Destination Moon (USA 1950)
Regie: Irving Pichel
Drehbuch: Robert A. Heinlein, Alfred van Ronkel und James O’Hanlon, nach dem Roman Rocketship Galileo (1947) von Robert A. Heinlein
Darsteller: John Archer (Jim Barnes), Warner Anderson (Dr. Charles Cargraves), Tom Powers (General Thayer), Dick Wesson (Joe Sweeney), Erin O’Brien-Moore (Emily Cargraves) u. a.
Produzent: George Pal
Companies: George Pal Productions; Eagle-Lion Films
Premiere: 27. Juni 1950 (USA); 10. Juli 1951 (Deutschland)
Welch Blamage! Als das in den Kinderschuhen steckende US-Raumfahrtprogramm nur Misserfolge vorzuweisen hat, drehen die Militärs den Geldhahn zu. Der dem Programm zugeteilte General Thayer sucht daraufhin den Unternehmer Jim Barnes auf, um ihn davon zu überzeugen, dass die amerikanische Industrie das Programm im Alleingang weiterfinanzieren sollte. Eine große Vision liefert Thayer gleich mit: Ziel soll nicht mehr der Start von erdorbitalen Satelliten sein, sondern eine bemannte Mission zum Mond! Die Aufgabe ist Thayers Meinung nach von nationaler Bedeutung, denn die Kontrolle über den Mond bedeutet die militärische Kontrolle über die Erde – mittels Atomraketen, die später auf dem Mond stationiert werden könnten.
Dieses patriotische Argument sticht: Jim Barnes trommelt die Führungskräfte der US-Wirtschaft zusammen und überzeugt sie in einer Konferenz, das Mondflugprojekt vollständig aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Mit dem professionellen Knowhow und Unternehmergeist der Industrie gelingt es binnen kürzester Zeit, eine funktionsfähige, atombetriebene Mondrakete, die Luna, zu bauen. Vier Männer sollen die Reise antreten: Jim Barnes und General Thayer selbst, der Raketeningenieur Cargraves und der junge Funker Sweeny. Als Regierungsstellen den Start in letzter Sekunde stoppen wollen, weil sie einen atomaren Unfall befürchten, setzen sich die Astronauten kurzerhand über das Startverbot hinweg und heben mit der Luna gen Mond ab. Während des Fluges staunt das Team über die Effekte der Schwerelosigkeit; später muss es im luftleeren Raum eine dramatische Außenbord-Reparatur vornehmen; schließlich gestaltet sich die Landung schwierig und gelingt nur knapp. Doch dann stehen die vier Männer auf dem Mond – sie haben es geschafft! Allerdings stellen sie fest, dass sie zuviel Treibstoff bei der Landung verbraucht haben. Werden sie die Rückreise antreten können?
Der erste moderne Science-Fiction-Film der Nachkriegsära
Die Fünfzigerjahre können mit Fug und Recht als das Goldene Zeitalter des Raumfahrtfilms bezeichnet werden. Die Raumfahrt wurde zwar auch schon früher in Filmen thematisiert. Bereits der erste längere Science-Fiction-Film aus der Frühzeit des Stummfilms, Le Voyage dans la Lune (1902) von Georges Méliès, erzählt einen Flug zum Mond und sogar die Begegnung mit Außerirdischen. Weitere herausragende Beispiele sind die europäischen Produktionen Aelita (1924) von Jakow Protasanow, Frau im Mond (1929) von Fritz Lang und Kosmitscheski Reis (1936) von Wassili Schurawljow. In den USA hatten sich vor allem die Serials Flash Gordon (1936) und Buck Rogers (1939) des Themas angenommen und das Subgenre der Space Opera im Kino zum Leben erweckt. Insgesamt jedoch blieb die Raumfahrt im Film für lange Zeit eine Randerscheinung, und bei fantastischen Stoffen dominierten mad scientists, Horrormonster und kolonialistisch geprägte Abenteuergeschichten.
In den Fünfzigerjahren änderte sich das schlagartig. Raumfahrt war durch die Berichterstattung in Zeitungen und Magazinen in der Öffentlichkeit ein vielbeachtetes Thema geworden, und ihre Realisierung schien mit der amerikanischen Weiterentwicklung der deutschen V-2-Rakete unter Wernher von Braun technisch in greifbare Nähe gerückt. Damit war das Vehikel, das den Menschen schon bald ins All tragen würde, auch kein Element wilder Fantasterei mehr – Raumfahrten mittels Ballons, Luftschiffen oder abgeschossenen Kanonenkugeln gehörten der Vergangenheit an. Die Reise ins All würde definitiv mit Raketen angetreten werden.
