Kronos (USA 1957)
Regie: Kurt Neumann
Drehbuch: Lawrence L. Goldman, nach einer Story von Irving Block
Kamera: Karl Struss. Schnitt: Jodie Copelan. Musik: Paul Sawtell, Bert Shefter
Darsteller: Jeff Morrow (Dr. Leslie Gaskell), Barbara Lawrence (Vera Hunter), John Emery (Dr. Hubbell Eliot), George O’Hanlon (Dr. Arnold Culver), Morris Ankrum (Dr. Albert Stern), Jose Gonzales-Gonzales (Manuel Ramirez), Marjorie Stapp (Krankenschwester), Kenneth Alton (Lastwagenfahrer) u. a.
Produzent: Kurt Neumann
Assoziierte Produzenten: Irving Block, Jack Rabin, Louis DeWitt
Ausführender Produzent: E. J. Baumgarten
Companies: Regal Films; 20th Century Fox (Verleih)
Laufzeit: 78 Minuten; Schwarzweiß
Premiere: April 1957 (USA)
Eine fliegende Untertasse nähert sich der Erde, die von den Astronomen Dr. Leslie Gaskell und Dr. Arnold Culver am Astronomischen Institut Labcentral zunächst für einen gigantischen Asteroiden gehalten wird, der auf der Erde einzuschlagen droht. Derweil setzt das UFO unbemerkt ein Lebewesen in Form einer leuchtenden Energiekugel ab, die auf die Erde hinabschwebt und in Dr. Hubbell Eliot, den Chef von Labcentral, hineinfährt.
Nachdem Dr. Gaskell das Pentagon gewarnt hat, schickt das Militär dem vermeintlichen Asteroiden mehrere Abfangraketen mit Atomsprengköpfen entgegen. Die Atomexplosionen können dem Objekt jedoch keinerlei Schaden zufügen. Das UFO zieht unbeeindruckt über Nordamerika hinweg und taucht schließlich im Pazifik vor der Küste Mexikos ab. Dr. Gaskell ist inzwischen fest überzeugt, dass das Objekt ein außerirdisches Raumschiff sein muss, und begibt sich mit Culver und seiner Assistentin und Verlobten Vera Hunter an die mexikanische Küste.
Es dauert nicht lang, als sich das Meer plötzlich aufbäumt und eine gewaltige weiße Kuppel aus ihm emporsteigt. Aufkommender dichter Nebel verhindert die Beobachtung des weiteren Geschehens. Am nächsten Morgen jedoch steht statuengleich ein kantiger, schwarzer Roboter von über 30 Metern Höhe am Strand. Seine Mission: Elektrische und atomare Energie aus den Kraftwerken und Städten der Menschen zu absorbieren. Seine Instruktionen erhält die Maschine dabei von der außerirdischen Lebensform, die Dr. Eliot übernommen hat. Als das Alien dem Roboter telepathisch durch Dr. Eliot den Ort des nächstgelegenen Kraftwerks mitteilt, setzt sich der Roboter, den die Presse nach dem griechischen Titanen „Kronos“ getauft hat, mit seinen vier stampfenden, zylindrischen Beinen donnernd in Bewegung. Er entzieht dem Kraftwerk sämtliche Energie, wobei er es völlig zerstört. Mit jeder Energieladung wächst der Roboter, und damit nicht genug: Sein weiterer Weg führt ihn nach Kalifornien, direkt auf Los Angeles zu . . .
In Cinemascope: Giant Robot on the Loose!
Ich habe ein großes Faible für die Science-Fiction-Filme der Fünfzigerjahre, was sich auch hier auf meiner Webseite Astron Alpha wiederspiegelt: Besprechungen von Filmen aus jenem Jahrzehnt sind hier überproportional vertreten. Ich bin mit vielen dieser Filme aufgewachsen, als sie in den Siebzigern und Achtzigern im Fernsehen, oft im dritten Programm, gezeigt wurden. Später, mit dem Aufstieg der DVD und des Internets, wurde es endlich möglich, sich den Riesenschatz an weiteren Science-Fiction-Filmen der Fifties zuzulegen, die selten oder nie in Deutschland gezeigt worden waren (oft als DVD-Bestellungen aus den USA), und so kenne ich inzwischen eine ganze Menge Vertreter dieser Gruppe.
Science-Fiction-Filme waren in den Fünfzigern fast immer Low-Budget-Produktionen, da damals das Genre allgemein wenig geachtet und für Kinderkram gehalten wurde. Allerdings ließ sich mit ihm aufgrund der niedrigen Produktionskosten an der Kinokasse trotzdem gutes Geld verdienen. So wimmelt es unter diesen Filmen von schludrig geschriebenen, armselig ausgestatteten und mies getricksten Gurken, die nur auf den schnellen Dollar schielten. Auf der anderen Seite gibt es immer wieder seltene Ausnahmen, wo das geringe Budget durch eine beachtliche Kreativität der Filmemacher ausgeglichen wurde, sodass trotz Geldmangels respektable kleine Science-Fiction-Perlen entstehen konnten.
