Alarm im Weltall

DVD-Cover von "Alarm im Weltall" (Forbidden Planet, USA 1956) von Turner Entertainment/Warner Bros. Entertainment Inc.

Forbidden Planet (USA 1956)

 

Regie: Fred McLeod Wilcox

Drehbuch: Cyril Hume, nach einer Story von Allen Adler und Irving Block, inspiriert durch das Theaterstück Der Sturm (The Tempest) von William Shakespeare

Darsteller: Walter Pidgeon (Dr. Edward Morbius), Anne Francis (Altaira), Leslie Nielsen (Captain John J. Adams), Warren Stevens (Lt. „Doc“ Ostrow), Jack Kelly (Lt. Jerry Farman), Earl Holliman (Koch), Frankie Carpenter und Frankie Darro (Robby der Roboter), Marvin Miller (orig. Stimme von Robby), Les Tremaine (orig. Erzählerstimme) u. a.

Produzent: Nicholas Nayfack

Company: Metro-Goldwyn-Mayer

Laufzeit: 98 Minuten; Farbe

Premiere: 15. März 1956 (USA); 18. Januar 1957 (Österreich); 4. Februar 1957 (Deutschland)

 

Im 23. Jahrhundert fliegt der Raumkreuzer der „Vereinigten Planeten“ C-57-D unter der Leitung von Captain J. J. Adams in das knapp 17 Lichtjahre von der Erde entfernte Altair-System. Die Mission soll ergründen, was mit dem Raumschiff Bellerophon geschah, das zwanzig Jahre zuvor auf dem vierten Planeten des Altair verschwand. Bereits im Orbit um Altair IV stellt sich heraus, dass der gesamte Planet nur von felsigen, leblosen Wüsten überzogen ist. Da empfängt das Schiff eine Radiobotschaft von der Oberfläche. Sie stammt von dem Wissenschaftler Dr. Morbius, der als einziger Mann von der verschollenen Bellerophon auf Altair IV überlebt hat. Zu aller Überraschung zeigt Morbius keinerlei Interesse, gerettet zu werden, und drängt darauf, dass die C-57-D nicht landen und wieder abziehen möge. Adams erfüllt jedoch pflichtgemäß seinen Auftrag und landet auf den Koordinaten, die Morbius ihm als seinen Standort mitteilt.

 

Morbius hat sich auf dem Planeten häuslich eingerichtet. Er besitzt ein großzügiges, hypermodernes Haus mit einem exotischen Garten und einen selbst gebauten Roboter, der ihm alle Annehmlichkeiten eines komfortablen Lebens ermöglicht. Einzige Gesellschaft ist seine auf Altair IV geborene, inzwischen halbwaise junge Tochter Altaira, die noch nie in ihrem Leben einen anderen Menschen als ihren Vater gesehen hat und den Männern von der C-57-D entspre­chend naiv begegnet.

 

Morbius bewirtet die Ankömmlinge von der Erde nur unwillig und will eigentlich, dass sie so rasch wie möglich wieder verschwinden. Erst nach einer Weile gibt er das Geheimnis von Altair IV preis: Der Planet war einst die Heimat eines hochentwickelten Volkes, der Krell, die jedoch vor 200.000 Jahren ganz plötzlich zugrunde gegangen waren. Unter der Oberfläche des Planeten haben die Krell eine gigantische Maschine von mehreren Kilometern Größe hinterlassen, die noch immer arbeitet und sich bald als eine fatale Bedrohung entpuppt . . .

 

Die großartigste Space Opera der Fünfzigerjahre

 

Alarm im Weltall ist ein prachtvoller, wunderbarer Science-Fiction-Film, ein Juwel von einem Weltraumabenteuer, das nichts von seinem einnehmenden Charme und seiner außergewöhnlichen Magie verloren hat. Überwältigend schöne Trickeffekte, Bühnenbauten und Designs verbinden sich mit einer ungewöhnlich klugen Story, die die Plots der meisten Science-Fiction-Filme souverän in den Schatten stellt – auch heute noch. Seine handwerkliche und inhaltliche Rafinesse machen den Film zur brillantesten Space Opera der Fünfzigerjahre und zu einem der einflussreichsten Meilensteine des Genres.

Szenenfoto aus dem Film "Alarm im Weltall" (Forbidden Planet, USA 1956) von Fred McLeod Wilcox; das Raumschiff C-57-D
Die C-57-D landet auf Altair IV

Bereits in Joseph M. Newmans Metaluna 4 antwortet nicht (1955) überschritten Menschen die Grenzen des Sonnen­systems und besuchten, von Außerirdischen entführt, einen fernen, extrasolaren Planeten – zum ersten Mal in einem Kinofilm (von den Kinoserials Flash Gordon oder Buck Rogers ist hier eher abzusehen, da sie in der Lokalisierung ihrer erfundenen Schauplätze astronomisch vage blieben). In Alarm im Weltall waren zum ersten Mal in einem Science-Fiction-Film die Menschen einer fernen Zukunft aus eigener Kraft in den interstellaren Raum aufgebro­chen, um zu anderen Sternen zu fliegen und einen fremden, staunenerregenden Planeten zu erforschen. Ähnlich wie Metaluna 4 setzte der Film dabei die Space-Visionen romantischer Illustrationen um, die schon immer die Covers der Science-Fiction-Pulps geziert hatten. Damit erfüllte der Film endlich das, was sich die Science-Fiction-Leser schon immer in einem Science-Fiction-Film erhofft hatten. Auch inhaltlich nahm der Film, der eine ungewöhnlich intelligente Story vorzuweisen hat­, die Science-Fiction-Literatur ernst. So sind beispielsweise Außerirdische hier in erster Linie keine zerstörerische Bedrohung, sondern ein Faszinosum, das das Staunen und die Neugier des Zuschauers weckt. Zu einer Zeit, als die meisten Science-Fiction-Filme die Äng­ste des Kalten Krieges thematisierten, inszenierte Metro-Goldwyn-Mayer unter der Regie von Fred McLeod Wilcox (1907–1964) ein humanistisch geprägtes, utopisches Abenteuer. Der Blick auf die ferne Zukunft ist optimistisch: Die C-57-D fliegt unter der Flagge der „Vereinten Planeten“, zu denen sich die Mensch­heit zusammengeschlossen hat. Der Kalte Krieg gehört im 23. Jahrhundert einer rückständigen Vergangen­heit an.

