The War of the Worlds (USA 1953)
Regie: Byron Haskin
Drehbuch: Barré Lyndon, nach dem Roman The War of the Worlds (1897)
von H. G. Wells
Darsteller: Gene Barry (Dr. Clayton Forrester), Ann Robinson (Sylvia van Buren), Les Tremayne (General Mann), Lewis Martin (Pastor „Matthias“ Matthew Collins), Robert Cornwaithe (Dr. Pryor), Sandro Giglio (Dr. Bilderbeck), Bill Phips (Wash Perry) u. a.
Produzent: George Pal
Company: Paramount Pictures
Laufzeit: 85 Min.; Farbe
Premiere: 29. Juli 1953 (USA); 6. Januar 1954 (Deutschland)
In der Nähe der ländlichen Kleinstadt Linda Rosa im südlichen Kalifornien fällt ein leuchtendes Objekt vom Himmel herab. Die Menschen scharen sich neugierig um die Absturzstelle des glühend heißen Körpers, den alle für einen Meteor halten, und rufen ein Wissenschaftlerteam vom Pacific Institute herbei, das zufällig in der Nähe sein Zeltlager aufgeschlagen hat. Der Chef des Teams, der Atomphysiker Dr. Clayton Forrester, kommt zu dem Schluss, dass der Flug des „Meteors“ zu langsam gewesen und sein Einschlagkrater nicht tief genug sei; mit seinem Geigerzähler stellt Forrester zudem eine ungewöhnliche radioaktive Strahlung fest, die von dem Objekt ausgeht. Man will mit der näheren Untersuchung abwarten, bis sich das Objekt weiter abgekühlt hat, und kehrt in die Stadt zurück. Drei Männer bleiben als Wache zurück.
Am späten Abend beobachtet die Wache Unheimliches. Langsam schraubt sich ein Lukendeckel vom „Meteor“ ab, und ein metallischer Schlangenhals mit einem kobraförmigen Kopf kommt zum Vorschein. Als sich die drei Männer zögernd nähern, stößt der Kobrakopf einen Energiestrahl aus und verbrennt die Männer zu Asche. Gleichzeitig legt ein elektromagnetischer Impuls in der Stadt sämtliche elektrischen Geräte lahm. Die erstaunten Menschen laufen auf die Straße, sehen in der Ferne Flammen aufsteigen und fahren zur Absturzstelle des Meteors zurück. Die Autos der Wache und die nähere Umgebung sind verbrannt, von den drei Männern sind nur noch Ascheschatten auf dem Boden erkennbar. Als der metallische Schlangenhals erneut Energiestrahlen abschießt, zieht man sich zurück und ruft das Militär zu Hilfe.
Schnell hat die Armee unter der Führung von General Mann und Colonel Heffner Gefechtsstände um die Einschlagstelle gebaut und schwere Waffen aufgefahren. Gleichzeitig erfahren die Menschen durch Presse und Rundfunk, dass weltweit ähnliche „Meteore“ niedergegangen sind; es wird vermutet, dass sie vom Mars gekommen sind. Nach einer Weile erheben sich aus der Einschlagstelle drei mantaförmige Flugobjekte. Mit ihren Schlangenhälsen eröffnen sie das Feuer auf die militärischen Stellungen und vernichten alles. Kein Geschütz kann ihnen etwas anhaben, da die UFOs von starken Energieschilden abgeschirmt werden. Die Truppen werden aufgerieben, Colonel Heffner wird zerstrahlt. Dr. Forrester kann mit einer jungen Kollegin, Sylvia van Buren, fliehen.
Weltweit gehen die Außerirdischen zum Angriff über, verbrennen alles zu Asche und rücken dabei immer weiter vor. In Kalifornien schlägt auch der letzte verzweifelte Versuch fehl, die feindlichen Flugmaschinen zu vernichten: Die Armee wirft eine Atombombe auf die UFOs ab, doch auch gegen die stärkste Waffe der Menschheit bleiben die Schutzschilde der Außerirdischen stabil. Sämtliche Hoffnung ist dahin, den Menschen bleibt nur noch die Flucht. Los Angeles wird von den Außerirdischen in Schutt und Asche gelegt, während Dr. Forrester verzweifelt durch das Chaos irrt und Sylvia sucht, die er während der Evakuierung der Stadt verloren hat. Schließlich findet er sie in einer Kirche, zusammen mit Scharen weiterer Flüchtlinge, die ihre letzte Hoffnung in Gebete und Preisgesänge auf Gott setzen. Gerade als auch die Kirche von den Außerirdischen beschossen wird und sich Forrester und Sylvia in Erwartung des sicheren Todes aneinanderklammern, ist der Spuk plötzlich wie durch ein Wunder zuende: Die Außerirdischen sterben an einer Infektion und stürzen mit ihren Fluggeräten ab. Weltweit geschieht dasselbe – der Krieg ist vorbei. Die Außerirdischen haben ein entscheidendes Detail nicht bedacht: Im Gegensatz zum Menschen, der in Jahrmillionen Abwehrkräfte gegen die Bakterien und Viren seiner natürlichen Umwelt ausgebildet hat, verfügten die Außerirdischen nicht über ein an die Erde angepasstes Immunsystem. Unter Glockengeläut danken die Menschen Gott für ihre Rettung.