Kronos zählt meines Erachtens definitiv zu diesen Ausnahmen. Der Film hat auch sonst in der Fangemeinde fast durchweg positive Kritiken geerntet, damals wie auch heute; Glenn Erickson bewertet ihn „dank eines bestechenden Konzepts und vorzüglichen Designs“ sogar mit einer Bestnote, „genau da oben unter den Top-Klassikern des Genres“ (Sci-Fi Savant, S. 121; vgl. Ericksons im Wortlaut, aber nicht in der Bewertung abweichende Online-Rezension auf DVDTalk).
Kronos soll nach einem in Fantascene No. 2 (1977/78) veröffentlichten Interview mit Jack Rabin, einem der Tricktechniker des Films, nur 160.000 Dollar gekostet haben. Angesichts dieses Mini-Budgets sind die Produktionswerte und Spezialeffekte wirklich beachtlich. Bei der Ausstattung und einigen Szenen konnte das Studio Regal Films davon profitieren, eine Tochter von 20th Century Fox zu sein und sich aus deren Fundus zu bedienen: Teile der elektrotechnischen Kulissen des Labcentral stammen beispielsweise aus dem UFO in Der Tag, an dem die Erde stillstand (1951), und die Szenen mit mexikanischen Menschenmassen, die in Panik über Äcker und Feldwege fliehen, sind tatsächlich stock footages, die Fox auf Hawaii gedreht hatte. Die Spezialeffekte wurden von den verlässlichen Trickdesignern und -technikern Irving Block (1910–1986), Jack Rabin (1914–1987), Louis DeWitt (1905–1992), Gene Warren (1916–1997) und Wah Chang (1917–2003) besorgt, die auch in vielen anderen Science-Fiction-Filmen der Fünfzigerjahre ihr Handwerk ausgeübt hatten; ferner wirkten William Reinhold und Menrad von Mulldorfer an den Tricks mit. Um den außerirdischen Roboter „Kronos“ zum Leben zu erwecken, wurde mit Modellen, Malereien, Zeichentrick-Animation, Stop Motion und optischen Effekten gearbeitet – eine beachtliche Bandbreite, die meistenteils überzeugende Resultate hervorbrachte. Es kamen dabei zwei unterschiedlich große Modelle des Roboters zum Einsatz: ein kleineres für totale Einstellungen und ein größeres, wahrscheinlich unvollständig ausgeführtes für Nahaufnahmen.
Bill Warren vermutet in seinem Buch Keep Watching the Skies! (2010), dass die ambitionierten Trickszenen aufgrund des Budgets in ihrer Anzahl stark beschränkt worden seien (S. 494f.). Er berichtet, dass nach Produktionsbeginn das Budget des Films noch einmal gekürzt worden sei und im Drehbuch 25 Szenen unbekannten Inhalts gestrichen worden waren, von denen er vermutet, dass dies vor allem Spezialeffekt-Szenen betraf. Wahrscheinlich wären mit mehr Zeit und Geld die Spezialeffekte hier und da wohl noch eleganter und überzeugender ausgefallen. Der Zuschauer gewinnt allerdings nicht den Eindruck, dass in dem Film ein Kahlschlag der Effektszenen stattgefunden hätte – im Gegenteil: Die Effekte sind hier um Einiges zahlreicher und eindrucksvoller als in der Mehrzahl ähnlich billig produzierter Science-Fiction-Filme der Fünfzigerjahre. Dass die Effektszenen, die Kronos’ donnernden Marsch über die Landschaft und sein Energie-Aufsaugen in Plasmawellen, Blitzen und Strahlenausbrüchen zeigen, nur in der zweiten Hälfte des Films zu sehen sind, entspricht dem gängigen Strickmuster des Monsterfilms, nach dem das Monster erst verzögert auf der Leinwand erscheint und sein Amoklauf sich dann erst in voller Pracht entfaltet. Umso schöner wurde Kronos und sein blitzezuckendes, hochvoltaisches Wüten von knackigen, herrlich außerirdisch klingenden elektronischen Soundeffekten untermalt – es knistert, kracht, jault und wummert, dass es eine wahre Freude ist. Alles in allem eine tolle, kernig-altmodische Science-Fiction-Show!