 

Alarm im Weltall hat das Science-Fiction-Kino und -Fernsehen maßgeblich beeinflusst. Vor allem Gene Roddenberry (1921–1991) hat sich stark von dem Film für Star Trek inspirieren lassen. So ist das beaming fast identisch schon in Alarm im Weltall zu sehen, wenn dort auch in anderer Funktion (eine Art Stasisfeld für den Übergang vom Hyper- in den Nor­malraum). Captain Adams ist das Urbild von Captain Kirk, seine Crew das Urbild für die Enterprise-Crew. Der giganti­sche Maschinenpark im Inneren von Altair IV, der sich in endlosen perspek­tivischen Fluchtlinien verliert, wirkt wie die Vorwegnahme der gigantischen Schächte und Dome im Inneren des Todessterns in George Lucas’ Star Wars (1977), Robby der Roboter mit seiner liebenswerten und höflich dienenden Art und seiner Fähigkeit, hunderte verschiede­ne Sprachen zu sprechen, ist eine unverkennbare Inspiration für C3PO gewesen, und auch die flimmernde, holografische Projektion von Prinzessin Leia durch R2D2 hat hier ihren Vorläufer – in der Szene, in der Morbius seine Tochter Altaira am “plastic educator” im Krell-Laboratorium projiziert.

 

Die Produktion

 

Metro-Goldwyn-Mayer genoss seit jeher für seine teuren und glamourösen Filme in Hollywood ein herausragendes Prestige, und als Anfang der Fünfzigerjahre Science-Fiction-Filme im Kino zu boomen begannen, stand das Studio dem Genre, das allgemein als billiger, primitiver Nonsens angesehen wurde, zunächst skeptisch gegenüber. Wenn man schon einen Science-Fiction-Film machen wollte, sollte er glanzvoller und auch inhaltlich besser sein als die Filme der Konkurrenz. Eine Space Opera war noch nie zuvor bei MGM entstanden, sodass man mit Alarm im Weltall kom­plettes Neuland betrat. Die Produktion wurde zunächst mit weniger als einer Million Dollar veranschlagt, kostete am Ende aber etwa 1,9 Millionen Dollar, eine für einen Science-Fiction-Film in der damaligen Zeit enorme Summe. Der am ehesten vergleichbare Science-Fiction-Film Metaluna 4 antwortet nicht, der ebenfalls überduchschnittlich teuer aus­gefallen war, hatte dagegen nur etwa 860.000 Dollar gekostet. Eine noch eindrucksvollere Relation ergibt sich im Ver­gleich mit Quo Vadis? (1951), dem teuersten Werk, das MGM überhaupt bis dahin gemacht hatte: Der Monumentalfilm hatte 7 Millionen Dollar verschlungen, also nur etwa das Dreieinhalbfache von Alarm im Weltall.

 

Alarm im Weltall war kein A-Movie, denn er war bei MGM als B-Movie in die Produktion gegangen und hatte keine Stars vorzuweisen, wie das für A-Movies üblich war. Allerdings war der Film auch kein B-Movie nach herkömmlichem Strickmuster, denn neben dem üppigen Budget, das fast vollständig in die Sets, Props und Spezialeffekte floss, wurden ihm großzügige zwölf Wochen Drehzeit und die größte verfügbare Studiohalle als Drehort zugestanden; bei seiner Veröffentlichung erschien er in der oberen Hälfte des MGM-Programms, wo sonst keine B-Movies gelistet wurden. Aus diesen Gründen bezeichnet Bill Warren den Film in seinem Buch Keep Watching The Skies! versuchsweise als „A minus“.

Szenenfoto aus dem Film "Alarm im Weltall" (Forbidden Planet, USA 1956) von Fred McLeod Wilcox; das Raumschiff C-57-D
Die Crew beerdigt einen Kameraden. Der obere Teil des Raumschiffs und der rechte Teil des Bildes (ab der Leiterrampe) ist ein perfekt mit dem Kulissenbau kombiniertes matte painting (gemalt von Henri Hillinck)