Ein bombastisches Kinoereignis
Kampf der Welten zählt zweifellos zu den bedeutendsten Klassikern des Science-Fiction-Kinos. Der Film ist der Prototyp des modernen Science-Fiction-Blockbusters – ein sensationelles Spektakel ambitionierter, in Technicolor und Widescreen gedrehter Spezialeffekte, das in furiosen Bildern eine weltumspannende Katastrophenfantasie austobt. Der Film wurde zum Kassenschlager und Wegbereiter für ähnlich spektakuläre Farbfilme wie Metaluna 4 antwortet nicht (1955), Alarm im Weltall (1956) oder Die Eroberung des Weltalls (1955); darüber hinaus ist er Vater im Geiste von späteren Big-Budget-Zerstörungsorgien wie Krieg der Sterne (1977) oder Independence Day (1996) bis hin zu Steven Spielbergs Remake Krieg der Welten (2005). Als Schaukasten von Spezialeffekten, die damals völlig zu Recht mit dem Oscar ausgezeichnet wurden, ist der Film auch heute noch sehr sehenswert und unterhaltsam.
Kampf der Welten ist auch noch in anderer Hinsicht bemerkenswert: Für viele Jahrzehnte blieb der Film neben dem wesentlich billigeren Schwarzweiß-Film Fliegende Untertassen greifen an (1956) der einzige Versuch Hollywoods, einen weltweiten massiven Angriff Außerirdischer auf die Erde zu inszenieren. Die Kriegs- und Invasionsangst der Fünfzigerjahre hat viele Science-Fiction-Filme hervorgebracht, die die Bedrohung durch Außerirdische zum Thema haben, doch blieb in ihnen das Geschehen fast immer auf ein kleines Gebiet mit einer einzelnen Stadt beschränkt. Eine Erklärung hierfür liegt auf der Hand: Eine globale Invasion erfordert viele Effektszenen, und jede Effektszene kostet Geld. Auch Kampf der Welten und Fliegende Untertassen greifen an waren in ihren Budgets begrenzt und verwendeten daher Archivaufnahmen von internationalen Schauplätzen wie Paris und London, von realen Kriegszerstörungen und von Naturkatastrophen – doch der Showdown, bei dem in Kampf der Welten Los Angeles und in Fliegende Untertassen greifen an Washington zerstört wird, wurde mit aufwendigen Spezialeffekten inszeniert.
Die Landung der Marsianer lässt auf sich warten . . .
1897 schrieb der englische Autor H. G. Wells mit Krieg der Welten einen der einflussreichsten Science-Fiction-Romane aller Zeiten. In diesem Werk, das den Imperialismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts und seine sozialdarwinistische Fundierung fürwitzig hinterfragte, schilderte Wells zum ersten Mal in der Literaturgeschichte das Szenario einer militärischen Invasion der Erde durch Außerirdische. Feindselige Besucher aus dem All wurden danach bald zu einem Standardthema in der Science-Fiction-Literatur und in Comics, doch es dauerte noch mehr als 50 Jahre, bis das Thema auch den Weg auf die Kinoleinwand fand.
Die Filmrechte an H. G. Wells’ Krieg der Welten wurden auf Betreiben des legendären Produzenten und Regisseurs Cecil B. DeMille (1881–1959) bereits 1925 von Paramount Pictures erworben. DeMille ließ von dem Filmtechniker und späteren Regisseur und Produzenten Roy J. Pomeroy (1892–1947) ein Drehbuch schreiben, doch wurde der Entwurf nie verfilmt. In den folgenden 25 Jahren interessierten sich viele namhafte Filmschaffende wie Sergej Eisenstein, Robert Fellows, Alfred Hitchcock und Alexander Korda für den Erzählstoff, weitere Treatments und Drehbücher entstanden, doch nie erwuchsen daraus weiterführende Planungen.
Seit 1942 hatte sich Ray Harryhausen intensiv um eine eine Krieg der Welten-Verfilmung bemüht. Er schrieb einen in New York spielenden Storyentwurf, der vom berühmten, am 30. Oktober 1938 auf CBS ausgestrahlten Krieg der Welten-Hörspiel von Orson Welles inspiriert war, und zeichnete Dutzende Skizzen von Schlüsselszenen des geplanten Films. 1949 filmte Harryhausen eine kurze Stop-Motion-Testaufnahme, in der ein marsianischer Oktopode aus einer gelandeten Marskapsel klettert (zu sehen auf YouTube oder in den Extras zur Special-Edition-DVD des Films). Es gelang Harryhausen jedoch nicht, einen Produzenten für das Projekt zu interessieren. Anfang der Fünfzigerjahre versuchte es Harryhausen schließlich bei George Pal (1908–1980). Er traf sich mit ihm und führte ihm sein Material vor. Beide diskutierten lang über das Projekt, doch schon einige Tage nach dem Treffen zeichnete sich ab, dass Harryhausen bei Paramount keinen Fuß in die Tür bekommen würde, wo, wie er bald erfuhr, bereits ohne ihn die Vorbereitungen für einen Krieg der Welten-Film angelaufen waren.
