Flight to Mars (USA 1951)
Regie: Lesley Selander
Drehbuch: Arthur Strawn
Darsteller: Arthur Franz (Dr. Jim Barker), Cameron Mitchell (Steve Abbott), Virginia Huston (Carol Stafford), Marguerite Chapman (Alita), Morris Ankrum (Ikron), John Litel (Dr. Lane), Richard Gaines (Prof. William Jackson), Robert H. Barrat (Tillamar), Lucille Barkley (Terris), William Forrest (General Archer) u. a.
Produzent: Walter Mirisch
Company: Monogram Pictures
Premiere: 11. November 1951 (USA)
Laufzeit: 72 Minuten; Farbe
Unter strikter Geheimhaltung hat das US-Militär die erste Raumfahrtmission der Menschheit zum Mars vorbereitet. Erst am Tage vor dem Start wird die Weltöffentlichkeit von dem kühnen Unternehmen unterrichtet. Chef der Mission ist der Ingenieur Dr. Jim Barker. Mit ihm fliegen drei weitere Wissenschaftler, darunter eine Frau, und ein Reporter, der über die Mission berichten soll.
Der Raketenstart gelingt ohne Probleme, auch der schwierige Vorbeiflug am Mond wird von der Mannschaft gemeistert. Als später ein Meteoritenschauer Teile der Rakete beschädigt, die für eine weiche Landung notwendig sind, sehen sich die Astronauten vor die Wahl gestellt, zur Erde zurückzukehren oder aber auf dem Mars bruchzulanden – mit der Chance, dort noch wissenschaftliche Erkenntnisse zu sammeln und diese zur Erde abzusetzen, allerdings auch mit der Aussicht, den Mars nie wieder verlassen zu können. Die Crew entscheidet sich für Letzteres.
Die Mannschaft überlebt die Bruchlandung auf dem roten Planeten unbeschadet. In der Nähe vom Wrack ihrer Rakete entdecken die Astronauten eine alte marsianische Stadt und staunen nicht schlecht, als sie prompt von einer Gruppe Marsianer – die haargenau wie Menschen aussehen und sich auch so benehmen – freundlich im Empfang genommen werden. Die Marsianer erklären, schon seit langer Zeit unter dem Marsboden zu leben, und führen die Menschen in ihre futuristische, unterirdische Stadt. Sie sichern den Menschen zu, ihnen bei der Reparatur ihrer Rakete zu helfen und ihnen so die Rückkehr zur Erde zu ermöglichen. Im Gegenzug wollen die Marsianer von der Raumfahrttechnik der Menschen lernen. Niemand von den Astronauten ahnt, dass die Führung der Marsianer zerstritten ist und ihr Präsident Ikron einen finsteren Plan verfolgt . . .
Aufbruch ins Science-Fiction-Zeitalter
Nach den bahnbrechenden Raumfahrtfilmen Endstation Mond (1950) und Rakete Mond startet (1950), den Urvätern des modernen Science-Fiction-Films der Nachkriegszeit, entstand ein Jahr später Flight to Mars, der dritte Beitrag Hollywoods zum großen Thema „Raumfahrt“. Der Aufbruch ins All war damals hochaktuell, da er durch die Fortschritte in der Raketentechnik zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit zum Greifen nahe schien. Schon wenige Jahre später, 1957, gelang es der Sowjetunion, mit dem Start des ersten Satelliten „Sputnik“ den alten Traum der Raumfahrt wahr zu machen. Im Kino aber eroberten schon Jahre vor „Sputnik“ die Amerikaner das All. Endstation Mond, Rakete Mond startet und Flight to Mars waren die frühen Pioniere – ihnen folgten in den Fünfzigerjahren zahlreiche weitere Raumfahrtfilme.