Endstation Mond war der erste Hollywoodfilm, der diesen neuen, realistischen Perspektiven Rechnung trug und das Raumfahrtthema glaubwürdig auf die Leinwand brachte. Das anhaltende Interesse an der Raumfahrt, aber auch die in den Fünfzigerjahren entstehende Jugendkultur, die nach fantastischen, unterhaltenden Kinostoffen verlangte, führte dazu, dass in jener Dekade eine wahre Flut von Science-Fiction-Filmen in die Kinos schwappte, die das Genre im Kino fest etablierte. Endstation Mond stand 1950 am Anfang des Booms, sodass dieser Film heute gemeinhin als der erste moderne Science-Fiction-Film der Nachkriegsära gilt. Er wurde zwar erst einen Monat nach Kurt Neumanns billigem Konkurrenzfilm Rakete Mond startet, mit dem er sich ein dramatisches Kopf-an-Kopf-Rennen leistete, in New York uraufgeführt – am 27. Juni 1950 –, war aber viel früher als Rakete Mond startet in die Produktion gegangen und mit deutlich mehr Aufwand und Sorgfalt hergestellt worden.
Endstation Mond wurde von George Pal (1908–1980) produziert, einem aus Ungarn eingewanderten Stop-Motion-Trickfilmer, der in den Vierzigerjahren in Amerika mit seinen Puppetoons-Trickfilmen bekannt geworden war. Mit Endstation Mond schuf George Pal seinen ersten Spielfilm, und im Anschluss an diesen Erfolg sollte Pal noch eine Reihe weiterer Science-Fiction-Filme produzieren, die stets in Farbe gedreht, hochwertig ausgestattet und erstklassig getrickst wurden. Seine Filme Der jüngste Tag (1951), Kampf der Welten (1953), Die Eroberung des Weltalls (1955) und Die Zeitmaschine (1960) übten einen prägenden Einfluss auf das Science-Fiction-Kino der Fünfziger- und Sechzigerjahre aus. Mit 600.000 Dollar – mehr als dem Sechsfachen, was Neumanns Rakete Mond startet gekostet hatte –, verfügte Endstation Mond über ein für einen Science-Fiction-Film ziemlich hohes Budget, das vor allem in die Ausstattung und die Spezialeffekte investiert wurde. Der Lohn dafür war denn auch ein Oscar für die Spezialeffekte – und mit einem Einspielergebnis von etwa 5 Millionen Dollar ein satter Gewinn an der Kinokasse.
Aufbruch ins All – in Technicolor
Auch aus heutiger Sicht kann der Film optisch überzeugen, wobei ihm zweifellos zugute kommt, dass er in Farbe gedreht wurde. Elegant ist die glatte, leicht bauchige, typische Fünfzigerjahre-Rakete, spitz wie ein Pfeil und mit messerscharfen Leitflossen bewehrt – eine „schwangere Nadel“, wie ihr Design auch genannt wird. Kurios zeigt sich die vor analoger Röhrentechnik strotzende, gleichwohl simple Innenausstattung der Rakete. Hübsch anzusehen sind auch die quietschbunten Raumanzüge mit den kugelrunden Helmen (die ein Jahr später in Lesley Selanders Billigheimer Flight to Mars wiederverwendet wurden) oder die Ansichten von Erde und Mond vom All aus. Vor allem aber begeistert die wildromantische, felsige Mondlandschaft, die vom großartigen, unvergessenen Weltraumkünstler Chesley Bonestell (1888–1986) gemalt und von Ernst Fegté als Studioset gebaut wurde. In einer Szene fährt die Kamera in gemächlicher Ruhe über das Mondpanorama, während die Astronauten sich auf dem Mond umschauen – und jeder Bergrücken, jeder Felsen, jeder Krater lädt die Entdeckerfreude des Betrachters ein, lässt ihn träumen, was wohl dahinter, jenseits des gezackten Horizonts liegen mag. Die Kamerafahrt endet an dem Punkt, wo die Erde über der Horizontlinie im pechschwarzen, sternenübersäten Himmel steht. Diese Szene spricht vielleicht mehr als jede andere von der zentralen Botschaft des Films: die Aufforderung, das neue Abenteuer der Raumfahrt wirklich zu wagen und neue Horizonte zu erschließen. Sie ist immer noch beeindruckend – und vermag immer noch ihre Botschaft zu vermitteln.
