Ikarie XB 1

Ikarie XB 1 (CSSR 1963)

 

Regie: Jindřich Polák

Drehbuch: Pavel Juráček und Jindřich Polák, nach dem Roman Gast im Welt­raum (1955) von Stanisław Lem

Darsteller: Zdeněk Štěpánek (Kapitän Vladimír Abajev), Radovan Lukavský (Kommandant MacDonald), František Smolík (Mathematiker Anthony Hopkins), Dana Medřická (Soziologin Nina Kirová), Irena Kačírková (Brigitta), Otto Lackovič (Koordinator Michal), Miroslav Macháček (Marcel Bernard) u. a.

Produzenten: Rudolf Wolf; Ludmila Tikovská, Frantisek Jaderník (assoz. Prod.)

Company: Filmové Studio Barrandov

Premiere: 26. Juli 1963 (CSSR); 25. Oktober 1963 (DDR); 25. November 1964 (USA); 14. Februar 1981 (BRD; TV-Ausstrahlung)

81 Minuten; Schwarzweiß

 

Im Jahr 2163 bricht eine internationale Mannschaft von 40 Männern und Frauen im mächtigen Sternenschiff Ikarie XB 1 zum Alpha Centauri auf, um auf seinen Planeten nach außerirdischem Leben zu suchen. Die Hin- und Rückreise wird für die Raumfahrer 28 Monate dauern – derweil werden wegen der Zeitdilatation auf der Erde jedoch 15 Jahre vergehen. Die Mannschaft vertreibt sich die ereignislose Reisezeit mit Gymnastik, Schachspiel, Filmen und Tanz­aben­den. Trotz­dem wird die lange Trennung von der weit entfernten Erde für alle zu einer psychischen Belastung.

 

In der interstellaren Leere stößt die Expedition auf ein von der Erde stammendes Raumschiff aus dem 20. Jahrhundert. Zwei Ikarie-Kosmonauten untersuchen das Schiffsinnere, in dem sie nur noch mumifizierte Leichen auffinden. Offenbar war die gesamte Besatzung in einem barbarischen Kampf um den knapp gewordenen Sauerstoff vom Kapitän des Schiffs vergast worden; der Kapitän selbst und ein letzter Offizier hatten sich anschließend gegenseitig erschossen. Als einer der beiden Kosmonauten versehentlich eine Atomrakete aktiviert, die sich an Bord befindet, kommen er und sein Kamerad in der Atomexplosion ums Leben.

 

Die Ikarie XB 1 setzt ihre Reise fort und nähert sich allmählich dem Alpha Centauri. Da gerät das Schiff in den Einfluss­bereich eines geheimnisvollen Dunkelsterns, dessen Strahlung die Physiologie der Besatzung angreift. Alle sinken in einen schweren Dämmerschlaf, während der Koordinator Michal, der bei einem Weltraumspaziergang einer erhöhten Dosis der Strahlung ausgesetzt gewesen war, dem Wahnsinn verfällt und das Schiff zu sabotieren droht. Kommandant MacDonald kann Michal schließlich wieder zur Vernunft bringen; bald aber übermannt auch ihn die Schläfrigkeit, und er ist kurz davor, die Expedition abzubrechen und den Schiffscomputer auf den automatischen Rückflug zur Erde um­zu­programmieren. Kapitän Abajev appelliert an ihn, durchzuhalten – dann sinken er und MacDonald bewusstlos zu­sammen.

 

Als die Mannschaft sich nach 25 Stunden wieder erholt, stellt der Mathematiker Anthony Erstaunliches fest: Ein ge­rich­tetes Kraftfeld, abgestrahlt vom „weißen Planeten“ des Alpha Centauri, hat die Ikarie XB 1 gegen den Dunkelstern abgeschirmt, sodass die Besatzung den Vorbeiflug glimpflich überstehen konnte. Das Schiff erreicht den Orbit um den weißen Planeten und setzt zur Landung an. Unter den Wolken des weißen Planeten erblickt die Mannschaft eine gi­gan­ti­sche außerirdische Stadt – die Entdeckung von anderem hochentwickelten Leben im Universum ist geglückt . . .