Flight to Mars – der ausweislich der IMDb bis 1953 auch in Ländern wie Japan, den Philippinen und Finnland, nie jedoch in Deutschland im Kino lief – atmet denselben Geist wie seine beiden Vorgängerfilme: Die wagemutigen Raumfahrer, die die Rakete rührend sorglos besteigen, sind erfüllt von naiver Begeisterung und Entdeckerfreude und schwelgen pathetisch in der Aussicht, in die unbekannte Finsternis des Weltalls und zu neuen Welten vorzudringen. Aber während Endstation Mond noch darauf abzielte, den Flug zum Mond wissenschaftlich so genau wie möglich darzustellen, das Publikum quasi von der tatsächlichen Machbarkeit des Unternehmens zu überzeugen und somit offensiv für die Raumfahrt zu werben, wodurch der Film leider auch reichlich nüchtern und dramaturgisch stocksteif ausfiel, wird in Rakete Mond startet und in Flight to Mars die technologische Seite des Unternehmens bereits als glaubwürdig genug vorausgesetzt und mit flüchtig eingestreutem science babble abgetan, der tatsächlich haarsträubender Unsinn ist. Dafür reichern beide Filme ihren Plot mit fantastischen Science-Fiction-Storys an, in denen der Mars eine von intelligenten Wesen bevölkerte, faszinierend fremdartige Welt ist und die Menschen spannende Auseinandersetzungen mit den Marsianern zu bestehen haben. Nun, wie faszinierend und wie spannend das Ganze am Ende wirklich ausfiel, ist freilich eine andere Frage. Flight to Mars macht da leider nur einen mäßigen Eindruck.
Die Produktion
Flight to Mars wurde von Monogram Pictures produziert, einem der langlebigsten Poverty-Row-Studios seiner Zeit. 1932 gegründet, machte sich das Studio über die Jahre mit seinen solide produzierten Billigfilmen einen Namen. 1953 wurde Monogram in Allied Artist umgetauft, widmete sich von da an auch der Produktion höherwertigerer Filme und konnte sich noch bis Ende der Siebzigerjahre erfolgreich am Markt behaupten.
Produzent bei Monogram von Flight to Mars war kein Geringerer als Walter Mirisch (geb. 1921), der sich in den folgenden Jahren zu einem der erfolgreichsten und einflussreichsten Filmproduzenten Hollywoods mausern sollte. 1957 gründete er mit seinen Brüdern Harold (1907–1968) und Marvin (1918–2002) die unabhängige Produktionsfirma Mirisch Corporation, mit der er von der Kritik hochgelobte und oft Oscarprämierte Filme wie zum Beispiel Manche mögen’s heiß (1959), Die glorreichen Sieben (1960), West Side Story (1961), Gesprengte Ketten (1963), Der rosarote Panther (1963), Hawaii (1966), In der Hitze der Nacht (1967) und Thomas Crown ist nicht zu fassen (1968) produzierte. Für In der Hitze der Nacht erhielt Walter Mirisch 1968 selbst den Oscar für den besten Film. Auch später wurde er mit vielen Ehrungen und Preisen bedacht. Überdies war er mehrfach Präsident der Producers Guild of America und der Oscarverleihenden Academy of Motion Picture Arts and Sciences. Neben all den glanzvollen Triumphen von Walter Mirisch nimmt sich Flight to Mars freilich ausgesprochen ärmlich aus – so ärmlich, dass es fast schwer fällt zu glauben, dass der Film tatsächlich unter Mirischs Aufsicht entstanden ist.
Womöglich war Mirisch in ästhetischer Hinsicht kaum an dem Schnellschuss interessiert, der in gerade einmal fünf Tagen gedreht wurde (und übrigens, entgegen mancher im Internet zu findenden Behauptungen, nicht im Death Valley, sondern komplett in Monograms Filmstudio entstand; es gibt in Flight to Mars keine einzige im Freien gedrehte Szene). Desinteressiert war offenbar auch Regisseur Lesley Selander (1900–1979), der sich in seiner langen Karriere mit über einhundert B-Western hervortat und ab Mitte der Fünfzigerjahre auch Episoden für TV-Serien wie zum Beispiel Lassie inszenierte. In Flight to Mars liefert er lediglich Dienst nach Vorschrift ab. Seine Regie und die Kameraarbeit von Harry Neumann (1891–1971) wirken bleiern und leblos: Es gibt keine close ups, keine interessanten Kamerafahrten oder Kamerawinkel und keine Akzente in der Ausleuchtung. Selbst die wenigen Actionszenen in den letzten zwei, drei Minuten des Films wirken steif und lethargisch.
