Project Moon Base

Project Moonbase (USA 1953) DVD Cover

Project Moon Base (USA 1953)

 

Regie: Richard Talmadge

Drehbuch: Robert A. Heinlein und Jack Seaman

Darsteller: Donna Martell (Colonel Briteis), Ross Ford (Major Bill Moore), Hayden Rorke (General “Pappy” Greene), Larry Johns (Dr. Wernher), Herb Jacobs (Roundtree) u. a.

Premiere: 4. September 1953 (USA)

63 Minuten, Schwarzweiß

 

Im Jahre 1970 verfügt die United States Space Force (USSF) über eine mit Atombomben bewaffnete erdorbitale Raum­station und schickt sich an, von der Raumstation aus ein erstes bemanntes Raumschiff zum Mond zu entsenden. Die „Magellan“ soll den Mond umrunden und dabei die Oberfläche fotografieren, damit anhand der Aufnahmen ein geeig­neter Standort für einen militärischen Stützpunkt auf dem Mond ausgesucht werden kann. In naher Zukunft will die USSF mit Atomraketen vom Mond aus jeden Feind Amerikas auf der Erde in Schach halten.

 

Drei Astronauten werden als Besatzung der Magellan ausgesucht. Colonel Briteis, eine junge, attraktive Frau und ge­feierte Raumfahrtpionierin, leitet die Mission. Der fesche Major Bill Moore assistiert als ihr Co-Pilot, wenn auch wider­willig, denn es fällt ihm nicht leicht, sich dem Kommando einer Frau unterzuordnen. Der Wissenschaftler Dr. Wernher ist für die Fotografien der Mondoberfläche zuständig.

 

Während des Fluges wundert sich Major Moore, dass Dr. Wernher kaum fachliches Wissen mitbringt, und beginnt zu ahnen, dass der Mann ein Spion sein könnte. Tatsächlich hat ein feindlicher Geheimdienst den echten Dr. Wernher un­bemerkt durch einen Doppelgänger ersetzt, damit dieser die Magellan nach dem Rückflug vom Mond in die Raumsta­tion rammt und sie so zerstört. Als Moore Colonel Briteis seine Zweifel an Dr. Wernher mitteilt, greift der falsche Dr. Wernher Moore an, und es kommt es zum Kampf. Dabei schlägt der Spion auf das Steuerpult, zündet die Raketen der Magellan und verschwendet damit fast den gesamten Treibstoff. Der Spion wird von Moore überwältigt und gefesselt, doch Briteis sieht nach dem Verlust des Treibstoffs keine Möglichkeit mehr, zur Erde zurückzukehren. Die Magellan muss auf der Rückseite des Mondes notlanden.

 

Um im Funkschatten des Mondes eine Verbindung zur Raumstation herzustellen, begibt sich Moore mit dem gefange­nen Spion auf einen Fußmarsch zu einem elf Meilen entfernten Gipfel, auf dessen Spitze Moore ein auf die Erde ge­richtetes Funkrelais stationieren will. Das Unternehmen gelingt, jedoch rutscht der Spion an einem Abhang ab, stürzt in die Tiefe und stirbt. Moore kehrt mit letzter Kraft zur Magellan zurück. Briteis und Moore nehmen mit der Raum­station Verbindung auf. Dort ist man überrascht zu erfahren, dass die Magellan auf dem Mond gelandet ist. Der väter­liche Vorgesetzte von Briteis und Moore, General “Pappy” Green, entscheidet, dass die Magellan dort bleibt wo sie ist und als erstes Modul einer Mondbasis fungieren wird – er erklärt das Schiff zur „Moon Base 1“ und schickt Briteis und Moore eine unbemannte Rakete mit Versorgungsgütern, sodass die beiden Astronauten bis zur Ablösung in ein paar Monaten überleben können.

 

Mit Rücksicht auf die öffentliche Moral legt General Green den beiden Gestrandeten außerdem nahe, dass es das Bes­te wäre, wenn sie heiraten würden. Moore und Briteis mögen sich durchaus, jedoch hat Moore ein Problem damit, seine Vorgesetzte zu ehelichen. Nachdem Briteis in heimlicher Absprache mit Green erwirkt, dass Moore zum Brigade­general befördert wird und das Kommando über die Moon Base 1 erhält, lässt sich Moore schließlich zur Einwilligung in die Ehe bewegen. Per Videoverbindung vollzieht die Präsidentin der Vereinigten Staaten Moores Beförderung, das Paar wird getraut, und das junge Glück des ersten Ehepaars auf dem Mond ist perfekt.

