremium des US-Repräsentantenhauses, auszusagen – er war einer der „Hollywood Ten“, die das taten –, wurde er 1947 zu elf Monaten Gefängnis verurteilt und auf die berüchtigte Hollywood Black List der unerwünschten Personen gesetzt, was de facto einem Berufsverbot gleichkam. Aus diesem Grund war Trumbo wie zahlreiche Kollegen in den Fünfzigerjahren dazu gezwungen, unter Pseudonymen für die Filmindustrie zu schreiben. Wohl nur deshalb war er 1950 für geringes Geld für Lipperts Low-Budget-Produktion zu haben. Rakete Mond startet war nach dem billig produzierten Noir-Drama Gefährliche Leidenschaft (Gun Crazy, 1950) das zweite Drehbuch, an dem Trumbo nach seiner Ächtung incognito geschrieben hat. Dalton Trumbos bekannteste Arbeiten sind die beiden mit dem Oscar ausgezeichneten Drehbücher Ein Herz und eine Krone (1953, Regie: William Wyler) und Roter Staub (1956, Irving Rapper) – beide Male ging der Oscar an die offiziell genannten Autoren statt an ihn – sowie das Drehbuch für Spartakus (1960, Stanley Kubrick). Als Kirk Douglas, der Hauptdarsteller von Spartakus, öffentlich Dalton Trumbo als Autor benannte, leitete er damit das Ende der Hollywood Blacklist ein, die seitdem in Hollywood zunehmend ignoriert wurde. Dalton Trumbos Leben wurde jüngst von Jay Roach unter dem Titel Trumbo (2015) verfilmt, mit Bryan Cranston in der Hauptrolle und Diane Lane als Trumbos Ehefrau Cleo.
Trotz der Plagiatsvorwürfe von Eagle-Lion gegen Lippert bleibt unverkennbar, dass Rakete Mond startet kein wirkliches Rip-Off von Endstation Mond darstellt, sondern eine viel fantastischere Story erzählt. Und diese Story – die Raumfahrer finden am Zielort eine uralte, untergegangene Zivilisation vor – steht klar in der weit zurückreichenden Tradition der Marsromane (von denen die Werke von Edgar Rice Burroughs wohl die populärsten waren) und ist von daher genuin auf dem Mars und nicht auf dem Mond angesiedelt.
Kurios ist, dass Rakete Mond startet seinerseits ein Rip-Off gezeitigt hat: die ein Jahr später entstandene, farbige Low-Budget-Produktion Flight to Mars (1951). Zu diesem Film bestehen viel engere Parallelen als zu Endstation Mond, die sogar soweit gehen, dass das originale Bühnenbild für das Raketeninnere unverändert wiederverwendet wurde (zu den Gemeinsamkeiten beider Filme vgl. dort).
Mit Feldbett und Krawatte ins All
Rakete Mond startet wirkt auf den heutigen Betrachter leider sehr betulich, streckenweise langweilig. Die Handlung ist simpel, zu simpel, und Spannung kommt erst in der zweiten Hälfte ab der Marslandung auf. Osa Massen (1915–2006) als Lisa van Horn ist eine wahre Augenweide und bietet trotz ihrer über weite Strecken sexistisch geschriebenen Rolle eine ausgesprochen starke, einfühlsame Darstellung. Der noch junge Lloyd Bridges (1913–1998) spielt den Raumschiffpiloten Floyd Oldham als fesches Alphatier. John Emery (1905–1964) als Expeditionsleiter Dr. Karl Eckstrom (Bonmot: “Reduce power!”) wirkt eitel und überheblich, und man fragt sich, ob seine Figur damals auch so eitel und überheblich gemeint gewesen war. Noah Beery jr. (1913–1994) und Hugh O’Brian (geb. 1925) als die weiteren Mitglieder der Astronautencrew bleiben blass. Ein Lichtblick ist Morris Ankrum (1896–1964), der den Leiter des Mondflugprojekts auf der Erde darstellt und auch in vielen anderen Science-Fiction-Filmen der Fünfzigerjahre mitwirkte (Invasion vom Mars, Flight to Mars, Fliegende Untertassen greifen an).