 

Odyssee zu den Sternen

 

Die Fantastik hat in Osteuropa seit jeher einen hohen Stellenwert, in der Literatur und auch im Kino. Seit den Zwan­zi­ger­jahren und später zu Zeiten des Ostblocks sind eine ganze Reihe wunderbarer Science-Fiction-, Fantasy- und Mär­chenfilme in der Sowjetunion, Polen, der DDR und der Tschechoslowakei entstanden. Ein besonders faszinierendes Werk ist das tschechische Raumfahrtabenteuer Ikarie XB 1, inszeniert von  Jindřich Polák (1925–2003), der in Deutsch­land vor allem als Regisseur der TV-Kinderserien Pan Tau (1970–78) und Luzie, der Schrecken der Straße (1980) bekannt wurde. Ikarie XB 1 ist eine ambitionierte, prächtig ausgestattete Space Opera, zugleich nüchterne Hard-SF  – und da­mit ein Hochgenuss für jeden Aficionado. Die großzügigen und blitzsauberen Bühnenbauten vom Inne­ren des Raum­schiffs – geometrische Linien und Formen, weitläufige Räume und Korridore, Plexiglasröhren und blin­ken­de Apparatu­ren – verströmen eine wundervolle futuristische Atmosphäre, und die Modellaufnahmen der Raum­schif­fe, Raumstatio­nen und Planeten im All, untermalt mit elektronischen Sounds, sind, gemessen am damaligen Stand der Tricktechnik, auf höchstem Niveau. Auch die Schauspieler gefallen ausnahmslos. Sie stellen keine unglaubwürdigen Action­helden, sondern nüchterne Wissenschaftler und Spezialisten dar, und in entsprechend realistischer Manier verkörpern sie ihre Rollen. Als Menschen aus Fleisch und Blut sind sie nachvollziehbar und symphatisch.

Szenenfoto aus dem Film "Ikarie XB 1" (CSSR 1963)
Lange Korridore, eine kühle technische Umgebung – An Bord der Ikarie XB 1

 Der Film vermählt die Pulp-SF mit dem Kunstkino: Thematisch und visuell ist Ikarie XB 1 stark in den naiven russischen und amerikanischen Space Operas der Fünfzigerjahre verwurzelt, gleichzeitig strebt der Film jedoch energisch nach intellektuellem Anspruch. Eine Rolle dürfte dabei der literarische Einfluss von Stanislaw Lem gespielt haben, auf des­sen Roman Gast im Weltraum (1955) der Film fußt – obwohl Lem selbst, mit dem Jindřich Polák 1961 in Kontakt trat, wenig Interesse an dem geplanten Filmprojekt hatte und kaum Lust verspürte, Poláks viele Fragen zu beantworten. Inhaltlich lehnt sich der Film nur locker an Gast im Weltraum an und greift im Wesentlichen nur die Grundidee des Ro­mans auf, indem er die jahrelange, psychisch belastende Fahrt eines großen Sternenschiffs zum Alpha Centauri erzäh­lt. Von dieser Grundidee abgesehen findet sich vom Inhalt des Romans im Film nur noch die Entdeckung eines amerika­nischen Raumschiffwracks und der Weiße Planet als Ziel der Reise wieder. In allem anderen – der konkreten Handlung, den Protagonisten, ihren Namen und den Dialogen – geht das Drehbuch eigene Wege. Polák selbst ersann auch den Namen des Raumschiffs (das in Lems Roman noch Gea hieß), wobei sich Ikarie, tschechisch für „Ikarus“, von selbst erklärt, das XB 1 hingegen keinen tieferen Sinn hat und nur hinzugefügt wurde, um den mythischen Namen mit einem technisch klingenden alphanumerischen Code zu konstrastieren.

 

Durch Ikarie XB 1 weht ein Hauch der cineastischen Avantgarde – die Nouvelle Vague eines Jean-Luc Godard oder François Truffaut warf ihre Strahlen offenbar bis nach Prag. Die exzellente Kameraführung von Jan Kališ, die den langen Flucht­linien schwach beleuchteter Korridore folgt oder den Menschen als Marginalie an den Bildrand rückt, um die Leinwand ganz mit dem kühlen, geometrischen Design der künstlichen Schiffsumgebung zu füllen, deutet ebenso darauf wie die betont distanzierte Inszenierung und Zdeněk Liskas elektronische, extrem futuristisch klingende Musik, die hart und dissonant das Menschenfeindliche der Expedition unterstreicht. Liskas Musik ist brillant. Sie ist gewiss vom revolutio­nären elektronischen Score von Bebe und Louis Barron für Alarm im Weltall (1956) beeinflusst, doch tritt sie in Ikarie XB 1 in einen völlig anderen ästhetischen Gesamtzusammenhang.