Der schlichte Plot bietet wohlbekannte Versatzstücke der Pulp-SF, die auch nicht unbedingt völlig logisch und sinnvoll zusammengeschraubt wurden: Es gibt den von einem Alien besessenen Wissenschaftler à la Invasion vom Mars (1953), einiges Bohei um einen mächtigen Asteroiden auf Kollisionskurs mit der Erde, fliegende Untertassen und einen bedrohlichen Roboter, der als giant monster on the loose über die mexikanische und kalifornische Landschaft stampft. John Baxter nannte in seinem Buch Science Fiction in the Cinema (1970) den Roboter „den einzigen je gemachten ernsthaften Versuch eines wahrhaft technologischen Monsters“ (S. 138), womit er die Verbindung des Robotermotivs mit dem giant monster-Motiv im Blick hatte, und in dieser Hinsicht hatte er anno 1970 – lange vor den gigantischen technologischen Kraturen aus den Star Wars- oder den Transformers-Filmen – zweifellos Recht; zumindest der Riesenroboter war damals eine originelle Neuheit im Science-Fiction-Kino.
Steigert allein schon die Fülle der fantastischen Elemente im Film das Interesse, so wurden sie hier auch sehr schön umgesetzt. John Emery (1905–1964) beispielsweise, der zuvor für Kurt Neumann bereits in Rakete Mond startet (1950) mitgespielt hatte, mimt den außerirdisch besessenen Wissenschaftler perfekt: Während sein Gesicht von flirrendem Licht angeleuchtet wird (die außerirdische energetische Existenz in ihm), führt Emery mit weit aufgerissenen, ins Leere blickenden Augen und erstarrten Zügen die Befehle des Aliens in ihm aus. Wenn er dazwischen lichte Momente hat, in denen er „er selbst“ ist, versucht er vergeblich mit schweißnassem Gesicht und keuchendem Atem seinen behandelnden Arzt, der ihn natürlich für psychisch zerrüttet hält, von der drohenden Gefahr zu überzeugen. Einen besonders horriblen Moment bietet sein Ende: Mit aufbäumender Willenskraft zwingt er sich in einen elektrisch abgeschirmten Raum, verschließt ihn und treibt die außerirdische Lebensform aus sich heraus, worauf er tot zusammenbricht. Das Alien fließt daraufhin wie Quecksilber aus dem Gesicht des Leichnams und stirbt als funkensprühende Pfütze am Boden (vermutlich, weil es keine neue Energie mehr zugeführt bekommt).
Kurt Neumanns Regie ist solider Durchschnitt und stellenweise behäbig, insgesamt jedoch okay. Leider ist er recht nachlässig damit, die Dinge klarer zusammenzufügen. Dass der leuchtende Ball, der in Dr. Eliot eingedrungen ist, ein Alien ist, das sowohl Dr. Eliot als auch den Roboter telepathisch beherrscht, wird erst nach und nach klar – und auch nur jenen Zuschauern, die mit voller Aufmerksamkeit bei der Sache sind. Unklar dagegen bleibt, warum der Roboter, nachdem sein telepathischer Herr gestorben ist, plötzlich in der Lage ist, seinen energieabsorbierenden Job auch ohne Anweisungen weiter auszuführen und Los Angeles den Saft abzudrehen. Na, und dass die Vernichtung von Kronos durch mysteriöse Partikel gelingt, die von einem Flugzeug aus zwischen Kronos’ Antennen verteilt werden und die zu einer „Umpolung“ führen, sodass Kronos von seiner eigenen akkumulierten Energie in einer mächtigen Atomexplosion zerstrahlt wird, ist in einem billigen Science-Fiction-Film wie diesem kaum noch der Rede wert – in einer Hitparade haarsträubender science babbles hätte das hier ausgeführte Beispiel gute Chancen auf eine höhere Platzierung. Aber den wohl größten Schnitzer leistet sich die Inszenierung gleich am Anfang des Films, als das UFO, das aussieht wie eine dickbauchige fliegende Untertasse, auf dem Teleskop-Bildschirm der Astronomen erscheint: Die Astronomen rätseln über die ungewöhnliche Flugbahn dieses Asteroiden (!), obwohl auf ihrem Bildschirm überdeutlich eine fliegende Untertasse mit Zickzack-Kurs zu sehen ist!