Freilich hatten alle Beteiligten damit zu kämpfen, ein extrem stumpfes und einfallsloses Drehbuch umzusetzen, bei dem sich Drehbuchautor Arthur Strawn (1900–1989), immerhin Autor des geachteten Boris-Karloff-Thrillers Das schwarze Zimmer (1935), nicht mit Ruhm bekleckert hat. In der ersten Hälfte erzählt der Film das technologische Wunder der ersten Fahrt ins All und kopiert dabei minutiös die Motive und Klischees, die seine beiden Vorgänger Endstation Mond und Rakete Mond startet dafür geprägt haben. Auf dem Mars schließlich hofft der Zuschauer vergeblich auf ein fantastisches Abenteuer, das sich in einer futuristischen Marsstadt tief unter dem Marsboden abspielt. Stattdessen rutscht der Film in ein banales, lauwarmes Drama ab, das sich um die finsteren Pläne der Marsianer und die unglaubwürdige Liebesgeschichte zwischen dem irdischen Wissenschaftler Jim Barker (Arthur Franz) und der marsianischen Wissenschaftlerin Alita (Marguerite Chapman) dreht und sich komplett in den wenig eindrucksvollen Räumen und Korridoren der Marsstadt abspielt. Bill Warren (geb. 1943) beschreibt seine Erfahrung mit dem Film so:
Als ich im Alter von neun Jahren zum ersten Mal Flight to Mars sah, war ich recht entzückt vom Trip zum roten Planeten und war sehr beeindruckt von der Notlande-Sequenz. ( . . . ) Aber ich hätte nicht mehr enttäuscht sein können, als die Marsianer erschienen. Sie waren einfach menschliche Wesen, Schauspieler, die die alten Endstation Mond-Druckanzüge trugen. Der führende Marsianer, Ikron (Morris Ankrum ohne seinen gewohnten Schnurrbart) sprach sogar fehlerfreies Englisch, das er von unseren Radio- und Fernsehsendungen gelernt hatte. Er wusste sogar, dass die Erdlinge kommen würden. Unsere Helden wurden in die marsianischen Untergrund-Städte eskortiert, wo eine lange Einstellung von fliegenden Autos und „futuristischen“ Bauwerken wissenschaftliche Wunder versprach, die später nicht eingelöst wurden. Der Rest des Films besteht zum größten Teil aus Hin- und Hergelaufe in Korridoren; sogar die Charaktere selbst erfasst derart die Langeweile, dass sie eine Partie Bridge spielen, mit Sicherheit eine Premiere in einem Science-Fiction-Film. (Keep Watching the Skies!, S. 282)
In der Kritik kommt der Film ausgesprochen schlecht weg. Die Daily Variety vom 7. November 1951 nannte ihn, wie Glenn Errickson in seiner Besprechung auf seiner Webseite DVD Savant erwähnt, „außerordentlich fade“; er selbst bezeichnet ihn als „stumpfsinnig und rückwärtsgewandt“. Alan Frank sah in dem Film einen „wackligen Comicstrip mit schauderhaften Dialogen, armseligem Schauspiel und einer Ausstattung, die die marsianische Zivilisation aussehen lässt, als wäre sie aus Pappausschnitten von Cornflakes-Schachteln gebaut worden“ (The Science Fiction and Fantasy Film Handbook, S. 59). Phil Hardy in seiner Science Fiction Filmenzyklopädie meinte gar, der Film sei „eine der schlechtesten Space Operas der fünfziger Jahre“ (S. 135). Und Adam Tyner auf DVD Talk grantelte, der Film sei ein „unendlicher Langweiler“.