 

Der Versuch, das Science-Fiction-Kino zu einer ernsthaften Aussage zu treiben und in ihm über die Zukunft der raum­fahrenden Menschheit zu meditieren, wird schließlich in den vielen philosophischen Dialogen deutlich – wenn diese auch allzu plakativ formuliert werden. „Im Grunde genommen sind wir nur Hinterwäldler im Kosmos“, sagt ein Mann­schafts­mitglied, nachdem der Mathematiker Anthony erklärt hat, dass die Erde nur eine Randlage in der Galaxis ein­nimmt, 26.000 Lichtjahre vom Zentrum der Galaxis entfernt. Den Zweifel am Sinn des Aufbruchs ins All formuliert MacDonald, als er zu Michal sagt: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendwo so sein könnte wie auf der Erde“. Am Heimweh nach der Erde leiden alle, und als jemand nach einer Weile fragt, ob die Erde überhaupt noch zu sehen ist, und Anthony lapidar mit „nein“ antwortet, verfehlt das nicht seine unbehagliche Wirkung.

 

Die interstellare Weite wird in Ikarie XB 1 weitgehend realistisch gehandhabt, ja, sie wird zu einem wesentlichen Hauptmotiv der Handlung. Die Mannschaft fliegt mit Fast-Lichtgeschwindigkeit zum 4,34 Lichtjahre entfernten Dop­pelstern Alpha Centauri und benötigt für die Reise mehr als zwei Jahre, während auf der Erde 15 Jahre vergehen. Die Zeit­dilatation spielt in verfilmten Space Operas fast nie eine Rolle, sondern wird bequem mit dem Konzept des Hyper­raums oder mit Wurmlöchern in der Raumzeit umschifft. Hier wird sie als physikalische Realität akzeptiert und in ihrer Auswirkung auf die Menschen problematisiert. Zum ersten Mal in der Geschichte des Science-Fiction-Kinos werden die menschlichen Beziehungen und psychischen Belastungen einer Mannschaft, die über Jahre in einem Sternenschiff eingeschlossen ist, in den Mittelpunkt der Handlung gestellt. Deshalb machen sogar die häufig gescholtenen Tanz­szenen zu den Klängen futuristischer Rhythmen durchaus Sinn, mehr Sinn jedenfalls als in Raumpatrouille Orion (1966), an die man sich unweigerlich erinnert fühlt: Der Film will das tägliche Leben während der langen Reise darstellen, auf der es in Hinblick auf die Mission selbst kaum etwas zu tun gibt, und Unterhaltung spielt da selbstverständlich eine zentrale Rolle. Ein anderer nachvollziehbarer Zeitvertreib ist der Sport – auch wenn die athletischen Szenen in der Gymnastikhalle typisch für einen Ostblockfilm ausfallen und die propagandistische Folie vom kommunistischen „neuen Menschen“, der sich nicht nur geistig, sondern auch körperlich vervollkommnet, nicht verleugnen können. Philip Strick merkte dazu allerdings auch selbstkritisch die Defizite der westlichen Sicht an:

 

Sport wird als Resultat einer zunehmend von Freizeit geprägten Existenz ein wichtiger Teil der Zukunft der Menschheit werden, aber wo Filme wie Ikarie XB 1 eine gewisse Betonung auf die physische Fitness aller Menschen legen, nehmen die Filme des Westens das Thema kaum in den Blick – oder sehen es nur gladiatorisch wie in Das zehnte Opfer oder Rollerball. (Science Fiction Movies, S. 141)

 