Neben John Emery sind die immer gern gesehenen Genrestars Morris Ankrum (Rakete Mond startet, Flight to Mars, Invasion vom Mars, Fliegende Untertassen greifen an, Angriff der Riesenkralle) als Arzt und „Exeter“ Jeff Morrow (Metaluna 4 antwortet nicht, Das Ungeheuer ist unter uns, Angriff der Riesenkralle) als Astronom und weltrettender Held der Geschichte mit an Bord, und beide spielen ihre Rollen tadellos, wenngleich ihre Figuren fast gänzlich ohne Persönlichkeit bleiben und letztlich nur als bloße Träger der Handlung fungieren. Die weibliche Hauptrolle, gespielt von der versierten, seit 1945 aktiven Schauspielerin Barbara Lawrence (1930–2013), ist, wie so oft in alten Science-Fiction-Filmen, kaum mehr als hübsches Beiwerk. Wie schon in Neumanns Rakete Mond startet findet sich auch hier ein „romantischer“ Dialog, der nach einem Beißholz verlangt: Als sich Dr. Gaskell und seine Verlobte Vera verliebt am Strand von Mexiko räkeln, fragt sie ihn, ob er sie heiraten wird, und er antwortet tatsächlich mit der Frage: “Can you cook?” – und fügt in einem Anflug von Minderwertigkeitsgefühl, hinter dem sich seine Angst vor dem Einfluss einer Frau auf sein Leben verbergen mag, hinzu: “Do you think you’ll be able to respect a husband who probably pulls the biggest scientific boner of all time?”
„Die Charaktere tun nichts zur Sache“, bemerkt Bill Warren völlig zu Recht dazu, „es ist Kronos und sein Energie-Diebstahl, die wirklich das Interesse fesseln“ (Keep Watching the Skies!, S. 494). In der Tat. Kronos ist in der abstrakten Reduktion seines Designs eine geniale Schöpfung – extrem einfach gehalten und dafür umso enigmatischer in der Wirkung. Der ausgebildete Kunstmaler Irving Block, der gemeinsam mit Allen Adler auch schon das Grundgerüst der Story von Alarm im Weltall (1956) ausgetüftelt hatte, war nicht nur der Urheber der Story von Kronos, sondern entwarf auch das Design des Roboters. In einem Interview erklärte er dazu:
„Ich wollte es anthropomorph haben, dass es aussieht wie ein Roboter, aber gleichzeitig wollte ich, dass es aussieht wie eine Maschine. Ich investierte eine Menge Zeit dafür. [ . . . ] In einem bestimmten Stadium sah es mehr wie eine Konstruktion von Picasso aus, aber in einer ganzen Serie von Entwicklungsschritten reduzierte ich es immer weiter, bis es schließlich nur noch zu einem schwarzen Kasten geworden war“ (zitiert nach Bill Warren, Skies!, S. 495).
Kronos ist in seinem glatten, kubistischen Design großartig: Die Maschine besteht aus zwei schwarzen, quaderförmigen Blöcken, die durch eine dicke, silbrige Säule voneinander getrennt und von vier zylindrischen Beinen getragen wird; auf seiner Oberseite ragen eine glatte Kuppel und zwei schräg abstehende Antennen heraus, von denen die eine in einem gläsernen Quader, die andere in einer Kugel endet. Mächtig und angsteinflößend ragt der außerirdische, gigantische Energie-Akkumulator in den Himmel empor, und seine Form gibt keinen Aufschluss auf seine Funktions-weisen. Als das Forscherteam von Labcentral mit einem Hubschrauber auf der Oberseite von Kronos landet, erwacht der Roboter zum Leben und gibt in einem sich öffnenden Spalt einen Blick in sein Inneres frei: Auch hier sehen die Forscher in einem kurzen Krell-Maschinenhallen-Moment nur einen dunklen Abgrund weiterer unverständlicher Maschinerie, zusammengefügt aus gläsernen und metallischen Quadern, Kugeln und Zylindern. Das geometrisch-kubistische Grundprinzip der Symbolisierung außerirdischer Technologie sollten übrigens Irving Block und Jack Rabin zwei Jahre später auch in dem wesentlich schwächeren Film Auf U-17 ist die Hölle los (1959) wieder einsetzen.
Irving Block gab dem Roboter und dem Film auch den Namen „Kronos“. In der griechischen Mythologie ist Kronos der Anführer des Göttergeschlechts der Titanen und Vater des Zeus; in Furcht um seine Herrschaft verschlingt er all seine eigenen Kinder – die er später jedoch, nachdem Zeus ihn besiegt hat, alle wieder ausspucken muss.
Kronos ist ein effektives, kurzweiliges Science-Fiction-Spektakel. Die tolle Grundidee, das Design des titanischen Roboters, die reichhaltigen Spezialeffekte, die elektronische Soundkulisse und die solide Ausstattung können auch heute noch begeistern, sodass der Film trotz einiger Behäbigkeiten, manch hölzerner Dialoge und wissenschaftlicher Dummheiten auf jeden Fall sehenswert ist. Ich selbst habe den Streifen nun schon dreimal gesehen – und werde ihn mit Sicherheit irgendwann bei Gelegenheit auch ein viertes Mal in den DVD-Player legen und mit Vergnügen genießen.
© Michael Haul
Veröffentlicht auf Astron Alpha am 11. Mai 2018
Szenenfotos © Wade Williams Collection; Corinth Films