 

Doch, doch! Dieser Film ist von Robert A. Heinlein

 

Project Moon Base ist ein kurioses Relikt in der Geschichte des Science-Fiction-Kinos. Ursprünglich sollte der Film der Pilot zu einer TV-Serie namens The World Beyond werden, die dann allerdings nie verwirklicht wurde. Produzent Jack Seaman, dessen Œuvre vor allem Low-Budget-Westernfilme umfasst, hatte als Autor für die Serie keinen Geringeren als den populären Science-Fiction-Schriftsteller Robert A. Heinlein (1907–1988) gewinnen können. Heinlein und Seaman schrieben insgesamt 13 Drehbücher und zwei Storyentwürfe, die vor einigen Jahren in dem Buch Project Moon Base and Others (2008) veröffentlicht wurden. Das Drehbuch für den Pilotfilm von etwa einer Stunde Laufzeit trug den Ar­beitstitel Ring Around the Moon und stammt im Wesentlichen aus Heinleins Feder. Die Dreharbeiten hatten bereits begonnen, als Seaman plötzlich und ohne Absprache mit Heinlein die Entscheidung fällte, aus der Produktion einen Kinofilm zu machen. Die Hauptdarstellerin Donna Martell war, wie sie in einem Interview in Tom Weavers Buch Science Fiction and Fantasy Film Flashbacks (1998) erzählte, überrascht, als ihr während des Drehs plötzlich neue Text­seiten für zusätzliche Szenen in die Hände gedrückt wurden. Diese Szenen, die den Streifen auf Spielfilmlänge bringen sollten, betreffen Bill Warren zufolge vor allem die Spionagegeschichte und wurden offenbar von Jack Seaman ge­schrieben (vgl. Keep Watching the Skies!, S. 672). Bereits nach zehn Drehtagen war Project Moon Base im Kasten.

 

Der überaus ärmlich produzierte und steif inszenierte Film wurde seinerzeit von den Kritikern kühl verrissen und dürfte damals allenfalls ein anspruchsloses Kinder­publikum leidlich unterhalten haben. Im Kino war der Film scheinbar kein durch­schlagender Erfolg, und nach seiner Spielzeit geriet er für Jahrzehnte in Vergessenheit. Das Problem: Im Gegen­satz zu George Pals und Irving Pichels Endstation Mond (1950), einem geachteten Klassiker, an dessen Drehbuch und Produktion Robert A. Heinlein maßgeblich mitgewirkt hatte, war Project Moon Base der Fangemeinde Heinleins von Anfang an peinlich gewesen. Die Lösung: Nur zu willig wurde der Film von Science-Fiction-Chronisten und Heinlein-Biografen aus dem Schaffen des glühend verehrten Autors ausgeblendet. Wo Heinleins Mitwirkung eingeräumt wurde, befleißigte man sich, seinen Einfluss zu marginalisieren und die Schwächen des Films Jack Seaman und seinem unfähi­gen Filmteam zuzuschreiben.

 

John Brosnan etwa meinte in seinem Buch Future Tense (1978), dass das Drehbuch von Project Moon Base „unglaub­lich abgedroschen“ sei, „was einen glauben lässt, dass in ihm nicht viel von Heinleins Original verblieben sein kann“ (S. 77). Auch Alan Frank rieb sich die Augen: „Es ist seltsam, Heinlein mit einer solch dummen Angelegenheit verbunden zu sehen“ (The Science Fiction and Fantasy Handbook, 1982, S. 103). Ähnlich stellte sich Phil Hardy verteidigend vor Heinlein: „Dem Film geht jenes Selbstvertrauen ab, das selbst Heinleins schlechtesten Romane noch im Überfluss aus­strahlen“ (Die Science Fiction Filmenzyklopädie, 1998, S. 148). David Wingrove konstatiert, dass der Film „wenig von der Würze von Heinleins geschriebenen Werken jener Zeit“ habe (The Science Fiction Film Source Book, 1985, S. 185). Ähn­lich behauptet John Stanley, dass Heinleins „Stil und Themen nicht [im Film] zu finden“ seien (Revenge of the Creature Features Movie Guide, 3. Aufl. 1988, S. 271). Die Vorurteile sind so durchsichtig wie dumm: Was nicht sein darf, kann auch nicht sein. Dazu passt, dass auch Heinlein selbst mit dem Film unzufrieden war und ihn rasch vergessen machen wollte – er erwähnte ihn nie in seinen Schriften, geschweige denn entwickelte er aus dem Drehbuch des Films eine Erzählung oder einen Roman.