Alles wahr. Irgendwo. Und trotzdem verströmt dieser kleine, bunte Streifen einen ganz besonderen Flair, eine nahezu pompöse Nostalgie und Naivität, wie man sie nur in einem Science-Fiction-Film der Fünfzigerjahre genießen kann. Entweder man liebt es – oder langweilt sich zu Tode. Aus heutiger Sicht wirkt der Film natürlich extrem angestaubt, ist in seinen Vorstellungen über die zukünftigen Technologien lächerlich und fordert mit seinem schleppenden Tempo und seiner hölzernen Dramaturgie einige Geduld ab. Dennoch vermag er für Nostalgiker einen gewissen Charme zu entfalten.
Der Film ist in Farbe gedreht, was dem fantastischen Setting der unterirdischen Marsstadt sehr zugute kommt. Infolge des verwendeten Cinecolor-Verfahrens, das nur mit zwei Farbemulsionen operiert und daher Probleme bei der Darstellung von Grüntönen hat, dominieren allerdings klar die Rot-, Rosa- und Orangetöne. Auch Glenn Errickson, der immerhin viele Jahre als Cutter in Hollywood tätig war und mit filmtechnischer Hardware bestens vertraut ist, geht in seiner oben erwähnten Rezension von Cinecolor aus. Neuerdings sind im Internet allerdings Behauptungen aufgetaucht, der Film sei in Supercinecolor gedreht worden, eine Weiterentwicklung von Cinecolor, die bereits mit drei Farbemulsionen arbeitet und z. B. auch bei William Cameron Menzies Invasion vom Mars (1953) verwendet worden ist. Supercinecolor wird auch im IMDb-Eintrag zum Film angegeben, doch ist die IMDb nicht immer zuverlässig. Mir ist es nicht möglich, die widersprüchlichen Angaben zum Farbverfahren zu verifizieren.
An Cornflakes-Schachteln hatte ich beim Anschauen des Films nicht gedacht, aber die Bühnenbilder für die unterirdische Marsstadt lassen schon überdeutlich erkennen, dass sie aus lackierten Sperrholzplatten konstruiert sind. Manchmal knarren sogar die Fußböden, wenn die Erdlinge oder Marsianer durch die engen Korridorfluchten schreiten. Die Sets sind außerordentlich eng; die karge Ausstattung der kleinen Räume beschränkt sich auf wenige „futuristische“ Plastikstühle, Tische und Büroschränke sowie ein paar elektrotechnische Apparate, die als wissenschaftliche Gadgets ausreichen müssen. Die bunten Satinkostüme der Marsianer im Flash-Gordon-Stil sind direkte Entlehnungen aus Comicheften: Die Damen tragen verwegen abstehende, spacige Schulterpolster, die Herren große grafische Embleme auf der schwarz gewandeten Brust, Stiefel und zweigeteilte, knallrote Capes.
Neben der schneebedeckten Landschaft des Mars und dem monolithischen Bauwerk, auf das die Raumfahrer auf der Oberfläche stoßen, sind es vor allem die pulpigen matte paintings und backdrops, die dem Science-Fiction-Fan fantastisches Augenfutter liefern: Ruinen, die im Hintergrund des Monolithen in den Himmel aufragen; das Panorama der futuristischen Stadt unter der Marsoberfläche mit schwebenden Straßentrassen und vorbeizischenden Flugmobilen; ein großes Raketenhangar mit einer sich schließenden und öffnenden Dachkuppel.
Flair entwickeln auch die wenigen Szenen mit der glatten, metallisch glänzenden und geflügelten Rakete, die funkensprühend startet, durchs All fliegt oder in einer marsianischen Modellbaulandschaft bruchlandet. Es ist ziemlich deutlich zu sehen, dass das recht kleine Modell der Rakete wackelig an Fäden gezogen wurde, während die sprühenden Funken an ihrem Heck dichte Qualmwolken aufsteigen lassen, und auf den heutigen Betrachter wirken die Effekte billig und lächerlich. Allerdings: Ansichten des im Weltraum dahinzischenden Raumschiffs sind genau die Szenen, die der Science-Fiction-Fan damals wie heute in einem Raumfahrtfilm unbedingt sehen will, und für die damalige Zeit sind sie technisch recht passabel gelöst worden. Sowohl das Raketenmodell als auch die matte paintings sind in einigen späteren Science-Fiction-Filmen wiederverwendet worden, zum Beispiel Killers from Space (1954; die Malerei der Marsstadt) oder It! The Terror from Beyond Space (1958; das Raktenmodell).