Gedreht wurde in Farbe (Eastman Color) und Widescreen (Cinemascope). Aufwendige Kulissenmalereien von bis zu 100 Metern Länge und 25 Metern Höhe stellten die felsige Planetenoberfläche von Altair IV unter einem grünen Him­mel mit zwei Monden dar. Der untere Teil der C-57-D, die die Gestalt einer fliegenden Untertasse hatte, wurde samt Landerampen als knapp 20 Meter breiter Kulissenbau in eine außerirdische, von Felsbrocken übersäte und Felsnadeln durchbrochene Landschaft gestellt, die in MGMs Studiohalle 15 errichtet wurde. Der fehlende obere Teil des gelande­ten Raumschiffs wurde in totalen Einstellungen mit matte paintings von Henri Hillinck (1901–1959) nachträglich überaus geschickt ergänzt. Für die Szene, die die Landung der C-57-D auf Altair IV zeigt, wurde auf dem „Lot 3“ von MGM unter freiem Himmel eine weitere, riesige Altair-IV-Landschaft samt enormer back drops aufgebaut. Hier kam das größte von insgesamt drei Raumschiff-Modellen zum Einsatz, das 88 Zoll im Durchmesser maß (knapp 2,24 Meter) und mit elek­trischem, rotierendem Lichteffekt und ferngesteuert ausklappbaren Landerampen ausgestattet war. Unter der Regie von MGMs Spezialeffekte-Magier A. Arnold Gillespie (1899–1978) ließ man das UFO-Modell an Drähten hängend in das Set einschweben und sanft landen. Die Szene ist die einzige, die für den Film im Freien entstand; sie musste vor allem deshalb im grellen Tageslicht der kalifornischen Sonne stattfinden, da sie mit sechsfach höherer Geschwindig­keit ge­dreht wurde und daher sehr viel Licht benötigte. Für die wunderschönen Aufnahmen, in denen das Raumschiff durchs All gleitet, kamen zwei kleinere Raumschiff-Modelle mit Durchmessern von 20 Zoll (51 cm) und 44 Zoll (112 cm) zum Einsatz.

 

Wunderschöne Sets, Modellbauten und matte paintings für das Innere der C-57-D, für Dr. Morbius’ luxuriösem „Haus von morgen“ mitsamt umgebenden Garten und für das Krell-Laboratorium wurden für den Film erstellt. Die meisten Sets, insbesondere Morbius’ Haus, wurden maßgeblich von Art Director Arthur Lonergan (1906–1989) entworfen. Be­sonders atemberaubend sind die gigantischen, unterirdischen Krell-Maschinen. Die riesige Maschinenhalle, durch die Morbius mit seinen Gästen wandelt, wurde mit einem matte painting von Howard Fisher realisiert. Das Bild wurde mit Lichteffekten belebt, die auf einem schwarzen Bord passend zum matte painting arrangiert, separat gefilmt und dann mit der Aufnahme des matte paintings mittels doppelter Belichtung kombiniert wurden. Schließlich wurde der Szene in einem gematteten Bereich des Bildes die Aufnahme der wandelnden Schauspieler hinzugefügt. Der 7800 Stockwer­ke tiefe, senkrechte Ventilations­schacht, den von einem frei schwebenden Laufsteg gequert wird, war ein Miniaturset von etwa acht Metern Länge, das in Wirklichkeit waagerecht liegend gebaut worden war. Der fast grenzenlose Ort der Krell-Maschinen, eine Kathe­drale außerirdischer Technologie, wirkt erhaben, furchteinflößend und unergründlich. Dass die Maschinen und die fast unendlich leistungsfähigen Kraftwerke sich seit 200.000 Jahren selbsttätig intakt hielten, lässt sie nur noch faszinieren­der erscheinen. Zugleich geben sich die Bilder freilich als irre Fünfzigerjahre-Utopie zu er­kennen: So stellte man sich zu jener Zeit die Zukunft vor, gemacht aus handfester Elektrotechnik, geprägt von Elektro­den und Röhren: eine Zukunft noch ohne Mikro- und Nanoelektronik!

Szenenfoto aus dem Film "Alarm im Weltall" (Forbidden Planet, USA 1956) von Fred McLeod Wilcox; der Maschinenpark der Krell
Der beeindruckende Krell-Maschinenpark ist eine Kombination aus matte painting, Lichteffekten und einer Aufnahme der Schauspieler

Zu den Schauwerten der Kulissen treten hervorragende Spezialeffekte, die alles bisher Dagewesene übertrafen. So elegant hatte man bis dahin noch nie ein Raumschiff durch das von glänzenden Sternen erfüllte, pechschwarze Weltall schweben sehen. Die langsam rotierenden Planeten wirken bestechend klar und so überzeugend echt, dass man meinen könnte, sie seien tatsächlich on location, im Weltraum selbst aufgenommen worden. Dass hier Menschen eine fliegende Untertasse durchs All steuern, war darüber hinaus ein toller, fantasievoller Einfall.

 