George Pal war noch vor Veröffentlichung seines zweiten Science-Fiction-Films Der jüngste Tag (1951) von Paramount damit beauftragt worden, für ein nächstes Science-Fiction-Projekt das Archiv zu durchstöbern. Er stieß auf mehrere Drehbuchentwürfe für Krieg der Welten, und endlich gelang es auch, im Studio grünes Licht für die Produktion zu erhalten. Anfang der Fünfzigerjahre hatte der allegorische Stoff aufgrund der in voller Blüte stehenden UFO-Hysterie, des Kalten Krieges und der Angst vor der totalen Auslöschung durch einen Atomkrieg unversehends wieder an Aktualität gewonnen – er passte perfekt in die Zeit. Zudem hatte George Pal mit Endstation Mond (1950) und Der jüngste Tag (1951) bereits unter Beweis gestellt, dass er in der Lage war, mit einem relativ bescheidenen Budget grandiose Effekte auf die Leinwand zu zaubern.
George Pal verwarf alle alten Drehbuchentwürfe und betraute den britischen Theater- und Drehbuchautor Barré Lyndon (1896–1972) mit der Aufgabe, ein neues Drehbuch zu schreiben, an dem er selbst und Regisseur Byron Haskin (1899–1984) intensiv mitwirkten. Um das veranschlagte knappe Budget zu schonen, aber auch um die Glaubwürdigkeit des Films zu steigern, wurde die Geschichte aus dem viktorianischen England ins Kalifornien der Fünfzigerjahre verlegt. Ursprünglich wollte George Pal den Helden wie in Wells’ Roman auf eine Odyssee zu seiner Ehefrau schicken, doch auf Drängen des Filmstudios wurde aus dem Helden Clayton Forrester ein Junggeselle gemacht und die Liebesgeschichte zwischen ihm und der jungen Sylvia van Buren eingebaut. Als das Drehbuch Produktionschef Don Hartman präsentiert wurde, war dieser trotzdem nicht zufrieden und warf es vor George Pals Augen in den Papierkorb. Daraufhin intervenierte Cecil B. DeMille beim vorgesetzten Direktor des Studios und sorgte dafür, dass Kampf der Welten doch noch produziert wurde.
„Drähte? Welche Drähte?“
Etwa zwei Drittel des Budgets von Kampf der Welten flossen in die Miniaturen und Spezialeffekte. Die Angaben über das Budget schwanken zwischen 1,2 und 2 Millionen Dollar, doch hält Bill Warren es aus guten Gründen für möglich, dass das Budget sogar weniger als 1 Million Dollar betrug (vgl. Keep Watching the Skies!, S. 880). Eine Million Dollar waren anno 1953 eine Menge Geld für einen Science-Fiction-Film, aber immer noch weit entfernt von den großen Budgets der starbesetzten A-Filme. Es ist bewundernswert, wie es dem Produktionsteam gelang, mit den begrenzten Mitteln derart imposante Schauwerte zu schaffen. Dies war auch das Markenzeichen der anderen George-Pal-Filme: Sie sahen immer erheblich teurer aus, als sie tatsächlich gewesen waren.
Für die Designs und Effekte vertraute George Pal auf das bewährte Team um die künstlerischen Leiter Albert Nozaki (1912–2003) und Hal Pereira (1905–1983) sowie Tricktechniker Gordon Jennings (1896–1953), das schon für Der jüngste Tag so erfolgreiche Arbeit geleistet hatte. Erste Skizzen hatten noch mit der Idee der „Tripods“ aus Wells’ Roman gespielt – dreibeinige, hoch aufragende Kampfmaschinen, die über das Land marschieren. Tricktechnisch und ästhetisch einigermaßen befriedigend wäre dies jedoch nur mit der sehr zeitaufwendigen Stop-Motion-Technik umzusetzen gewesen. Man entschied sich daher, der allgemeinen UFO-Hysterie Tribut zu zollen und aus den Tripods fliegende Untertassen zu machen, die bedrohlich über das Land hinwegschwebten und dabei mit ihren Energiestrahlen alles vernichteten und versengten, was sich ihnen entgegenstellte. Das von Albert Nozaki entworfene Design der Flugobjekte war sehr elegant. Sie sahen aus wie glänzende Rochen mit grün leuchtenden Flügelspitzen und einem metallischen Schlangenhals mit Kobrakopf, der die tödlichen Energiestrahlen abfeuerte. Die Modelle wurden aus Kupfer angefertigt. Sie maßen 114 cm im Durchmesser und enthielten mehrere Neonleuchten und Steuermotoren für den Kobrahals und -Kopf. Sie wogen stolze 14 kg und benötigten daher jeweils 15 Drähte, mit denen sie an Deckenschienen aufgehängt und schwebend über Modelllandschaften gefahren werden konnten.