Der Vorspann des Films schreibt die Spezialeffekte Jack Cosgrove (1902–1965) zu, der schon die fotografischen Spezialeffekte in Vom Winde verweht (1939) und einer ganzen Reihe weiterer Klassiker bewerkstelligt hatte; später hatte er auch in einigen Science-Fiction-Produktionen wie Invasion vom Mars (1953) oder In den Krallen der Venus (1958) mitgewirkt. Es ist jedoch bekannt, dass tatsächlich die im Vorspann nicht genannten Effektetüftler Jack Rabin (1914–1987) und Irving Block (1910–1986) die Spezialeffekte von Flight to Mars besorgten. Rabin und Block haben in den Fünfzigerjahren in zahlreichen Science-Fiction-Filmen die Spezialeffekte und mattes erstellt, und Block erlangte darüber hinaus ewigen Ruhm unter Science-Fiction-Fans, da er an der Ausarbeitung der Story für den glänzenden Genreklassiker Alarm im Weltall (1956) beteiligt gewesen war.
Die schauspielerischen Leistungen sind für einen B-Movie mit einem schwachen Skript, das nur schematische Charaktere und gestelzte Dialoge bietet, völlig akzeptabel. Virginia Huston (1925–1981), die schon im brillanten Noir-Klassiker Goldenes Gift (1947) an der Seite von Robert Mitchum geglänzt und in Tarzan und die Dschungelgöttin (1951) neben Lex Barker eine reizende Jane gespielt hatte, agiert als Carol Stafford adrett und professionell. Selbiges gilt für Marguerite Chapman (1918–1999), eine erfolgreiche B-Movie-Schauspielerin der Vierziger, die hier Alita mimt und vier Jahre später Tom Ewells Sekretärin in Das verflixte 7. Jahr (1955) spielen sollte. Obgleich sie die erotische Verlockung des irdischen Wissenschaftlers spielt, hinterlässt sie einen geringeren Eindruck als Huston. Der Science-Fiction-Fan freut sich, dass gern gesehene Genrestars wie Arthur Franz (Invasion vom Mars, Auf U-17 ist die Hölle los) und Morris Ankrum (Rakete Mond startet, Invasion vom Mars, Fliegende Untertassen greifen an, Kronos) mitspielen. Letzterer verkörperte für gewöhnlich markige Generäle oder Raumfahrtdirektoren. Man möchte fast schreien, als er hier plötzlich mit weiteren Marsianern in quietschbunten Raumanzügen auftaucht – die, wie im obigen Zitat von Bill Warren bereits angemerkt wurde, aus Endstation Mond wiederverwendet wurden – und sich als Präsident der Marsianer vorstellt!
Die Frauen, die Männer und andere Merkwürdigkeiten
Sex verkaufte sich schon immer gut, und die sonst so prüden Fünfziger machen da keine Ausnahme. Die marsianischen Frauen mögen einer weit vorausgeschrittenen Zivilisation entstammen – aber sie sind nichtsdestrotrotz Lichtjahre von der Emanzipation entfernt. Sie sind allesamt jung, schlank und schön wie Mannequins, tragen gewagt kurze Miniröcke sowie High Heels und stellen mit Liebreiz ihre endlos langen nackten Beine zur Schau. Bereits hier, in einem der ersten Raumfahrtfilme der Fünfziger, wurde das Weltall mit den feuchten Träumen des männlichen Publikums bevölkert – ein Frauenklischee, das in den folgenden Jahren und Jahrzehnten immer wieder in den Science-Fiction-Filmen Hollywoods wiederkehren sollte.