 

Erst in der jüngeren kritischen Auseinandersetzung mit dem Film wurde die Heiligenverehrung Heinleins aufgegeben, und so konnte sich die Erkenntnis durchsetzen, dass durchaus eine gehörige Portion vom Denken und der Ideologie Heinleins in Project Moon Base steckt. Vor allem der Autor Gary Westfahl hat in einem 1995 in der Science-Fiction-Zeitschrift Extrapolation erschienenen Artikel, der auch in Westfahls Monografie A Sense-Of-Wonderful Century: Explorations of Science Fiction and Fantasy Films (2012) aufgenommen wurde, die starke Heinleinsche Prägung von Project Moon Base aufgezeigt – und eine scharfsichtige Interpretation im Heinleinschen Sinne vorgenommen, auf die noch zurückzukommen sein wird.

 

Ein einziges Debakel?

 

Project Moon Base ist beileibe nicht so schlecht, wie stets behauptet wird. Denn der Film kann für nachsichtige Science-Fiction-Freaks durchaus kurzweilig und unterhaltsam sein, und zwar als Film und nicht als bierselige Bad-Taste-Veranstaltung, wofür er ebenfalls herhalten könnte und tatsächlich auch herhielt, als er 1990 in der berüchtigten TV-Serie Mystery Science Theater 3000 verspottet wurde. Es ist schon wahr: Project Moon Base ist in praktisch jeder Hinsicht grobschlächtig. Drehbuch, Regie, Schauspiel, Sets und Tricks – auf allen Gebieten liegen die Unzulänglich­keiten offen zutage. Der Film ist längst nicht so grottenschlecht wie die Machwerke Robot Monster (1953) oder Plan 9 aus dem Weltall (1959), aber eben auch weit entfernt von der Eleganz und der Überzeugungskraft von Filmen wie Der Tag, an dem die Erde stillstand (1951) oder Kampf der Welten (1953). Gleichwohl entfaltet der Film für jeden, der ein nostalgisches Faible für das Science-Fiction-Kino der Fünfzigerjahre hat, einen faszinierenden Charme. Der Film hat etwas Einnehmendes. Trotz der vordergründigen Lachhaftigkeit und kindersinnigen Machart bleibt der dramaturgi­sche Ernst, das naive Bestreben, die Raumfahrt der nahen Zukunft wissenschaftlich glaubwürdig darzustellen und dies auch in den Mittelpunkt der Erzählung zu stellen, immer spürbar. Das schlichte Abenteuer fährt keine glupschäugigen Weltraummonster oder vollbusige, knapp bekleidete Mondamazonen auf – ja, es vermeidet sogar das ständige Raum­fahrtfilm-Klischee bedrohlicher Meteoritenschauer. Project Moon Base meint es ehrlich. Ein nüchterner, irgendwie liebenswerter Film.

 

Auch muss in Rechnung gestellt werden, dass Project Moon Base im Grunde genommen eine Fernsehproduktion dar­stellt, die mit einem entsprechend winzigen Budget entstanden ist. Wer je ein paar Folgen einer beliebigen Science-Fiction-Serie der frühen Fünfzigerjahre gesehen hat, erkennt die arme Verwandtschaft auf Anhieb. So sind die kargen und engen Bühnenbilder billig zusammengeschustert – das gilt auch für die im Studio aufgebaute Mondlandschaft. Außenaufnahmen gibt es, abgesehen von einer kurzen Einstellung eines Hochhauses, keine. Beispielsweise ist das Außengelände des Raumflughafens, auf dem Dr. Wernher eintrifft, ein einfaches Bühnenbild vor der Rückprojektion einer wartenden Rakete. Zum Teil sind die Bühnenbilder und Kostüme auch aus anderen Filmen wiederverwendet worden: So stammen das Innere des Mondraumschiffs und die Raumanzüge aus Arthur Hiltons zweifelhaftem, gleich­zeitig gedrehten Science-Fiction-Heuler Cat-Women of the Moon (1953).