Es ist sehr schade, dass die Drähte, vor allem in den ersten Szenen, in denen sich die UFOs aus der Grube ihres Landeplatzes erheben, überdeutlich zu sehen sind, insbesondere da diese Szenen ansonsten überaus effektiv und spannend sind. Der Spott über die „verdammten Drähte“ gehört seit Jahren zu den ständigen Randnotizen zu Kampf der Welten, ähnlich wie die Reißverschlüsse der Mutantenkostüme in Invasion vom Mars (1953). So fragt beispielsweise John Brosnan in seinem Buch The Primal Screen:
Hätten sie nicht irgendetwas nachträglich mit [den Drähten] machen können? Zum Beispiel, indem man sie gemattet hätte? Vielleicht dachten sie, dass niemand im Publikum sie mitkriegen würde? Vielleicht haben sie sie selbst nicht mitgekriegt? – »Ähm, George, ich bin mir nicht sicher über diese Drähte.« – »Drähte? Welche Drähte?« – Seltsamerweise sind sie in den Schlusssequenzen nicht zu sehen, wenn die Maschinen Los Angeles zerstören. Wobei, ich glaube nicht, dass sie zu sehen sind – vielleicht ist man bis dahin schon gewöhnt an sie und blendet sie daher mental aus. (The Primal Screen, S. 67)
Bill Warren, der Kampf der Welten leidenschaftlich liebt, ist dagegen nachsichtiger:
Die Drähte, die die Maschinen tragen, sind gelegentlich sichtbar, insbesondere in späteren Filmkopien, die nicht in Technicolor verarbeitet wurden, aber für die meisten Zuschauer ist dies nur ein kurzer Verdruss, der vom bereitwilligen Glaubenwollen besiegt wird. Der Film hat so ein rasches Tempo, die Action nimmt so gefangen, die Maschinen sind so wunderbar unheimlich, so viel passiert, der Film macht derart Spaß – dass kleinere Fehltritte unter Freunden wie ein paar Drähte leicht zu verzeihen sind. (Skies, S. 880f.)
Die glühenden Energiestrahlen, die aus dem Kobrakopf der marsianischen Maschinen schießen, erzeugte Gordon Jennings mit brennendem Schweißdraht, dessen Funkenflug mit einem Gebläse kontrolliert wurde. Der erste Angriff dieser Strahlen ist besonders eindrucksvoll. Langsam dreht sich der Kobrakopf mit bedrohlich pulsierendem Leuchten den drei Männern zu, die sich dem unheimlichen Schlangenhals mit einer weißen Fahne nähern. Schließlich feuert der Energiestrahl los – direkt in Richtung des Zuschauers –, und im orangefarbenen Gleißen werden die drei Männer zu schwarzen Silhouetten, bis das Bild weiß aufblendet. In einer späteren Szene sind nur noch drei qualmende, menschengestaltige Staubschatten von ihnen zu sehen, die sich auf dem Boden abzeichnen – und erinnern dabei unweigerlich an den Horror ähnlicher Bilder vom Atombombenangriff auf Hiroshima. Die grünen Strahlenimpulse, die aus den Flügelspitzen der UFOs schießen und Panzer, Geschütze und Menschen auflösen, wurden im Zeichentrickverfahren realisiert. Besonders eindrucksvoll ist die Szene, in der Colonel Heffner von diesen Strahlen getroffen wird: Er leuchtet grün auf, und bevor er sich auflöst, ist wie in einer Röntgenaufnahme im grünen Glanz der Schatten seines Skeletts zu sehen.
Der Angriff der Marsianer wurde mit einer bemerkenswerten Soundkulisse untermalt – die dem Film eine Oscar-Nominierung für die Soundeffekte einbrachte. Die pulsierenden, unirdisch klingenden Geräusche der Energiestrahlen erzielten die Tontechniker mit aufgenommenen Rückkopplungseffekten von elektrischen Gitarren, die verlangsamt rück-wärts abgespielt wurden. Auch die übrigen, vielfach überlagerten Geräusche von Geschützen und Explosionen sind sehr wirkungsvoll und erzeugen das Gefühl, dass tatsächlich ein gewaltiger Krieg im Gange ist.
Im Studio entstand eine riesige Miniaturlandschaft, über die die UFOs hinwegschweben konnten, und das Farmhaus, in das einer der marsianischen „Meteore“ hineinstürzt. Für die Zerstörungen in Los Angeles wurde ein kompletter Straßenzug und ein drei Meter hohes Modell der Los Angeles City Hall gebaut. Die Massenszenen mit dem entfesselten Mob auf der Straße wurden in den großen Straßenkulissen auf dem Gelände der Paramount-Studios gedreht, während die aus hohen Blickwinkeln gefilmten Szenen, in denen Gene Barry ganz allein durch die verwaisten Straßen von Los Angeles läuft, sonntags morgens in aller Frühe an Originalschauplätzen entstanden.