Die marsianischen Mannequins verkörpern sexuelle Wunschträume. Die bodenständige Frau von der Erde, in diesem Fall Carol Stafford, bildet dagegen das Ideal des häuslichen Weibes ab. Die Unterwürfigkeit und das unhinterfragte Selbstverständnis der angetrauten Ehefrau als Haushälterin, Kindererzieherin und Ehepflegerin ist für den Mann der Fünfzigerjahre nicht minder wünschenswert wie Traummaße und blendendes Aussehen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, in dem die Frauen sich auf den Arbeitsplätzen der in den Krieg gezogenen Männer bewährt und von daher ein neu erstarktes, unabhängiges Selbstbewusstsein erlangt hatten, waren die Männer darauf aus, ihre althergebrachte Dominanz im Geschlechterkampf wiederherzustellen und zu verteidigen. Die Vorstellung, dass die Frauen den Männern ihre Machtpositionen streitig machen könnten, war ein Schreckgespenst, das so furchteinflößend war, dass es schlicht als widernatürlich negiert wurde. Die emanzipierte Frau wurde als „unweiblich“ stigmatisiert, als ein Wesen, das gegen seine gottgegebene Natur und Bestimmung rebelliert. Mit unverhülltem Chauvinismus zogen die Männer in den Science-Fiction-Filmen der Fünfzigerjahre gegen ledige, selbstständig denkende Frauen zu Felde, deren Ambitionen auf Unabhängigkeit regelmäßig als törichte Verirrungen vom rechten Weg hingestellt und überlegen belächelt wurden. Das Ideal des häuslichen, sich unterordnenden Weibes wurde gehandhabt, als sei es unhinterfragbar, und es wurde so getan, als kreise auch das Denken einer jeden Frau in letzter Konsequenz eben doch nur darum, diesem Ideal, der eigentlich wahrhaftigen „weiblichen Natur“, zu entsprechen.
Mag die Frau wie Carol Stafford in Flight to Mars daher eine noch so hoch gebildete, namhafte und ehrgeizige Wissenschaftlerin sein – letztendlich erträumt sie sich trotzdem, so die Doktrin, als höchstes Frauenglück nichts sehnlicher als einen Ehemann, einen Haushalt und viele Kinder, wofür sie selbstredend ihre Karriere mit Freuden aufstecken würde. Als der gealterte Prof. Jackson während des Raumflugs melancholisch von seiner Familie spricht, erwidert Carol: “A real wife, a home, two lovely grand children – I’d trade ten trips to Mars for that!” – und ärgert sich, dass sie den Chef der Mission Jim Barker, mit dem sie schon drei Jahre liiert ist, nicht für die Ehe „herumkriegen“ kann. Später auf dem Mars wird erneut ihre Sehnsucht nach Häuslichkeit offenbar, denn in den Quartieren, die die Marsianer den irdischen Besuchern zur Verfügung stellen, erkundigt sie sich als erstes nach der Küche! Als ihr erklärt wird, dass auf dem Mars Kochen und Abwaschen vollautomatisch geschehen, leuchten Carols Augen, und sie nennt den Mars “a woman’s paradise”. Und so hat der Film auch ein paar profane Träume für sein weibliches Kinopublikum parat, das nach der schweißtreibenden Hausarbeit zwei Stunden im Lichtspielhaus entspannen will . . .
Interessant ist aber auch der augenfällige Wandel der männlichen Rollen. Die Jugendkultur war noch nicht geboren, geschweige denn der Jugendwahn, sodass in frühen Science-Fiction-Filmen noch graumelierte, Pfeife rauchende Herren in Strickpullundern die Rollen von Raumfahrtpionieren spielen dürfen. Das klassische Liebesdreieck, in dem eine Frau (Carol) zwischen zwei Männern steht, steckt die Machtverhältnisse klar ab. Das Alphatier (Barker) hat die strikte Kontrolle über alle, einschließlich „seinem Mädchen“. Erst in dem Moment, wo er sie freigibt (weil er sich entschließt, die attraktive Marsianerin Alita zu heiraten), ist Carol in der Lage, sich dem netten, um sie werbenden Reporter Steve zuzuwenden.