 

Die Regie von Richard Talmadge (1892–1981), einem ehemaligen Stuntman und Schauspieler, der in den Vierzigerjahren zu einem gefragten Regisseur von Second Units und Actionszenen avancierte, ist steif und von einer statischen Kame­raarbeit geprägt, die allerdings typisch ist für die Fernsehserien jener Zeit. Typisch ist auch der auffällig „flache“ Sze­nenaufbau, der fast nie mit räumlicher Tiefe arbeitet, sodass die Einstellungen wie Bilder aus schlichten Comicstrips wirken. Immerhin: Es gibt zwei hübsche Split-Screen-Einstellungen, in denen Major Moore und Colonel Briteis in der Raumstation einem Kollegen begegnen, der an der Decke wandelt, und beide in einer Konferenz auf Stühlen sitzen, die scheinbar an der Wand befestigt sind. Mehrere Einstellungen auf der Raumstation wurden mit schief stehender Kamera gefilmt. So sollte die bizarre Welt der Schwerelosigkeit, das Fehlen von Oben und Unten, ausgedrückt werden, und der Versuch ist in heutigen Augen vielleicht unbeholfen, jedoch im Rahmen der Möglichkeiten anerkennenswert und auch nicht ohne Wirkung.

 

Die Kostüme der weiblichen wie männlichen Raumfahrer wirken fragwürdig: sportliche Shorts, enge T-Shirts und un­glaublich dämliche Fliegerkappen, die an Buck Rogers erinnern. Dafür sind die Spezialeffekte und Raumschiffmodelle von Jacques Fresco und Jack R. Glass, gemessen am damaligen Stand der Technik, überraschend gut. Glass sollte ein Jahr später auch die soliden Effekte in der TV-Serie Rocky Jones, Space Ranger (1954) ausführen. Die Raumschiffe lassen freilich nie vergessen, dass sie nur Modelle sind. Das scheibenförmige Design der Raumstation – die erste Raumstation auf der Kinoleinwand überhaupt – ist bemerkenswert eigenständig, denn für gewöhnlich wurde zu jener Zeit ein ro­tierendes Speichenrad in der Science-Fiction favorisiert, wie es etwa in Byron Haskinsʼ Die Eroberung des Weltalls (1955) und später in Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum (1968) erschien.

 

Das Drehbuch ist extrem handlungsarm und dialoglastig, und trotz der kurzen Laufzeit des Films stellen sich einige stumpfsinnige Längen ein. Die Schauspieler agieren hölzern und sagen ihre Sätze ohne viel Überzeugungskraft auf. Hayden Rorke (1910–1987) als General Green ist noch am schwungvollsten und glaubwürdigsten, Ross Ford (1923–1988) als Major Bill Moore mimt den jungen Heldentypen nach Schema F, während Donna Martell (geb. 1927) als Colonel Briteis den Zuschauer mühelos mit ihren Reizen und ihrem patenten Mädchencharme becirct.

 

Der Heinlein-Appeal

 

Science-Fiction-Fernsehserien der frühen Fünfzigerjahre waren fast ausnahmslos juvenile Space Operas und Action-Abenteuer, die in einer phantastischen Zukunft spielten, in der Raumfahrt, Roboter und technologische Gadgets als gegebene Normalität vorausgesetzt wurden. Damit schrieben sie die Tradition der juvenilen Science-Fiction-Kinose­rials der Dreißiger- und Vierzigerjahre wie Flash Gordon (1936–1940) und Buck Rogers (1939) fort. Deren selbstverständ­liche Darstellung einer technologischen Zukunft, die in Featurefilmen bis dahin noch fremd war, ist auch in Project Moon Base wiederzufinden. Überdies folgt der Film dem alten Gernsbackschen Paradigma, nach dem die Science-Fiction ihre Erzählungen auf wissenschaftlichen Ideen und logisch gefolgerten Spekulationen aufbauen sollte. General Green erläutert detailliert, wie der Flug zum Mond bewerkstelligt werden soll, und später sind es technologische Pro­bleme wie der Verlust des Treibstoffs, der Funkschatten des Mondes oder das Problem der Versorgung der auf dem Mond gestrandeten Astronauten, die die Handlung vorantreiben.

 

Die technisch-wissenschaftliche Ausrichtung des Films ist gewiss auf Robert A. Heinlein zurückzuführen. Ein anderer Aspekt, der unverkennbar Heinleins Handschrift trägt, ist der Militarismus. So wie Heinlein schon in seinem Roman Rocket Ship Galileo (1947) und im Spielfilm Endstation Mond (1950) die Notwendigkeit propagierte, den Mond militä­risch zu kontrollieren, geht es auch hier um die Einrichtung von lunaren Atomwaffenstützpunkten und darum, dem militärischen Gegner zuvorzukommen. Die schneidigen und entschlusskräftigen Soldaten wie General Green und Ma­jor Moore sind typische Heinlein-Helden.