Die Herstellung des – freilich skurril und plump wirkenden – Roboters Robby hatte allein 125.000 Dollar gekostet. Sein Design, das allen Ernstes an altmodische, gusseiserne Öfen angelehnt war, wurde ursprünglich von A. Arnold Gillespie und Arthur Lonergan flüchtig entworfen und später vom Produktionsillustrator Mentor Huebner optisch verbessert; der Chefzeichner des Art Departments Robert Kinoshita fertigte schließlich die Konstruktionspläne an, die Robbys Design weiter verfeinerten. Das Prop-Shop unter der Leitung von Jack Gaylord stellte das 2,10 Meter große Robby-Kostüm anhand von Kinoshitas Zeichnungen aus Plastik her und stattete es mit den vorgesehenen elektrischen Gad­gets aus: rotierende Antennen, ein ratterndes „Rechenwerk“ in der transparenten Kopfkuppel, blau leuchtende Neon­röhren, die synchron zu Robbys Stimme blinkten und weitere leuchtende, rotierende Gadgets auf dem Bauch von Robby. Das Kostüm, das im Film von den Schauspielern Frankie Carpenter und Frank Darro getragen wurde, wog am Ende mehr als 40 Kilogramm. Robby war einer der ersten Roboter der Filmgeschichte mit einer wirklichen, liebenswer­ten Persönlichkeit, avancierte zum heimlichen Star des Films und erfreut sich vor allem in den USA bis heute einer be­achtlichen Popularität. Er erschien später noch in zahlreichen TV- und Filmproduktionen (die in einem eigenen Wiki­pedia-Artikel über Robby gelistet sind), unter anderem in dem naiven, kindgerechten Science-Fiction-Film SOS Raum­schiff (1957). Das Robby-Kostüm wurde 1971 an ein Filmmuseum in Buena Park verkauft, wo es im Lauf der Zeit durch Besucher stark beschädigt wurde. 1980 konnte es der Horrorfilm-Regisseur William Malone (geb. 1953), ein leiden­schaftlicher Sammler von Alarm im Weltall-Memorabilia, erwerben. Er ließ Robby mit originalen, noch im MGM-Prop-Shop entstandenen Ersatzteilen aufwendig wieder restaurieren; Robby befindet sich bis heute in seinem Privatbesitz. Daneben gibt es inzwischen eine Reihe von sehr getreuen Replikas und sogar eine spezialisierte Firma, die Robby-Repliken auf Bestellung herstellt.

 

Bemerkenswert ist auch das Monster aus Morbius’ Unterbewusstsein, seinem sogenannten Id (lat.; das „Es“ bei Sig­mund Freud), das fast im gesamten Film unsichtbar ist und erst gegen Ende in glühenden Konturen im Sperrfeuer der Strahlengeschütze der C-57-D-Besatzung sichtbar wird. Das „Monster aus dem Id“ wurde in einem komplizierten Zei­chentrickverfahren realisiert, und da die Walt Disney Studios damals die einzige Filmfirma in Amerika war, die eine spezielle Abteilung für Zeichentrick-Effekte unterhielten, bat man sie um Hilfe. Nach einer vertraglichen Einigung – die sich Disney gut bezahlen ließ – wurde die Zeichentrick-Effekte-Abteilung unter der Leitung von Oscarpreisträger Jo­shua Meador (1911–1965), einem der besten Zeichner Disneys, mit sämtlichen Zeichentrick-Effekten beauftragt. Dazu zählten das Monster aus dem Id, die Laserstrahlen, die verschiedenen Energiefelder und Blitze im Film (u. a. Robbys glühende Glaskuppel, als seine Stromkreise durchzubrennen drohen) bis hin zu der Szene, in der Captain Adams einen Tiger im Sprung desintegriert. Als für das Monster aus dem Id kein befriedigendes Design gefunden werden konnte – anfangs hatten sich Art Director Arthur Lonergan (1906–1989) und Produktionszeichner Mentor Huebner (1917–2001) ein insektenartiges Mon­ster vorgestellt, was dem Produzenten des Films Nicholas Nayfack (1909–1958) jedoch nicht gefiel –, heuerte Meador seinerseits den Freelance-Zeichner Ken Hultgren (1915–1968) an, damit dieser frische Ideen einbrachte. Hultgren ent­warf das schließlich verwendete Konzept eines zweibeinigen brüllenden, monströsen Kopfes mit glühenden Augen, das von Joshua Meador dann in Rein­zeich­nungen en détail ausgeführt wurde.

Szenenfoto aus dem Film "Alarm im Weltall" (Forbidden Planet, USA 1956) von Fred McLeod Wilcox; das Monster aus dem Id
Das "Monster aus dem Id" unter Beschuss der C-57-D-Strahlenwaffen. Sein Disney-Stil ist unverkennbar, effektiv ist es dennoch.

Cyril Humes Drehbuch hatte eigentlich vorgesehen, dass das Monster aus dem Id am Ende des Films, als Morbius ihm abwehrend entgegentritt, gänzlich physische Gestalt annimmt und in voller Scheußlichkeit zu sehen ist. Die Beschrei­bung des Monsters weicht in Humes Drehbuchversion vom 3. September 1954 auch noch von dem später verwende­ten Design Ken Hult­grens und Joshua Meadors ab (zitiert nach Cinefantastique, Vol. 8, Nr. 2/3, S. 34; diese Drehbuch­fassung ist auch vollständig auf der Webseite SimplyScripts als PDF verfügbar):

 

CLOSE SHOT (PROCESS): MORBIUS WITH BACK TOWARDS CAMERA, AND THE MONSTER TOWERING OVER HIM AS THEY FACE EACH OTHER AT LAST.

Simply the briefest flash of the thing as it stands now fully visible in all its hair and horror – the dull pig eyes, the small drooping ears, the vampire snout, the gaping jaws of nightmare. Then, as it sweeps Morbius into its embrace, sinks its claws –

TWO SHOT: ADAMS AND ALTA

forgetting even each other as they stare up insanely o. s. All at once, the bellowings gurgle off into silence. As Alta cries out, darts forward, PAN to Morbius slumping on the floor. He is dying, but physically unmarked – and the monster is gone for good.