In der Sequenz im zerstörten Farmhaus darf der Zuschauer kurz einen leibhaftigen Marsianer bestaunen – eine wahrlich spektakuläre Erscheinung! H. G. Wells hatte die Marsianer als kopfförmige Kreaturen beschrieben, die über zwei große Augen und einen schnabelartigen, tentakelbewehrten Mund verfügten. Der von Albert Nozaki entworfene und von Charles Gemora und dessen Tochter mit Hühnerdraht und Latex gebaute Marsianer ist dagegen ein krötenartiges Wesen mit zwei Armen, rötlicher Haut, schaurig pulsierenden Adern und Saugnäpfen an den langen, dünnen Fingern. Bis auf das einzelne Auge mit drei verschiedenfarbigen Linsen, das wenig organisch, sondern eher technisch aussieht, ist der Marsianer sehr gelungen. Er wirkt scheußlich – wirklich außerirdisch – und zugleich klein und zerbrechlich. Es ist leicht vorstellbar, dass diese Kreatur der irdischen Biosphäre nicht gewachsen ist. Ein interessanter Aspekt der Marsianer ist ihre Kennzeichnung durch die Zahl drei: Sie haben drei Finger an jeder Hand, ein Auge mit drei Linsen, und ihre Flugmaschinen schweben auf drei „magnetischen“ Strahlen (anstelle der drei Beine der Tripods aus dem Roman – die Strahlen unterhalb der UFOs sind nur gegen Anfang des Films kurz zu sehen und wurden in allen späteren Effektszenen weggelassen). Die Flugmaschinen fliegen bevorzugt zu dritt über Land, und in einer Szene erklärt General Mann der Presse, dass die Aliens ihr Operationsgebiet jeweils in Dreiecke aufteilen.
Die marsianische Invasion als Comic-Strip
Kampf der Welten ist ein typischer, vielleicht der typische George-Pal-Film und strahlt als solcher eine wundervolle Magie aus. Er prunkt mit satten Technicolor-Farben, schönen Studiosets, beeindruckenden Tricks und einer einzigartigen Soundkulisse – und er erzählt eine fantastische Geschichte. Gleichwohl lässt sich nicht übersehen, dass der Film nach über 60 Jahren eine recht starke Patina angesetzt hat. Byron Haskins gediegene Regie erzählt mit überraschungsarmer Kameraführung und in gemessenem Rhythmus, legt aber immerhin, verglichen mit anderen Genrefilmen der Zeit, ein recht flottes Tempo vor – wobei Haskin freilich die zahlreichen Spezialeffektszenen zuhilfe kommen. In der Mitte und im letzten Drittel des Films wird das Tempo streckenweise etwas langsamer, bis der grandiose Showdown, die Zerstörung von Los Angeles, die Spannung wieder ansteigen lässt.
Die spannendste und atmosphärischste Sequenz gelingt Haskin im zerstörten Farmhaus, wo Forrester und Sylvia zunächst Zuflucht suchen, bis sie der Terror der Marsianer auch dort heimsucht. Plötzlich schlägt einer der „Meteore“, mit denen die marsianischen Flugmaschinen auf der Erde eintreffen, direkt neben dem Haus ein, zerstört es halb, und wenig später gleitet ein metallischer Schlangenhals mit einem dreifarbigen Video-Auge durch ein Fenster und schaut sich neugierig um. Forrester und Sylvia verstecken sich voller Angst (es verwundert, dass sie trotzdem leise miteinander sprechen und offenbar keine Sorge haben, von dem Video-Auge vielleicht gehört zu werden). Nachdem sich das Video-Auge zurückgezogen hat, schleicht sich unbemerkt ein Marsianer in das Haus und greift Sylvia mit der dreifingrigen Hand an die Schulter – eine der besten Szenen des Films, in der Sylvias blankes Entsetzen von Ann Robinson wundervoll gespielt wird.
Die Farmhaus-Sequenz variiert einen ähnlichen Abschnitt aus Wells’ Roman. Dort hat sich der Ich-Erzähler mit einem verwirrten Kuraten (einem anglikanischen Hilfspriester) im Keller eines zerstörten Hauses versteckt, und auch dort werden die beiden Flüchtlinge von einem metallischen Schlangenhals behelligt, der jedoch über kein Video-Auge verfügt, sondern nur das Innere des Kellers betastet. Der Ich-Erzähler ist schließlich gezwungen, den Kuraten bewusstlos zu schlagen und den Marsianern zu überlassen, um selbst zu überleben. Vor diese darwinistische Härte wird Clayton Forrester in George Pals Film nicht gestellt, eine Änderung, die öfters auf Kritik stieß. Steven Spielberg hat in seinem Remake von 2005 die Keller-Sequenz des Romans mit der Farmhaus-Sequenz aus Pals Film geschickt kombiniert und ihre Spannung meisterhaft gesteigert. Bei Spielberg wird der Irre im Keller (Tim Robbins) tatsächlich von der Hauptfigur (Tom Cruise) ermordet, doch wirkt gerade diese Tat im Erzählzusammenhang des Films besonders fragwürdig.
Die außerirdische Stimmung von Kampf der Welten wird durch die unnatürliche Ausleuchtung des Films in orange, grün und lila wirkungsvoll unterstützt. Der Film erzählt eine entsetzliche Katastrophe, den Einsturz der gesamten menschlichen Zivilisation, einen Krieg, den die Menschheit mit keinen Mitteln gewinnen kann und der an vielen Stellen fatal an den eben erst durchlittenen Zweiten Weltkrieg erinnert. Und doch ist alles in sattes orange, grün und lila getaucht – der Lichtblitz der Atombombe erstrahlt gar in rosa! –, sind die Explosionen mit dem bizarren Gequietsche der gleißenden Energiestrahlen vermischt, und gleiten kupferfarbene, „magnetisch“ schwebende UFOs statt Panzern über die Landschaft. Die Figuren bleiben zweidimensional, und menschliche Tiefe oder gar Vielschichtigkeit gelangt so gut wie nirgends zur Darstellung. All dies verleiht dem Film „die glatte Irrealität eines Comic-Strips“ (John Baxter, Science Fiction in the Cinema, S. 149).