 

Ein besonders viel beachteter Aspekt des Films, der definitiv auf Heinlein zurückgeht, ist der offensive Sexismus. Heinlein macht aus dem kommandierenden Colonel der Mondmission und aus dem Präsidenten der USA jeweils eine Frau, und der Film bemüht sich, beide Tatsachen für billige Überraschungseffekte auszunutzen. Die US-Präsidentin ist vor allem für diesen Zweck da und soll vermutlich darüber hinaus die Erklärung dafür liefern, weshalb Briteis protegiert werden konnte: Unter einem männlichen Präsidenten wäre das nie passiert. Colonel Briteis ist für Major Moore und General Green ein unerträglicher Skandal – eine Frau, die Männern vorsteht? Briteis wird von Heinlein nur deshalb in eine Führungsrolle gesteckt, um die Frau in ihrer Unfähigkeit zu blamieren und anschließend in ihre untergeordnete Position zurückzudrängen. Auch in Heinleins Romanen und Erzählungen haben Frauen öfters verantwortungsvolle Posten oder Führungsrollen inne, doch rückte er sie auch dort kaum je in die Positionen wirklicher Heldinnen, die auf Augenhöhe mit den Männern wären. Heinlein hat vielleicht als erster Science-Fiction-Autor die naheliegende Perspek­tive zukünftiger weiblicher Führungskräfte aufgegriffen und mit ihr gespielt, fürwahr. Aber er war weit davon entfernt, ein Feminist zu sein – ganz im Gegenteil.

 

In Project Moon Base wird der weibliche Colonel Briteis mit beschämend unverhohlenem Chauvinismus domestiziert. Als Briteis General Green widerspricht, bezeichnet er sie als „aufsässigen Balg“ (spoiled brat) und droht ihr an, sie übers Knie zu legen und ihr den Hintern zu versohlen. Ihre Führungsrolle, so Green, gewann Briteis nicht durch ihre professio­nellen Fähigkeiten, sondern allein aus dem in der Raumfahrt nicht unerheblichen Umstand, dass Briteis ein geringeres Körpergewicht als Major Moore hat – den Green unmissverständlich als den „besten Piloten der USSF“ bezeich­net. Sobald die Magellan auf dem Mond gestrandet ist, wird Briteis fast hysterisch vor Angst und fragt ihren Co-Piloten ständig, was zu tun sei – de facto gibt sie die Führung der Mission sofort an ihn ab. Schließlich fädelt Briteis selbst die Beförderung Moores ein, damit er einen höheren Dienstgrad als sie bekleidet und so die „rechten“ Voraus­setzungen für die Hochzeit geschaffen sind. Zwar gibt es Analysten, die der bloßen Existenz von weiblichen Führungsrollen in Project Moon Base ein besonderes Gewicht zumessen wollen. So schrieb etwa Dwayne A. Day in seiner lesenswerten Filmbespre­chung Sex and Rockets auf der Website The Space Review vom 9. Juli 2007:

 

„Die Tatsache, dass diese weiblichen Charaktere es überhaupt auf die Leinwand geschafft haben, ist bemerkenswert, selbst wenn ihre schlussendliche Darstellung sexistisch ist. Man bedenke, dass der erste Star Trek-Pilotfilm 1966 einen weiblichen Ersten Offizier enthielt und dies von den NBC-Offiziellen als derart provozierend empfunden wurde, dass sie Gene Roddenberry dazu brachten, die Figur aus der Serie zu eliminieren (als Trostpreis heiratete er die Schauspielerin). Somit konnte eine TV-Show, die oft für ihre kühne multikulturelle Crew gepriesen wurde, nicht weiter gehen als eine Frau auf der Brücke zu zeigen, die das Tele­fon bedient – in einem engen Rock. ( . . . ) Es war nicht vor Lieutenant Ripley im 1979er Spielfilm Alien (und im ebenso überwälti­genden 1986er Sequel Aliens), dass eine starke weibliche Führungsrolle in einem Science-Fiction-Film gezeigt wurde.“

 

Der Knackpunkt liegt im letzten Satz: Colonel Briteis ist eben keine starke weibliche Führungsrolle, sondern allenfalls Heinleins dumpfe Vorahnung dessen, was den Seilschaften von männlichen Alphatieren in der Zukunft noch blühen würde. Und diese Vorahnung war offensichtlich von Angst beherrscht.