Immerhin verweisen die halbnackten Athleten in der Gymnastikhalle nebenher auf ein weiteres interessanteres Merk­mal des prognostizierten sozialistischen 22. Jahrhunderts: der offene und ungezwungene Umgang der Geschlechter miteinander, der am gewagtesten im gemischtgeschlechtlichen Duschen angedeutet wird. Auch auf der Ikarie XB 1 haben die Männer noch immer das Kommando, ansonsten aber sprechen und agieren Frauen in ihren spezialisierten Aufgaben auf Augenhöhe mit den Männern. Auch hier ist die Diskrepanz zum zeitgenössischen westlichen Science-Fiction-Kino enorm. Der Film vermeidet die primitive Standardsituation, mit der ein amerikanischer Film mit ähnlicher Thematik unweigerlich aufgewartet wäre: der Kampf zweier Alphatiere um die attraktive Frau, die, mag sie auch Wissenschaftlerin sein, unhinterfragt in ihre ausschließliche Rolle als Ehegattin und Mutter zurückverwiesen wird. An ihrer Stelle steht das utopische Versprechen einer Gesellschaft, in der alle, Vorgesetzte wie Untergebene, Frauen wie Männer, friedliebend zum Wohle aller kooperieren – ein Versprechen, das Ikarie XB 1 mit den meisten osteuropäischen Science-Fiction-Filmen und -Romanen teilt.

 

Harsche Kritik zieht demgegenüber „das 20. Jahrhundert“ auf sich – womit die überwundene Kulturstufe des Kapita­lismus und damit vor allem der dekadente und machtgierige Westen gemeint ist. Das düstere, nur noch von grausigen Leichen bevölkerte Raumschiff aus dem Jahre 1987, das in einer wundervoll unheimlichen Sequenz von zwei Kosmo­nau­ten inspiziert wird, präsentiert ein Zerrbild kapitalistischer Lebensart: Die Besatzung starb in Frack und Abendkleid am Casinotisch und hat sich im egoistischen Kampf um Sauerstoff selbst ermordet; das Menetekel ihrer Existenz, die Atombombe, hat sie mit sich ins All hinausgeführt, um auch dort mit nuklearem Schrecken herrschen zu können. Kapitän Abajev verabscheut die toten Vorfahren, „Tiere“ und „Verbrecher“, wie er sagt, „die uns Auschwitz hinterlassen haben“. Kommandant MacDonald legt dennoch ein gutes Wort für die Vergangenheit ein und verweist darauf, dass das 20. Jahrhundert immerhin auch herausragende Leistungen in den schönen Künsten hervorgebracht habe. Men­schen des Westens mögen erneut „Pfui Teufel – Propaganda!“ ausrufen, doch lässt sich die brillante Umsetzung und durchschlagende Wirkung dieser Sequenz nicht leugnen. Erneut wird die kühne Mischung aus Pulp und Anspruch deutlich: Gestaltet ist die Sequenz an Bord des Raumschiffwracks mit den klassischen Mitteln des Horrorfilms, doch wird sie effektvoll mit einer poli­tischen Allegorie und Aussage verschränkt. „Viele Raumfahrtfilme haben eine Anti-Atomkriegs-Botschaft“, merkt Glenn Erickson dazu an, „aber diese ist vielleicht die dramatischste“ (DVD Savant Review: Ikarie XB 1 vom 7. März 2006).

Szenenfoto aus dem Film "Ikarie XB 1" (CSSR 1963)
Die Ikarie XB 1 auf dem Weg zum Alpha Centauri

Am Ende ist die Odyssee der Ikarie XB 1 von Erfolg gekrönt: Die Mannschaft erreicht ihr wissenschaftliches Ziel und entdeckt buchstäblich die Zukunft, eine außerirdische, hochentwickelte Zivilisation, von der, so steht zu erwarten, die Menschheit lernen wird, um intellektuell und ethisch weiter zu reifen und in die galaktische Gemeinschaft mit anderen Zivilisationen einzutreten. Symbolisch wird dies mit der Geburt des ersten Menschenkindes unterstrichen, das nicht auf der Erde, sondern zwischen den Sternen das Licht der Welt erblickt.

 

Es ist interessant, dass Roger Corman, der den Film in den USA für American International einkaufte und in einer auf 62 Minuten gestrafften Fassung unter dem Titel Voyage to the End of the Universe vermarktete, das utopische Ende ab­schnitt und durch ein anderes ersetzte: In der US-Fassung ist der „Weiße Planet“ ein „Grüner Planet“, und statt einer außerirdischen Stadt sieht die Mannschaft beim Landeanflug Manhattan und die Freiheitsstatue (für einen detaillier­ten Vergleich der tschechischen mit der amerikanischen Fassung konsultiere man die bereits erwähnte Besprechung von Glenn Erickson). Der Effekt ist billig und dumm, auch wenn er dem Ende von Franklin J. Shaffners Planet der Affen (1968) bereits vorgreift, vor allem aber ist er offenbar nur deshalb eingefügt worden, um die optimistische Utopie einer friedfertig nach Wissen strebenden Menschheit der Zukunft zu tilgen – eine Utopie, die zwar mit einigem Recht als kommunistische Propaganda identifiziert werden darf, damit aber keineswegs an sich diskreditiert ist.