Die Schauspieler agieren recht steif. Ann Robinson ist ein sauberes, adrettes Mädchen der Fünfzigerjahre, und der Bambi-Blick ihrer großen braunen Augen ist reizend; ihre hysterischen Angstschreie im Angesicht der außerirdischen Bedrohung gehören zu den schönsten des Genres. Gene Barry hingegen ist das vielleicht größte Problem des Films. Er wirkt als Clayton Forrester wie ein Holzklotz, spricht seine Sätze schleppend, benutzt selten Wörter mit mehr als drei Silben und verzieht kaum eine Miene. In vielen Szenen wirkt er regelrecht weggetreten, als sei er nicht ganz bei der Sache. John Baxter hat in dieser Darstellung ein bewusstes, von ihm ironisch verstandenes Konzept des Drehbuchautors Barré Lyndon sehen wollen – die „unerschütterliche Gleichgültigkeit“ des Atomphysikers ist Ausdruck seines Mangels an Menschlichkeit (vgl. Science Fiction in the Cinema, S. 150). Nun, mag sein – der Zuschauer jedoch nimmt nur einen wenig symphatischen, unterkühlten, stocksteifen Mann wahr, dem kaum tiefere Leidenschaft zuzutrauen ist. Für ihn – zumindest für mich – ist dieser Held ein Ärgernis, das problemlos vermeidbar gewesen wäre. Selbst wenn Forrester von wissenschaftlichen Sachverhalten spricht, beispielsweise die „magnetische“ Funktionsweise der Alientechnologie erläutert, bleibt er genauso leidenschaftslos und kalt wie zu allen anderen Gelegenheiten. Dennoch und kaum nachvollziehbar verliebt sich Sylvia van Buren im Verlauf des Films in Forrester.
Die Liebesgeschichte wurde von George Pal, Byron Haskin und Barré Lyndon auf Betreiben der Studiogranden nur widerwillig eingefügt. George Pal erklärte später in Interviews, wie lächerlich er es empfand, dass Forrester nach nur einem einzigen Rendezvous mit Sylvia am Ende des Films auf Leben und Tod nach ihr sucht und sich beide schließlich verzweifelt in die Arme fallen. Die meisten Kritiker haben dem beigepflichtet und die Liebesgeschichte als überflüssiges Beiwerk à la Hollywood abgetan. Bill Warren hat dagegen argumentiert, dass die Liebesgeschichte dem Film durchaus zusätzlichen Gehalt verleiht (vgl. Skies, S. 882f.). Im Angesicht der größten Bedrohung aller Zeiten rücken die Menschen zusammen, auch Forrester und Sylvia, und Forrester, der unterkühlte Wissenschaftler, durchlebt dadurch eine persönliche Entwicklung: Er verliebt sich und gewinnt durch die Liebe zu Sylvia an Menschlichkeit. Seine feinfühligste Szene hat er, als er nach der ersten Flucht vor den Aliens in einem Graben unter freiem Himmel dasitzt und Sylvia umfasst, die sich an ihn kauert. Sein Blick ist leer, noch immer geschockt. Im Hintergrund sind immer wieder Explosionen zu hören – die Erinnerung an den realen Weltkrieg wird hier besonders stark spürbar. Als Forrester von einer lauten Explosion aufgeschreckt wird, blickt er in einem Anflug von Panik kurz auf und seine Augen weiten sich; kurz darauf schaut er auf die schlafende Sylvia, und sein Blick wird weich und ein zärtliches Lächeln huscht über sein Gesicht.
Gegen Ende des Films irrt Forrester verzweifelt durch das in Trümmern versinkende Los Angeles, um Sylvia zu finden. Als er sie schließlich in einer Kirche gefunden hat, in der Scharen von Flüchtlingen beten und Gottes Lobpreis singen, klammern sich die Liebenden in der Erwartung des sicheren Todes fest aneinander. Plötzlich verstummen wie durch ein Wunder die Energiestrahlen und Explosionen, und die marsianischen Flugmaschinen stürzen ab. Das Gotteshaus wird in letzter Sekunde vor der Zerstörung bewahrt, und die Menschheit ist gerettet.