 

Es ist leicht einzusehen, weshalb das Monster in dieser Szene ganz weggelassen wurde – wodurch es den Zuschauern überlassen blieb, sich Morbius’ Tötung durch das Monster vorzustellen. Joshua Meador und seine Mitarbeiter von Dis­ney hatten praktisch keine Möglichkeit, das Monster in dieser Szene vollkommen sichtbar im Zeichentrickverfahren zu realisieren, ohne dass das Ergebnis auch nach Zeichentrick ausgesehen hätte. Und die Alternative, das Monster vom Prop-Shop bauen zu lassen, wurde vom Produktionsteam nie in Erwägung gezogen. Gegen Ende der langen Phase der Postproduktion war das Budget des Films bereits weit überschritten, und es fehlte für ein reales Monster das Geld.

 

Der Film hat auch Schwächen, die jedoch nicht stärker ins Gewicht fallen. Die Mannschaft der C-57-D ist die aus kon­ventionellen Weltkriegsfilmen dem Publikum sattsam bekannte Konstellation einer gemeinsam durch dick und dünn gehenden Kriegsschiffbesatzung. Störender als dieses Klischee sind freilich die komischen Einlagen mit dem Smutje des Raumschiffs (Earl Holliman), einem unpassenden comic relief. Die Verharmlosung seiner Trunksucht ist rettungslos antiquiert, seine Rolle als Schürze tragender Koch mit schlichtem Gemüt ein krasser Anachronismus. Die Regie von Fred McLeod Wilcox, der zuvor nur durch seine familienfreundlichen Lassie-Filme auf sich aufmerksam gemacht hatte (Heimweh, 1943; Lassie – Held auf vier Pfoten, 1946 und Lassies Heimat, 1948), wirkt behäbig und hölzern, und die statische Kameraarbeit von George J. Folsey (1898–1988) ist wenig einfallsreich. Leslie Nielsen (1926–2010), der erst Jahrzehnte später durch seine Slapstick-Rolle als schusseliger Ermittler Frank Drebin in Die nackte Kanone (1988) welt­berühmt wurde, spielt den schneidigen Raumschiffkommandanten geradlinig und solide; seine besten Szenen hat er am Ende des Films im dramatischen Schlagabtausch mit Morbius. Seine Leidenschaft für Anne Francis (1930–2011) als Altaira wirkt dagegen oberflächlich und unglaubwürdig. Die bezaubernd naiv spielende Anne Francis versprüht dafür jede Menge Sexappeal, und man ist überrascht, wieviel Erotik der Film wagt. Legendär ist die Szene, in der Anne Francis splitternackt im Teich vor dem Haus badet – und dabei unschuldig wie ein Kind Adams fragt: “What’s a bathing suit?” Wenn man genau hinsieht, erkennt man freilich, dass Francis einen fleischfarbenen Badeanzug trägt (dass die badende Altaira tatsächlich nackt gemeint war, machen die verschiedenen Drehbuchentwürfe unmissverständlich klar; die prüfenden Moralwächter der Production Code Administration hatten daher auch mit Nachdruck angemahnt, dass die Badeszene “geschmackvoll” realisiert werden sollte – vgl. dazu James Chapman/Nicholas J. Cull, Projecting Tomor­row, S. 84 f.).

 

Besonders experimentierfreudig war die Produktion mit dem damals wie heute wohl avangardistischsten, schrillsten und „außerirdischsten“ Soundtrack aller Zeiten: Der Film wird nicht von herkömmlicher Musik, sondern ausschließlich von einem minuziösen Arrangement elektronisch erzeugter Soundeffekte untermalt, die extrem futuristisch und spacig, stellenweise allerdings auch sehr schräg klingen. Für den Soundtrack zeichneten die Eheleute Bebe Barron (1925–2008) und Louis Barron (1920–1998) verantwortlich, die seit Ende der Vierzigerjahre mit den Möglichkeiten elek­tronisch erzeugter Musik experimentierten und auf diesem Feld wahre Pionierarbeit leisteten. Da es noch keine Syn­thesizer gab, mussten sie sich die benötigte Elektrotechnik selbst zusammentüfteln; Louis war zum größten Teil mit dem Bau der Apparaturen beschäftigt, während seine Frau Bebe die musikalische Komposition übernahm. Der extrem bizarre, avangardistische Soundtrack von Alarm im Weltall frappierte das Publikum und fand viel Beifall. Heute gilt er als der erste komplett elektronisch erzeugte Soundtrack der Filmgeschichte. Dennoch war das Soundprojekt schluss­endlich wohl doch zu progressiv: Es wurde in dieser Kompromisslosigkeit nicht mehr wiederholt. Dass der Score im Vorspann des Films lediglich als “electronic tonalities” bezeichnet wurde, war übrigens ein Ausweichmanöver von Produktionschef Dore Schary. Nachdem der Vertrag zwischen MGM und den Barrons bereits unterzeichnet war, hatte der Anwalt Rudy Monte, der den Vertrag ausgearbeitet hatte, plötzlich noch MGM gegenüber Bedenken wegen des geplanten screen credits geäußert. Er befürchtete, dass eventuell die gewerkschaftliche Musicians Union klagen könnte, weil nicht genügend Musiker für den Score beschäftigt worden waren. Um gerichtliche Scherereien auszu­schließen, ordnete Schary an, das Wort “music” zu vermeiden und stattdessen den von ihm vorgeschlagenen Euphe­mismus zu verwenden, obwohl den Barrons ursprünglich die Bezeichnung “electronic music” im Vorspann in ihrem Vertrag ausdrücklich zugesagt worden war.