Es gibt noch zahlreiche weitere Drolligkeiten in diesem Film zu entdecken. So zum Beispiel die Absurdität, dass die technisch hochentwickelten und in vielen Belangen überlegenen Marsianer zwar über eine Radiotechnik verfügen, mit der sie Radiosendungen der Erde empfangen (so wird erklärt, weshalb die Marsianer Englisch erlernt haben), sie aber unfähig sind, Radiosignale zu senden! Oder dass eigenartigerweise – welch Zufall! – die Raumfahrer genau in dem Moment auf dem Mars eintreffen und damit den Marsianern eine rettende Perspektive verschaffen, als das lebenswichtige Mineral Corium, auf das die Marsianer angewiesen sind, nur noch für zehn Jahre reichen wird. Oder dass die immerwährende Schwerkraft an Bord der Rakete allein mit der Installation eines Gyroskops hergestellt wird. Oder dass die Mannschaft in normaler Kleidung, ohne Raumanzüge zu tragen, die Reise antritt. Und überhaupt die vielen Details, die mit den damaligen Vorstellungen vom Raumflug zusammenhängen, die man damals aber auch noch nicht besser wissen konnte.
Flight to Mars und Rakete Mond startet
Oben wurde bereits auf die Nähe von Flight to Mars zu dem Film Rakete Mond startet hingewiesen. Tatsächlich weisen beide Filme sehr enge Parallelen auf, und das nicht nur, weil Flight to Mars die Kulisse für das Interieur des Raumschiffs von Rakete Mond startet wiederverwendet hat. Im Plot, in den Figuren und zum Teil sogar in einzelnen Szenen und Einstellungen sind beide Filme in der ersten Hälfte einander sehr ähnlich. Man achte in beiden Filmen auf folgende Elemente:
Unter großem Presseaufgebot besteigt eine fünfköpfige Crew, darunter eine Frau, die Rakete. – Die Rakete startet. – Die Crew blickt wehmütig und unter poetischen Anwandlungen durch das Bullauge auf Mutter Erde und den „Mann im Mond“ herab. – Ein riskantes Flugmanöver lässt die Crew im Schiff hin- und herschwanken wie in einer Achterbahnfahrt. – Mit zunehmender Entfernung wird der Radiokontakt zur Erde immer schwächer und reißt schließlich ganz ab. – Der forsche Draufgänger unter den Crewmitgliedern wirbt unverhohlen, aber (zunächst) erfolglos um die Gunst des einzigen Weibes. – Diese Frau ist zwar eine hochspezialisierte Wissenschaftlerin, erträumt sich aber eigentlich das häusliche Glück mit Ehemann und Kindern. – Ein Meteoritenschauer bedroht das Schiff. – Ein technisches Problem gibt dem Unternehmen eine unvorhergesehene Wendung. – Die Rakete landet schließlich auf dem Mars.
Erst auf dem Mars gehen beide Filme deutlich getrennte Wege. In Rakete Mond startet entdeckt die Crew auf dem Mars die Trümmer einer uralten Marszivilisation, die sich selbst vor langer Zeit atomar vernichtet hat. In Flight to Mars trifft die Expedition dagegen auf eine technisch hochstehende Marszivilisation, die zwar auch sehr alt ist und zu sterben droht, unter dem Marsboden in ihren mächtigen Städten aber noch intakt ist. Beide Filme kreieren ein Bild vom Mars, das vom tatsächlichen Mars im Prinzip gar nicht so fern ist. Es ist größtenteils Wüste und Eis, also eine eher unwirtliche Landschaft zu sehen. Die Raumfahrer gehen in beiden Filmen davon aus, dass der Mars in früheren Zeiten einmal wärmer und von üppigem Leben erfüllt gewesen sein muss. Der Mars als verwelkter Garten Eden, als „sterbende Welt“, ist ein Standardklischee der Science-Fiction-Literatur, dessen Entstehung und Entwicklung von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1970er Jahre höchst interessant ist; vgl. dazu vor allem Helga Abret/Lucia Boia, Das Jahrhun-dert der Marsianer (München 1984), ferner Rainer Eisfeld/Wolfgang Jeschke, Marsfieber (München 2003; dieses Buch bezieht auch einige Mars-Science-Fiction-Filme mit ein, nicht jedoch Flight to Mars).