Gottes Wege sind unerforschlich
Glaube, Liebe, Hoffnung – die christliche Motivierung des Happy Ends ist unmissverständlich. Sie ist typisch für die Filme von George Pal, der überzeugter Katholik gewesen war, und sie wurde regelmäßig von den Kritikern verurteilt. Zwar hat H. G. Wells selbst das Ende seines Romans mit religiösen Zwischentönen versehen – die Bakterien, die die Marsianer töteten, nennt sein Ich-Erzähler die „niedrigsten Wesen, die Gott in seiner Weisheit ins Leben gerufen hat“ (H. G. Wells, Krieg der Welten, S. 313). Doch ironisiert Wells damit das betonte Gottvertrauen des Bildungsbürgers der viktorianischen Ära, das er selbst als Atheist ablehnte. Wenn tatsächlich Bakterien den Untergang der Marsianer her-beiführten, so war dies als ein wissenschaftlich begründbares biologisches Ereignis, nicht als das Eingreifen eines barmherzigen Gottes zu interpretieren. Wells versäumt nicht, dem Leser auch die wissenschaftliche Begründung zu liefern: Die Anpassung des menschlichen Immunsystems an die irdische Biosphäre, in Jahrmillionen erkauft durch ungezählte Erkrankungen und Todesfälle, erweist sich als evolutionärer Vorteil.
Es ist meines Erachtens falsch, George Pal zu unterstellen, er habe die ironischen Zwischentöne in Wells’ Roman nicht gesehen und damit das Werk praktisch missverstanden. Genau diesen Vorwurf formuliert beispielsweise Richard Scheib auf seiner Website Moria und fügt hinzu, dass Pal und Drehbuchautor Barré Lyndon den religiösen Subtext in Wells’ Roman mit „tödlicher Wörtlichkeit“ aufgefasst und ihm erlaubt hätten, „den Film in einem schrecklichen Ausmaß zu übernehmen“. Aber George Pal wäre nicht George Pal, würde er nicht die biblischen Bezüge ganz bewusst beim Wort nehmen – er interpretiert Wells’ Erzählung eben auf seine Weise, stattet sie mit biblischer Mythologie aus und versucht so, ihr mehr Gewicht zu verleihen. Wenn Sylvia etwa die von den Wissenschaftlern errechnete Vernichtung der Welt durch die Marsianer innerhalb von sechs Tagen mit der biblischen Erschaffung der Welt in sechs Tagen vergleicht, versteht sie das Werk der Marsianer als göttliche Fügung. Die Marsianer kommen über die Erde wie das apokalyptische Weltende, als Gottes unerforschlicher Wille, und allein das unerschütterliche Festhalten an den christlichen Tugenden des Glaubens, Liebens und Hoffens bewirkt die Umkehr Gottes und Errettung der Menschheit in letzter Sekunde. „Die Hand, die verwüstete – verdorrt!“, so preist der Ich-Erzähler am Ende von Wells’ Roman das Aussterben der Marsianer. In George Pals Film wird diese aus alten Sagen geschöpfte Metapher Wirklichkeit: Die marsianische Hand, die aus der Luke eines abgestürzten UFOs kriecht und von der überlebenden Menschenschar bestaunt wird, verfärbt sich schwarz, sie „verdorrt“ tatsächlich – und Gottes Gerechtigkeit wird in diesem für alle sichtbaren Wunder, das die vernichtende Hand vernichtet, offenbar.
Natürlich ist es leicht, George Pal vorzuwerfen, er habe eine von feiner Ironie durchwebte Vorlage religiös verkitscht. Allerdings ist der religiöse Subtext schon bei H. G. Wells trotz seiner ironischen Stoßrichtung ambivalent, was in der Auslegung des Romans gern übersehen wird. Dass die Marsianer bei Wells Knall auf Fall plötzlich alle von Bakterien dahingerafft werden, ist nüchtern betrachtet ein höchst unwahrscheinliches Szenario. Die Simultanität und Rasanz dieses Geschehens ist grotesk; überdies hätten technologisch überlegene außerirdische Invasoren die bakteriologische Gefahr eigentlich schon lange vor ihrem Feldzug erkennen müssen. Folgerichtig muss das glückliche Ende von Krieg der Welten ironisch aufgefasst werden. Wells’ Bakterien figurieren dabei als ein deus ex machina, der das schockierte Lesepublikum erlöst.
Allerdings drängt sich bei der Lektüre gleichzeitig der Eindruck auf, dass Wells die Erlösung durch Bakterien für einen besonders cleveren wissenschaftlichen Einfall hielt. Der deus ex machina erfährt eine wissenschaftliche Erklärung – und bleibt doch ein deus, ein Gott, der die Menschheit „wie durch ein Wunder“ gerettet hat. Der menschliche Wille zu hoffen ist überaus stark, und Wells’ Ironie, die in der Absurdität der Erlösung liegt, wird in ihrer Rationalisierung abgeschwächt. Mit anderen Worten: Den Umschlag der Ironie in Hoffnung lässt der Schluss des Romans jederzeit zu – er ist nicht so gallig, wie er gemeinhin zugunsten der kritischen Schärfe von Wells interpretiert wird. Ein wirklich galliges Ende des Romans hätte den folgerichtigen Untergang der Menschheit erzählt. Im Gewand der wissenschaftlichen Erklärung leistet sich auch Wells einen Funken Hoffnung. Ist die Lesart des Romanschlusses aber ambivalent, erscheint seine religiöse Ausdeutung in Pals Film, die auf das Motiv der Hoffnung setzt, längst nicht so frevlerisch, wie viele Kritiker behauptet haben.