Die Story des Films basiert lose auf dem 1947 erschienenen Roman Rocketship Galileo von Robert A. Heinlein, der auch an der Arbeit am Drehbuch und als technischer Berater beteiligt war. Heinlein genießt einen zweifelhaften Ruf als ungezügelter Militarist, und in diesem Sinne hat er auch Endstation Mond seinen Stempel aufgedrückt. Es ist die zupackende US-Industrie, die den zögerlichen Bedenkenträgern der US-Regierung zuvorkommt und das kühne Mondflugunternehmen wagt – eine unmissverständliche Botschaft, die den Zuschauern die Augen öffnen und Druck auf die Regierung aufbauen will, doch endlich entschlossener nach den Sternen zu greifen als bisher. Das Projekt, so Heinlein, ist vor allem militärisch wichtig, denn es geht um nichts Geringeres als die militärische Kontrolle der USA über die gesamte Erde – mittels auf dem Mond stationierter Atomraketen. Diese Idee propagierte Heinlein auch drei Jahre später in dem von ihm mitverantworteten Spielfilm Project Moon Base (1953).
So macht sich Endstation Mond offensiv für ein stärkeres Engagement der USA in der Raumfahrt stark. Zu diesem Zweck entwirft der Film eine schillernde Vision, wie der künftige Flug zum Mond aussehen könnte. Und diese Vision ist außerordentlich gut gestaltet. George Pal hatte zur technischen Beratung neben Heinlein auch den deutschen Raketeningenieur Hermann Oberth hinzugezogen, der schon Fritz Langs Frau im Mond beraten hatte. Die Produktion bemühte sich, die Raumfahrt so exakt und nach dem damaligen Wissensstand so wirklichkeitsnah wie möglich darzustellen. Endstation Mond ist hier weitaus realistischer als zahlreiche Science-Fiction-Filme, die ihm nachfolgten. Stellenweise wirkt der Film allerdings auch wie ein schulmeisterlicher Lehrfilm, der viele technische Details und Effekte wie zum Beispiel die hohen Schubkräfte beim Start oder die Schwerelosigkeit im All (die übrigens tricktechnisch sehr überzeugend inszeniert wurde, überzeugender jedenfalls als in Rakete Mond startet) einem in diesen Dingen noch ganz unbedarften Publikum erklären will. Er enthält sogar einen Woody-Woodpecker-Zeichentrickfilm, der das Prinzip des Raketenfluges auf lustige, einfache Weise erklärt.
Gewiss amüsieren aus heutiger Sicht auch einige Lächerlichkeiten wie zum Beispiel die durch den Raketenschub verzerrten Gesichter der auf ihren Pritschen liegenden Astronauten oder die damals erwartete „Raumkrankheit“, Übelkeitsanfälle, die sich beim Anblick von kopfüber schwebenden Astronauten einstellen sollten. Tatsächlich bleiben echten Astronauten entgleiste Gesichtszüge und bleischwere Glieder erspart, denn die Beschleunigung der startenden Rakete ist hier (wie schon in Frau im Mond und in den meisten Science-Fiction-Filmen, die noch folgen sollten) maßlos übertrieben. Atombetriebene Raketen sind auch heute noch Zukunftsmusik, und dass die Rakete sich am Ende ihrer Reise gegen ihre Flugrichtung dreht und vollständig auf dem Mond landet, statt dass ein Mutterschiff im Orbit einen kleinen Lander absetzt, hat sich in dieser Form auch nicht bewahrheitet. Dagegen ist die gezeigte Atmosphärelosigkeit des Mondes und seine geringe Schwerkraft, durch die die Astronauten hohe und weite Sprünge vollziehen können, erstaunlich wirklichkeitsnah – und das fast 20 Jahre vor der tatsächlichen Mondlandung.
Der Bildungsanspruch und die politische Botschaft dominieren somit den Film. Die Handlung ist demgegenüber schlicht und überraschungsarm, um nicht zu sagen langweilig. Regie, Kameraführung, Schauspiel – alles wirkt ausgesprochen steif und leblos. Das wird durch die opulenten Schauwerte aber mehr als ausgeglichen. Endstation Mond ist ein naives, nostalgisches, herrlich angestaubtes Raumfahrtabenteuer, beeindruckend bebildert, einfach ein zauberhaftes Vergnügen – da sieht man gern über seine propagandistische Zielsetzung, Heinleins militaristische Duftmarke und einige logische Holprigkeiten hinweg. Der Film ist auf seine bescheidene Art nach wie vor ein faszinierender Meilenstein des Science-Fiction-Kinos, dessen Einfluss auf alle folgenden Raumfahrtfilme der Dekade nicht zu unterschätzen ist.
© Michael Haul
Veröffentlicht auf Astron Alpha am 10. September 2016
Szenenfotos © 1950 George Pal Productions; 2010 SchröderMedia Audio Visual Entertainment