 

Das Drehbuch

 

Die Idee zum Film geht zurück auf einen Storyentwurf von Allen Adler (1916–1964) und Irving Block (1910–1986) mit dem Titel Fatal Planet, der von William Shakespeares Theaterstück The Tempest (Der Sturm) inspiriert war. Kernmotiv bei Shakespeare bildet das vor vielen Jahren auf einer einsamen Insel gestrandete Paar von einem Vater, Prospero, und seiner schönen Tochter, Miranda. Prospero ist der von seinem Bruder Antonio vom Thron gestoßene und geflo­hene rechtmäßige Herzog von Mailand, der zudem magische Fähigkeiten erworben hat. Miranda, die auf der Insel auf­wuchs, hat außer ihren Vater noch nie einen anderen Mann erblickt. Als eines Tages ein Schiff mit mehreren adligen Passagieren, unter ihnen Antonio, zufällig die Insel passiert, befiehlt Prospero dem ihm ergebenen Luftgeist Ariel, das Schiff durch einen Sturm an der Küste der Insel stranden zu lassen.

Szenenfoto aus dem Film "Alarm im Weltall" (Forbidden Planet, USA 1956) von Fred McLeod Wilcox; Leslie Nielsen, Jack Kelly und Warren Stevens
Lt. Farman (Jack Kelly), Cookie (Earl Holliman), Doc Ostrow (Warren Stevens) und Captain Adams (Leslie Nielsen) auf Altair IV

In Adlers und Blocks Entwurf, der in einer höchst unwahrscheinlichen nahen Zukunft des Jahres 1976 spielt, ist der Vater ein Wissenschaftler, der 20 Jahre zuvor mit seiner Tochter an Bord eines Forschungsraumschiffs auf dem Merkur gestrandet ist. Vater und Tochter heißen hier Adams und Dorianne; später wurden sie im Drehbuch auf Dr. Morbius und Altaira umgetauft. Shakespeares Königssohn Ferdinand, der mit an Bord des Schiffes auf die Insel gekommen ist und sich in Miranda verliebt, entspricht bei Adler und Block dem Captain eines irdischen Raumschiffs, John Grant – später im Film John J. Adams –, während der deformierte und Prospero untertane Caliban in das unsichtbare Monster übersetzt wurde. Die erst später von Cyril Hume ins Drehbuch eingefügte Rolle des treuen Dieners von Morbius, Robby der Roboter, ist zum Teil mit Shakespeares dienstbarem Luftgeist Ariel zu vergleichen. Der Handlungsverlauf und die inneren Zusammenhänge im Storyentwurf und im fertigen Film Alarm im Weltall weisen allerdings auch er­hebliche Unterschiede zu Der Sturm auf, sodass alle übrigen Rollen des Shakespeare-Stücks nicht eindeutig in der Adaption zugewiesen werden können oder dort gar nicht vorhanden sind.

 

Allen Adler war ein Spross der weit verzweigten New Yorker Theater- und Schauspielerfamilie Adler. Sein Großvater war Jacob Pawlowitsch Adler (1855–1926), ein aus Odessa über London nach New York eingewanderter gefeierter Bühnenstar des jüdischen Theaters. Nahezu alle von Jacobs zahlreichen Kindern gingen ebenfalls ins Theatergeschäft, zumeist als Schauspieler. Allen Adlers Onkel Luther (1903–1984) und seine Tante Stella (1901–1992) waren bekannte Theater- und Filmschauspieler; Stella Adler gründete außerdem gegen Ende ihrer aktiven Bühnenkarriere in New York und in Los Angeles hoch angesehene, bis heute bestehende Schauspielschulen, zu deren Absolventen unter anderem Marlon Brando (1924–2004), Robert De Niro (geb. 1943) oder Harvey Keitel (geb. 1939) zählen. Allen Adlers Vater Abram schließlich wurde Theatermanager und arbeitete am Shubert Theatre in New York.

 

Über Allen Adlers Leben sind leider nur sehr wenige Details zu ermitteln, die meist vage bleiben und sich oft auch wiedersprechen. Den einzigen ausführlicheren biografischen Artikel über Allen Adler hat der in New York ansässige Journalist und Filmexperte Bruce Eder (geb. 1955) auf AllMovie veröffentlicht (auch zu finden auf Fandango), und er mag auch die verlässlichste Quelle sein, da Eder immerhin erwähnt, dass er 2010 ein Gespräch mit Allen Adlers Tochter Allison Jo Adler geführt hat. Die folgenden beiden Absätze stützen sich hauptsächlich auf Eders Text.

 

Allen Adler studierte an der New York University englische Literatur und kreatives Schreiben und belegte dort auch als einer der ersten Studenten Lehrveranstaltungen über Filme. Der biografische Abriss auf dem Schutzumschlag von Ad­lers einzigem veröffentlichten Roman behauptet, dass er bereits mit 21 Jahren ein eigenes Theater geführt habe. Falls das stimmt, ist diese berufliche Station nur eine Episode geblieben. Im Zweiten Weltkrieg diente Allen Adler im Pazifik bei der US-Luftwaffe. Nach dem Krieg betätigte er sich als Manager von Opern- und Theatertourneen, als Agent für Schauspieler und Musiker – unter anderem für Harry Belafonte –, schrieb Publicitytexte – unter anderem für Robert Ripleys landesweit populäre Zeitungs-, Radio- und TV-Kolumne Believe It Or Not! – und konnte angeblich auch einige Storyideen an das Fernsehen verkaufen (laut Cinefantastique Vol. 8, Nr. 2/3, 1979, S. 6; screen credits oder andere Nachweise hierüber lassen sich nicht in der IMDb oder anderswo auffinden).