Die biblische Metaphorik, die sich in Wells’ Roman, aber auch in zahllosen anderen Weltuntergangsszenarien in der Literatur und in Filmen findet, zeigt überdeutlich, dass die biblische Apokalypse in unserem Kulturkreis eine unwiderstehliche Macht auf alle fingierten Weltuntergangsszenarien ausübt. Es scheint fast ausgeschlossen, dass das Weltende nicht in religiö-sen Begriffen verstanden und ausdeutet wird – auch und gerade in der Science-Fiction. „Armageddon“, „Luzifers Hammer“, „Götterfall“, „Höllen-sturz“, „fallende Himmel“, „die Zweite Wiederkehr“, „das Kommende Reich“ – all diese biblischen Begriffe und Anspielungen, die das apokalyp-tische Thema fassen, finden sich in Science-Fiction-Erzählungen, die vom drohenden oder sich vollziehenden Weltende handeln. Einerlei, ob das Ende die Vernichtung, Errettung oder gar Erlösung bedeutet – der Bezug auf die biblische Mythologie dient stets dazu, der Erzählung eine Aura von Gewicht und Würde zu verleihen, und reflektiert den Drang, das Ge-schehen zumindest nebenher auch in religiösen Kategorien zu verstehen: Ist unsere Vernichtung Gottes Wille? Gibt es für uns noch Hoffnung? Dass George Pal in seinem Film dem übermächtigen Bezug zur biblischen Apo-kalypse erlegen ist, ist somit durchaus verständlich.
George Pals christliches Weltverständnis wird in keinem seiner Filme stärker betont als in Kampf der Welten. Viele Kritiker haben Pals naiv bebilderte, dick aufgetragene Religiosität als lächerlich abgelehnt. Ob sie gefällt, ist in der Tat eine Geschmacks- und wahrscheinlich auch eine Glaubensfrage. Allerdings predigt George Pal in keinem seiner Filme – die Religiosität wird als Selbstverständlichkeit hingestellt, aber nie dem Publikum missionarisch eifernd angetragen. Vielmehr reichen Science-Fiction und Religion in Pals Filmen einander wie selbstverständlich die Hand. Oder mit den Worten von John Scalzi: „[Kampf der Welten] ist ein feiner Film, den man jedem zeigen sollte, der glaubt, dass Religion und Wissenschaft (oder zumindest Science-Fiction) einander diametral entgegengesetzt sind“ (The Rough Guide to Sci-Fi Movies, S. 146).
Russen vom Mars?
H. G. Wells’ Kritik am britischen Kolonialismus und dem Überlegenheitsgefühl der viktorianischen Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts hatte über 50 Jahre später kaum noch Relevanz. Als George Pals Film in die Kinos kam, war die britische Weltherrschaft Geschichte, das europäische Abendland war vom Weltkrieg und Holocaust schwer gezeichnet und geschwächt, und die USA befanden sich auf dem Weg zur bedeutendsten Supermacht der Welt. Gleichzeitig herrschte große Verunsicherung und Angst vor einem neuen, die gesamte Welt auslöschenden Krieg – die Atombombe war das alles überschattende Menetekel einer neuen Zeit. Kampf der Welten reflektierte all diese Unsicherheiten und Ängste; die Marsianer symbolisieren hier stellvertretend auch die latente Angst vor einer russischen Invasion, und im Fahrwasser von Kampf der Welten folgte eine Welle weiterer Invasions- und Unterwanderungsfilme im Science-Fiction-Kino der Fünfzigerjahre.
Daneben schält sich mit dem wirkungslosen Einsatz der Atombombe gegen die Aliens in Kampf der Welten noch eine andere, universell gültige Erkenntnis aus H. G. Wells’ Roman heraus: In einem Krieg entscheidet vor allem die technologische Überlegenheit darüber, wer siegreich bleibt. In dieser Hinsicht ist Wells’ Erzählung noch immer die glaubwürdigste aller Alien-Invasionen. Wenn Außerirdische technologisch so hochstehend sind, dass sie die Erde überhaupt besuchen können, ist zu erwarten, dass sie in einem Krieg praktisch unbesiegbar wären. George Pal hat dieses Moment der Erzählung bewahrt. Das Ende der Marsianer durch irdische Bakterien ist demgegenüber, ich sagte es bereits, die eigentliche Unglaubwürdigkeit der Erzählung – bei Wells ist sie die ironisch gebrochene Entlastung des terrorisierten Lesers, bei Pal Exempel für die Wahrheit der christlichen Glaubenslehre.
Kampf der Welten ist George Pals bester Science-Fiction-Film und einer der besten Science-Fiction-Filme der Fünfzigerjahre. Mag man auch über seine naive Religiosität lächeln, über manch wissenschaftliche Schwäche (wie z. B. die „magnetische“ Wirkungsweise der Alientechnologie) die Nase rümpfen und die sichtbaren Drähte der UFOs bedauern – der Film bleibt ein Meilenstein des Genres und ist als grellbuntes Effektfeuerwerk auch heute noch eine Schau.
© Michael Haul
Veröffentlicht auf Astron Alpha am 27. September 2016
Szenenfotos © 1953/1980/2005 Paramount Pictures