Die Science-Fiction-Elemente wirken aus heutiger Sicht wie eine drollige Melange glaubwürdiger und kruder Elemente. Die Zweistufigkeit der Rakete, die Erläuterungen der orbitalen Flugmanöver, das enge Innere des Raumschiffs und selbst die oft verspotteten Liegepritschen – simple Feldbetten aus Rohrstahl – sind prinzipiell recht nah an dem, was wenige Jahre später Wirklichkeit wurde. Dagegen ist es für den heutigen Zuschauer unfreiwillig komisch, dass während des Fluges die Mischung des Treibstoffs neu kalkuliert werden muss (und überhaupt verändert werden kann), die Fehlberechnungen zu übermäßiger Schubkraft führen, die das Schiff bis zum Mars katapultiert, und dass sich die Schwerelosigkeit an Bord stets nur auf einzelne Dinge, nicht aber auf die Passagiere auswirkt. Bizarr auch, dass die Crew in ganz gewöhnlicher Kluft startet – der Missionsleiter Eckstrom trägt sogar Krawatte! – und die Astronauten auf dem Mars Atemmasken und Feldausrüstungen tragen, die anmuten, als wären sie Restbestände aus dem Zweiten Weltkrieg (sie stammten in der Tat von der US-Army).
Anno 1950 wusste die Wissenschaft noch sehr wenig über den Mars; es war bekannt, dass der Mars sehr kalt sein musste, und doch rechneten einige Astronomen noch mit einem zumindest stellenweise milden Klima auf dem Mars oder hielten sogar Gewässer für möglich. Regelrecht „falsch“ war die Marsdarstellung nach dem damaligen Kenntnisstand also nicht. Im Gegenteil: Der Film präsentiert den Mars als steinige, rötliche Geröllwüste mit einem rötlichen Himmel und ist damit gar nicht so weit von der Realität entfernt. Dazu bediente er sich eines einfachen, aber schlichtweg genialen Kunstgriffs: Die Szenen auf dem Mars wurden in Sepiarot gedreht. Tatsächlich entstanden die Szenen im Death Valley und im Red Rock Canyon State Park in Kalifornien, aber durch die Rotfärbung erhielten die Szenen eine sehr überzeugende, außerirdische Stimmung.
Das extrem niedrige Budget und der Zeitdruck bei der Produktion von Rakete Mond startet bedingte ein Minimum an Spezialeffekten. Man sieht ein paar Mal die Rakete starten und landen, Meteoriten durchs All zischen und ein paar matte paintings von der Erde, dem Mond und dem Mars. Eine hübsche Aufnahme von der startenden RXM 1 (in der das gemattete Modell unglücklicherweise etwas durchsichtig erscheint) wurde mit Archivaufnahmen von startenden und aufsteigenden V-2-Raketen zusammengeschnitten. Und „Außenaufnahmen“ von der RXM 1 während ihrer Reise zum Mars fehlten ursprünglich ganz.
Wer sich den Film heute auf DVD ansieht, sollte wissen, dass einige Trickszenen nicht mehr dem Original entsprechen, sondern 1979 nachgedreht wurden. In den Siebzigerjahren erwarb der Geschäftsmann und Science-Fiction-Enthusiast Wade Williams die Rechte an dem Film. Er ließ die V-2-Aufnahmen und eine Einstellung mit einem matte painting der RXM 1 auf dem Mars durch neu gedrehte Trickszenen ersetzen sowie einige zusätzliche Szenen auf dem Mars hinzufügen, wofür er als Produktionsteam Bob Burns und seine Frau Kathy sowie die Effektspezialisten Tom Sherman, Dennis Muren, Mike Minor und Bob Shotak anheuerte. Für die Tricks wurde ein neues RXM 1-Modell nachgebaut; außerdem ließ Williams die Uniformen der Astronauten nachschneidern, um mit Doubles Szenen von der Crew auf dem Mars zu filmen. Wade Williams selbst spielte dabei Lloyd Bridges’ Rolle.