 

In jener Zeit strebte Adler offensichtlich eine Karriere als Drehbuchautor an. Anfang der Fünfzigerjahre gelang es ihm, von Columbia Pictures einen Auftrag über drei zu liefernde Drehbücher zu ergattern. Doch als im Zuge der Kommunis­tenhatz in Hollywood bei Anhörungen vor dem „Komitee für unamerikanische Umtriebe“ (House Committee on Un-American Activities) sein Name als angeblicher Kommunist fiel, stornierte Columbia den Auftrag. Nichtsdestotrotz konnte Adler gemeinsam mit Irving Block im November 1952 Fatal Planet an MGM verkaufen.

 

Fatal Planet blieb nicht Adlers einziger Beitrag zur Science-Fiction. 1957 veröffentlichte er mit Mach 1: A Story of Planet Ionus einen Science-Fiction-Roman, in dem es ähnlich wie in Fatal Planet um ein marodierendes Monster auf einem fremden Planeten geht. Der stets scharfzüngige Science-Fiction-Autor und -Kritiker Damon Knight (1922–2002) nannte den Roman „derart schlecht, dass gewöhnliche Kennzeichnungen nicht hinreichen würden“ und meinte, mit seinem kargen Stil wirke das Werk wie „ein halbherzig in Romanform gegossener Drehbuchentwurf“ (Wikipedia). Mit dieser Vermutung mag Knight möglicherweise sogar Recht haben. Zwei Jahre später ergatterte Adler einen weiteren Job in der Filmindustrie: Gemeinsam mit Robert Abel (1912–1987) schrieb er die Story für Eugène Louriés in England produ­zierten Dinosaurierfilm Das Ungeheuer von Loch Ness (The Giant Behemoth, 1959). Der Film blieb sein letzter Erfolg als Skriptautor. 1964 verstarb Allen Adler in New York infolge einer langjährigen und angeblich falsch behandelten Krank­heit – mit nur 47 Jahren.

 

Der zweite Autor von Fatal Planet, Irving Block, war ein in New York geborener und aufgewachsener Kunstmaler, der Ende der Vierzigerjahre in Hollywood in die Filmbranche einstieg und sich dort vor allem als matte painter und Spe­zialeffekte-Tüftler für B-Movies profilierte. In den folgenden Jahren war Block an den mattes und Spezialeffekten einer ganzen Reihe von Science-Fiction-Filmen beteiligt, häufig im Team mit Jack Rabin (1914 –1987), mit dem er eine ge­meinsame Firma gegründet hatte, oder mit Louis DeWitt (1905–1992). Bei einigen dieser Filme trug er auch zur Story bei oder übernahm die Produktion. 1960 verließ er die Filmbranche wieder und wurde Kunstdozent an der California State University.

Irving Block, Maler, matte painter und Spezialeffekte-Künstler, ca. 1957
Irving Block (circa 1957)

Wie Adlers und Blocks Kollaboration zustande kam, ist weitgehend unbekannt. Alles, was darüber zu lesen ist, stützt sich letzten Endes auf ein Interview, das Steve Rubin mit Irving Block 1974 für Cinefantastique Vol. 4, Nr. 1 geführt hat. Rubin paraphrasierte dort Blocks Aussagen nur und gab ansonsten lediglich ein paar knappe wörtliche Zitate Blocks wieder. In nahezu unveränderter Form wur­de Rubins Text 1979 in der umfassenden Alarm im Weltall-Retrospektive in Cine­fantastique Vol. 8, Nr. 2/3 inkorporiert. Block erklärte, dass Adler ihn kontaktiert habe, um beider Talente zu verbinden und eine Science-Fiction-Story bei einem Filmstudio unterzubringen. Die anfängliche Idee zum Film kam demnach von Adler, und da Adler Ambitionen hatte, sich als Drehbuchautor zu profilieren, ist es fast sicher, dass er nicht mit leeren Händen auf Block zutrat – er wird bereits einen Storyentwurf ausgearbeitet gehabt haben. Das schließt freilich nicht aus, dass Block gemeinsam mit Adler den Entwurf noch überarbeitet hat. So erzählte Block, dass er seit jeher an Mythologie und literarischen Klassikern interessiert gewesen sei. Die Idee, die Story des Films auf Shakespeares Der Sturm aufzubauen, reklamierte Block für sich, denn dieses Werk, so erklärte er, sei immer schon sein Lieblingsstück von Shakespeare gewesen. Diese Behauptung ist nicht mehr verifizierbar und somit möglich. Andererseits legt Allen Adlers Herkommen aus dem Theatergeschäft es nahe, dass auch Adler mit Shakespeares Stücken vertraut gewesen war, und somit könnte die Idee, Shakespeares Sturm zu verwenden, auch auf ihn zurück­gehen.