 

Gary Westfahl hat in seinem oben erwähnten Artikel eine weitere erhellende Facette an Project Moon Base aufge­zeigt, die bisher stets übersehen worden ist: Robert A. Heinleins nur schwach kaschierte Phantasie von Inzest. Dass Heinlein in mehreren Romanen und Erzählungen Inzest befürwortete – sowohl zwischen Geschwistern als auch zwi­schen Vätern und Töchtern –, ist seit Langem bekannt. Wer sich näher darüber informieren möchte, lese beispiels­weise die Abhandlung Heinlein’s Fictional Parents, 1939–1987 von Rafeeq O. McGiveron von der Universität Texas, zu finden auf der Website der Heinlein Society.

 

In Project Moon Base ist Heinleins Inzestphantasie deutlich erkennbar. General Green nimmt auf symbolischer Ebene für Major Moore und Colonel Briteis eine Vaterrolle ein, was explizit schon dadurch angezeigt wird, dass Green beide regelmäßig mit „Kinder“ (kids) anspricht und sowohl Moore als auch Briteis den General vertrauensvoll „Pappi“ (pappy) nennen. Mit Briteis spricht Green wie mit einer ungezogenen Tochter, über die er für sich das Recht reklamiert, sie übers Knie legen zu dürfen. Briteis hingegen spricht und benimmt sich ihrer Rolle entsprechend tatsächlich wie ein rebellischer Backfisch gegenüber ihrem Vater – zunächst aufmüpfig, dann fügsam. Das Vater-Tochter-Verhältnis wird überdies in der Szene unterstrichen, in der Moore und Briteis verheiratet werden. Als der ehelichende Priester auf dem Videoschirm fragt: „Wer wird diese Frau dem Manne geben?“, antwortet sofort der neben ihm sitzende General Green: „Ich werde sie geben“ – und übernimmt damit die Rolle des Brautvaters (ein Argument, das Westfahl entgangen ist). Zu Moore spricht Green dagegen wie zu einem Sohn, dem er gute Ratschläge zu seinen innersten Belangen erteilt. Westfahl schlussfolgert:

 

„Auf einer symbolischen Ebene ist Project Moon Base somit die Geschichte von einem älteren Bruder und einer jüngeren Schwester, die heimlich verliebt ineinander sind; und mit der Billigung – tatsächlich auf das Drängen hin – von ihrem Vater wer­den beide schließlich miteinander verheiratet und etablieren damit eine sexuelle Beziehung. Was der Film daher affirmiert, ist nicht die Bedeutung des traditionellen Ehestandes, sondern die Angemessenheit von Inzest.“ (A Sense-Of-Wonderful Century, S. 70)

 

Es sei den Apologeten Heinleins überlassen, die inzestuösen Träume ihres Idols zu rechtfertigen oder als vermeintli­chen „Metatext“ aus der Welt zu schaffen. Ich sehe mich umgekehrt nicht bemüßigt, mich moralisch darüber zu ent­rüsten – insbesondere, wenn die Phantasie so adrett verschleiert und harmlos-verspielt daherkommt wie hier. In seinem letztem Roman Segeln im Sonnenwind (1987) trieb es Heinlein in dieser Hinsicht weitaus übler – der Inzest zwischen Vater und Tochter sowie zwischen Bruder und Schwester, jeweils durch die Mutter gebilligt, wird dort unverhohlen als wünschenswerte Normalität hingestellt. Mag jeder darüber urteilen, wie er will – eines ist sicher: Durch Westfahls Feststellung des Inzestmotivs in Project Moon Base wird endlich klar, weshalb die offizielle Verhei­ratung von Moore und Briteis am Ende des Films – unmissverständliches Zeichen der tatsächlichen sexuellen Bezie­hung – ein so auffälliges Gewicht erhält. Heinlein lag das Tabuthema offensichtlich am Herzen.

 

Ich bin kein Fan von Robert A. Heinlein, aber ich mag Project Moon Base, ein Film, über den sich unter Aficionados langsam die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass in ihm mehr Heinlein steckt als in jeder anderen Heinlein-Verfilmung. Der Film ist letzten Endes eine juvenile Space Opera, die vom naiven Charme damaliger Science-Fiction-Serien lebt, und hat – kein unerheblicher Punkt – eine bezaubernde Donna Martell zu bieten. Ein kurzweiliges Vergnügen.

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 1. Februar 2016