Williams’ verfälschte Version des Films, die nach Bill Warren einen neuen Vorspann und zehn neu gedrehte Szenen umfasst (vgl. Skies, S. 711), erschien als VHS-Cassette und Laserdisc (die Laserdisc bietet darüber hinaus zusätzliches Bonusmaterial, das die Entstehung der neuen Szenen dokumentiert). In den Neunzigerjahren wurden einige von Williams’ neuen Szenen durch die originalen Szenen wieder ersetzt. Andere verblieben jedoch im Film – sie zeigen die Rakete im Flug durchs All sowie bei der Landung und beim Rückstart auf dem Mars. Möglicherweise sind auch einige der nachgedrehten Crewaufnahmen auf dem Mars noch im Film enthalten – hierzu stößt man leider auf widersprüchliche Behauptungen. Die originale Kinofassung jedenfalls ist heutzutage nur noch sehr schwer zugänglich. Auf der 2000 erschienenen DVD (The 50th Anniversary Edition) sind nur zwei von Williams’ neuen Szenen entfernt worden, und es fehlen die originalen Archivaufnahmen von V-2-Raketen. Eine im Internet Archive verfügbare Schnittfassung stellt eine kuriose Mischung dar: Sie enthält die V-2-Archivaufnahmen, außerdem ist die Sepiatönung der Marsszenen dort weniger rosastichig und blasser als auf der 2000er DVD und scheint somit dem Original zu entsprechen. Andererseits enthält sie auch sämtliche Ergänzungen von Williams, einschließlich jener zwei, die auf der DVD fehlen. Schließlich ist auch die deutsche Synchronisation des Films – er lief am 3. Januar 1958 in den deutschen Kinos an – bis auf Weiteres verschollen.
Dem Weltraum ein Alien: die Frau in der Rakete
Trotz seiner einfachen Machart hat der Film durchaus interessante Momente vorzuweisen. So ist die Rolle der Frau ganz klar geregelt: Sie hat sich unterzuordnen. Das wird überdeutlich im Disput zwischen Lisa van Horn und ihrem chauvinistischen Chef Eckstrom. Beide berechnen unabhängig voneinander die Treibstoffzusammensetzung neu, und Lisa widerspricht am Ende Eckstroms Berechnungen und wird dafür zurechtgewiesen. Ihr Widerspruch, bei dem sie immerhin eine hohe Gefahr für das Leben der Besatzung anmahnt, wird von Eckstrom patronisierend mit Lisas „weiblicher Emotionalität“ abgetan.
Allerdings: Lisas Warnung bezüglich des Treibstoffs bewahrheitet sich, das Desaster der unkontrollierten Beschleunigung ist die Folge von Eckstroms, nicht ihrer Berechnungen. Weiter thematisiert wird dieser Punkt im Film nicht mehr, und doch ist es für den Zuschauer offensichtlich. Es ist auch Lisa, nicht einer der Männer, die nach der Havarie der RXM 1 als erste aus der Ohnmacht wieder erwacht – und das, wo doch die Ohnmacht seit Jahrhunderten als ureigenstes Metier der Frauen angesehen wird. Diese unterschwelligen Feinheiten deuten ein bemerkenswertes Gespür für die ambivalente Rolle der Frau zu jener Zeit an – und dürften vermutlich auf Dalton Trumbo und nicht auf Kurt Neumann oder Orville H. Hampton zurückgehen.