 

Ikarie XB 1 hat, wie bereits erwähnt, trotz seiner Eigentümlichkeiten viele Motive und Gadgets aus vorangegangenen Space Operas entlehnt. Am augenfälligsten dürfte Anthonys Roboter Patrick sein, eine unverkennbare Kopie von Robby, dem Roboter aus Alarm im Weltall (1956). Ein anderes Motiv ist die Videokonferenz, bei der der Kommandant und seine auf der Erde zurückbleibende Frau voneinander Abschied nehmen – ähnlich war dies beispielsweise bereits in Byron Haskins’ Die Eroberung des Weltalls (1955) zu sehen. Von größerem Gewicht aber ist die Inspiration, die von Ikarie XB 1 selbst auf das Genre ausging. So wurde schon oft spekuliert, dass der Film maßgeblich Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum (1968) beeinflusst habe. In der Tat ist der Vergleich naheliegend: Ikarie XB 1 ist ähnlich am­bitioniert, schildert wie 2001 den Aufbruch ins All als radikalen Bruch des Menschen mit seinem bisherigen Sein, wäh­rend er sein Leben auf Gedeih und Verderb einem Kokon aus Technologie anvertraut, in beiden Filmen gibt es ein „Sternenkind“, und schließlich finden sich in den antiseptischen Bühnenbauten auch visuell viele Parallelen. Philip Strick plädiert darüber hinaus in seinem bereits erwähnten Buch Science Fiction Movies (S. 140) für Einflüsse auf An­drei Tarkovskys Solaris (1972) und John Carpenters Dark Star (1974). Daneben erinnert Ikarie XB 1 auch an viele andere Space Operas – die engsten Parallelen finden sich in Raumpatrouille Orion (1966), doch sorgt hier vermutlich schon die zeitliche Nähe beider Produktionen für starke Ähnlichkeiten. Andere Vergleiche, die gezogen wurden, beispielsweise zu Gene Roddenberrys Star Trek (1966–69), sind weniger zwingend.

Szenenfoto aus dem Film "Ikarie XB 1" (CSSR 1963)
Die Brücke auf der Ikarie XB 1

Natürlich hat Jindřich Poláks Film auch Schwächen aufzuweisen. Im letzten Drittel ist der Film recht zäh und schleppt sich nur mit Mühe dem Landeanflug auf den weißen Planeten entgegen, der als abschließender Höhepunkt dann überraschend kurz abgehandelt wird. Und obwohl Ikarie XB 1 der Hard-SF zuzurechnen ist, leistet sich der Film einige unwissenschaftliche Drolligkeiten. So beschleunigt das Raumschiff nur so lange, bis es das Sonnensystem verlassen hat, und dieser Vorgang scheint nur wenige Stunden zu dauern! Danach schalten die Triebwerke ab, und das Schiff schießt weiter in die interstellare Nacht hinaus. Eine kontinuierliche Beschleunigung auf der ersten Hälfte der Reise­route wäre das technisch glaubwürdigere Szenario; danach müsste das Schiff auf der zweiten Hälfte der Route konti­nuierlich abbremsen. Ferner ist es für einen fast lichtschnellen Interstellarflug aufgrund der dafür benö­tig­ten giganti­schen Energiemengen unabdingbar, möglichst nicht vom vorher genau berechneten Flugplan abzuweichen. Auf ihrem Flug hätte die Ikarie XB 1 also kaum die Fahrt verlangsamen können, um im Vorbeiflug ein Raumschiffwrack zu unter­suchen.

 

Doch das sind Nebensächlichkeiten. Insgesamt ist Ikarie XB 1 eine der besten Space Operas der Sechzigerjahre, die mit ihrer kompromisslosen Konzentration auf den langen, zermürbenden Interstellarflug einzigartig dasteht. Das Werk kann mit seinem wunderschönen Design, sehr guten Schauspielern und der bemerkenswerten Mischung aus Pulp-SF, Avantgarde und intellektuellem Anspruch noch heute jeden ausgewiesenen Science-Fiction-Fan begeistern. Ein Meis­ter­werk!

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 1. Februar 2016

Szenenfotos © Ostalgica