Aëlita
Zu den im Internet und in Filmlexika verbreiteten Missverständnissen über Flight to Mars gehört, dass der Film angeblich eine lose Adaption des russischen Science-Fiction-Romans Aëlita (1922/23) von Alexei Tolstoi sei, der 1924 in der Sowjetunion von Jakow Protasanow auch verfilmt wurde. Roman und Stummfilm gelten beide als Klassiker, die auf verschiedene Art und Weise die Oktoberrevolution thematisieren. Tolstois Roman ist ein vielschichtiges Meisterwerk, in dem zwei Raumfahrer aus der Sowjetunion auf eine Marszivilisation stoßen, deren Proletariat schließlich mit der Hilfe der Erdlinge den revolutionären Umsturz wagt. Protasanows Stummfilm wandelt die Romanvorlage stark ab, indem er das Geschehen auf dem Mars nur als einen Traum darstellt und die marsianische Revolution auch einen ganz anderen Verlauf nimmt.
Tatsächlich hat Flight to Mars sowohl mit dem Roman als auch mit dem Film Aëlita so gut wie nichts zu tun. Es ist wohl wahr, dass der Drehbuchautor Arthur Strawn das Buch oder, möglicherweise, Protasanows Film gekannt haben muss. Doch seine Benennung der marsianischen weiblichen Hauptfigur mit Alita ist lediglich eine Hommage ohne tiefere Bedeutung, nicht mehr. In Tolstois Roman ist Aëlita der Name einer marsianischen Prinzessin, die zur erotischen Sehnsucht des irdischen Ingenieurs Loss wird. Die Liebe zwischen ihr und Loss bleibt jedoch unglücklich. In Protasanows Film wird die Prinzessin Aëlita zur Verräterin der marsianischen Revolution, weil sie danach trachtet, selbst zu herrschen. Sie wird am Ende von ihrem Geliebten Loss eine Treppe herab zu Tode gestürzt. Alita in Flight to Mars hinwiederum ist keine Prinzessin, sondern eine Wissenschaftlerin. Zwar ist auch sie die erotische Sehnsucht von Jim Barker, dem Mann von der Erde. Doch am Ende heiratet Barker Alita und nimmt sie zur Erde mit. Die gesamte Erzählung des Films hat ansonsten nichts mit Aëlita, ob Buch oder Film, gemein.
Arthur Strawn wird gewusst haben, dass außer ihm praktisch niemand im Publikum den Fingerzeig auf den sowjetischen Klassiker registrieren würde. Es mag etwas an Bill Warrens Spekulation dran sein, dass der Umstand, dass Strawn 1950 wegen angeblicher Nähe zum Kommunismus auf die berüchtigte Schwarze Liste Hollywoods gesetzt wurde, hier eine gewisse Rolle gespielt hat (Skies, S. 284). Strawn war einem sowjetischen Werk offensichtlich aufgeschlossen genug, um es überhaupt zu zitieren.
Mit Protasanows Stummfilmklassiker Aëlita kann es Flight to Mars in keiner Hinsicht aufnehmen. Der so großartige Titel löst das Versprechen eines spektakulären, fantastischen Abenteuers auf einer fremden Welt leider nicht ein und bietet dem Zuschauer nur sehr wenig Fantastisches, das er bestaunen darf. Eine kleine Preziose ist der bunte Science-Fiction-Streifen dennoch, und zwar aus eigenem Recht – als einer der ersten Filme, die in der Nachkriegsära den modernen Science-Fiction-Film begründeten. Für Genrefans mit Sinn für die Geschichte des Science-Fiction-Kinos und Nostalgiker ist der Film sehenswert und in gewissen Grenzen auch unterhaltsam.
© Michael Haul
Veröffentlicht auf Astron Alpha am 11. März 2016
Szenenfotos © 2002 Wade Williams