Letzten Endes fällt das Drehbuch allerdings in den zeittypischen Chauvinismus zurück. Der wohl unglaublichste Dialog spielt sich zwischen Lisa und dem werbenden Pfau Floyd Oldham ab, der Lisa zweifelnd fragt: “How does a girl like you get mixed up in a thing like this?” – Lisa entgegnet, halb empört: “I suppose you think women should only cook, and sew, and bear children?” – Und dann kommt es: Floyd antwortet mit dem süßlichen Lächeln eines werbenden Gockels: “Isn’t that enough?” Der Kerl meint das tatsächlich ernst! Das höchste Glück einer raumfahrenden Frau in den Fünfzigern ist es, die wissenschaftliche Karriere für die Küche und die Kinder aufzugeben. Und Lisa? Die wendet sich nicht etwa angewidert ab, sondern lächelt mild und fühlt sich von Floyds Antwort geschmeichelt, ganz so, als hätte Floyd ihre geheimsten Wünsche offenbart.
Der Mars als Mahnung
Die ernste Botschaft gegen Ende des Films, die wie bereits erwähnt höchstwahrscheinlich Dalton Trumbo ins Drehbuch geschrieben hat, ist der militaristischen Botschaft Robert A. Heinleins in Endstation Mond genau entgegengesetzt. Rakete Mond startet gipfelt auf dem Mars in einer eindringlichen Warnung vor dem Atomkrieg – insbesondere vor der radioaktiven Verstrahlung, die, wie Eckstrom explizit sagt, noch nach Jahrtausenden nachwirkt. Eine einst hochstehende Marszivilisation, die sich vor langer Zeit selbst atomar zerstört hat und deren Überlebende ins Steinzeitalter zurückgefallen sind, ist das Menetekel der menschlichen Besucher. Eckstrom deklamiert es unmissverständlich: “From the atomic age to the stone age”.
Rakete Mond startet war der erste Spielfilm, der ein atomares Endzeit-Szenario auf die Leinwand brachte und damit den Atomkrieg in einer Science-Fiction-Perspektive thematisierte – und das in einer Zeit, in der die Schrecken nuklearer Verstrahlung in den USA von den Behörden, insbesondere der Atomic Energy Commission, noch vielfach verharmlost und vertuscht wurden und die Öffentlichkeit nur wenig über die Folgen von Hiroshima und Nagasaki erfahren hatte. Der Horror verdichtet sich in Rakete Mond startet im Gesicht einer erblindeten Marsfrau mit leeren Pupillen, die vor Entsetzen markerschütternd schreit – wenn auch der Zuschauer von heute, der längst härtere Schockmomente gewöhnt ist, bei der Szene eher schmunzelt als erschauert.
Nicht nur das schlechte Gewissen über Hiroshima und Nagasaki und die Angst vor einem Atomkrieg findet in Rakete Mond startet ihren Widerhall. Der Film macht sich auch nicht das Selbstverständnis der USA als unbesiegbare Supermacht zu eigen. So gelingt es den degenerierten, steinzeitlichen Marsmenschen, die technisch überlegenen Amerikaner allein mit Felsbrocken und Äxten in die Flucht zu schlagen, zwei der Raumfahrer werden von ihnen sogar getötet, und das melodramatische Ende des Films bedeutet ein komplettes Fiasko der Mission.
Rakete Mond startet ist ein kurioser, ein sehenswerter Film. Er ist in der ersten Hälfte sehr zähflüssig und zum Teil auch unfreiwillig komisch – der Unterhaltungswert ist für heutige Begriffe doch arg gemindert. Der Film ist heute in erster Linie Zeitdokument. Allerdings ist er mit offenen und versteckten Denkanstößen versehen, die noch heute interessant sind, und prunkt in der zweiten Hälfte mit einer faszinierenden, surreal anmutenden filmischen Darstellung der Marslandschaft.
Mehr über diesen Film ist in meiner Besprechung des Romans Rakete Mond startet (1958) von Bert Koeppen aus der Heftromanreihe Utopia Großband (1954–1963) zu lesen.
© Michael Haul; veröffentlicht auf Astron Alpha am 8. Februar 2016
DVD-Cover und Szenenfotos © Wade Williams