 

Pikanterweise lässt sich überall dort, wo eine Überprüfung möglich ist, feststellen, dass Irving Block im Interview seine eigenen Anteile an der Story stark übertrieben hat. Das belegt der Vergleich des Storyentwurfs von Fatal Planet, den Adler und Block am 11. November 1952 bei MGM einreichten und der in einer Abschrift vom 24. Dezember 1952 noch erhalten ist, mit den späteren Drehbuchentwürfen von Cyril Hume. So hat Block keineswegs, wie er behauptete, die Freudsche, tiefenpsychologische Dimension des Id-Monsters in den Storyentwurf eingebracht. „Die Vorstellung eines insektenäugigen Monsters ist ziemlich kindisch“, erklärte Block damals. „Aber es gibt wahre Monster und Dämonen, die in uns wohnen, über die wir nichts wissen. Wir sind fähig, die abscheulichsten Dinge zu tun, und oft schockiert über diese Wahrheit.“ Zwar ist in Fatal Planet das auf dem Merkur umherschleichende Monster unsichtbar wie später im Film, aber es hat dort noch keinen psychologischen Bezug zum Wissenschaftler Adams, es inkarniert noch nicht dessen egoistisches, gewalttätiges Unterbewusstsein. Fatal Planet erzählt eine konventionelle Monsterfilmstory, wie Nicholas J. Cull feststellt, der den Entwurf von Fatal Planet, der sich heute in der MGM Scipt Collection der University of Southern California befindet, gelesen hat:

 

Die Story enthielt die grundlegenden Elemente des schließlich gedrehten Films. [ . . . ] Aber es gab auch wichtige Unterschiede zum Film, nicht zuletzt das ungeteilte Augenmerk auf das unsichtbare Monster. Soweit wie Adler und Block sich um die Story kümmerten, war ihnen diese Idee allein ausreichend, um den Film zu tragen, der so, wie er zunächst entworfen war, genausogut auch Attack of the Invisible Beast hätte genannt werden und als „Horrorfilm im Weltall“ hätte beworben werden können. Der Entwurf entfaltet sich als eine Litanei typischer Handlungen eines Monsters: Verschiedene nur schwach skizzierte Charaktere gehen in seinen Klauen zugrunde. Die Kreatur wird als sexuelle Bedrohung der Tochter gezeigt, die sich in einer Szene in ihr Schlafzimmer schleicht: „Wir können das Atemgeräusch hören, das sich immer mehr dem Mädchen nähert“. (James Chapman/ Nicholas J. Cull, Projecting Tomorrow, S. 80 f.; Hervorhebung original)

 

Auch die mittelalterliche Sage von der unberührten Jungfrau und dem Einhorn, über die Dr. Ostrow mit Captain Adams in zwei gefilmten, aber nicht verwendeten Szenen spricht und mit der Ostrow zu erklären versucht, weshalb die Wild­tiere keine Scheu vor Altaira haben, hat nicht Irving Block in den Film eingebracht, wie er behauptete, sondern ist erst von Cyril Hume ins Drehbuch geschrieben worden. Dasselbe gilt für Robby den Roboter und die Supertechnologie der Krell: Beide Elemente sind in Fatal Planet noch nicht enthalten. Vater und Tochter wohnen in Adlers und Blocks Ent­wurf zwar in den Ruinen einer untergegangenen außerirdischen Zivilisation, aber diese bleibt dort noch unausgeformt. Dass Blocks Erinnerung an Fatal Planet unzuverlässig war, wird auch daraus ersichtlich, dass er Nicholas Nayfack, den Produzenten von Alarm im Weltall, dafür kritisierte, dass er das unsichtbare Monster im letzten Akt des Films doch noch sichtbar werden ließ – obwohl genau das auch schon in Fatal Planet vorgesehen war, wo Adams und Grant ge­meinsam ein “Visabeam”-Gerät bauen, womit sie das Monster sichtbar machen.

 

Adler und Block hatten zunächst daran gedacht, ihre Story einem Low-Budget-Studio wie Allied Artist anzubieten, das schon mehrere Science-Fiction-Filme produziert hatte. Aber ihr Agent Bernard Feins überzeugte sie, „groß zu denken“ und es zunächst bei MGM zu versuchen; würde man dort scheitern, wäre der Gang zur Poverty Row immer noch mög­lich. Adler und Block besuchten MGM-Produzent Nicholas Nayfack in seinem Büro in Culver City, erläuterten ihm ihre Filmstory – wofür Block, wie er erzählte, zur Demonstration als „unsichtbares“ Monster mit schweren Schritten und rasselndem Atem vor Nayfacks Schreibtisch herumgewankt sein soll –, und es gelang ihnen tatsächlich, Nayfack für ihre Idee zu begeistern. Nayfack kaufte die Story und konnte auch Dore Schary (1905–1980), den Produktionschef bei MGM, dazu bewegen, grünes Licht für den ersten waschechten Science-Fiction-Film bei MGM zu geben. Das von Block und Adler eingereichte Skript von Fatal Planet wurde vom Studioleser Bill Cooke folgendermaßen kommentiert: „Obwohl noch ziemlich unausgeformt, gibt es hier eine Idee für einen Science-Fiction-Horrorfilm, der sich als haar­sträubend schauerlich erweisen könnte.“ Tatsache ist, dass MGM damals durchaus bereit war, an dem noch jungen Science-Fiction-Boom im Kino teilzuhaben, wie aus einer Korrespondenz von Dore Schary mit Dan Terrell, einem Kolle­gen des New Yorker MGM-Büros, vom Herbst 1952 ersichtlich wird (vgl. Chapman/Cull, Projecting Tomorrow, S. 79 f.). Es hatte lediglich an einem vielversprechenden Skript gefehlt, und es war Blocks und Adlers Glück, gerade zum richti­gen Zeitpunkt mit einer passenden Idee an Nicholas Nayfack heranzutreten.

Dore Schary, MGM-Produktionschef
MGM-Produktionschef Dore Schary

Dore Schary blieb zwar auch nach dem Beginn der Produktion skeptisch, ob Nayfacks Film funktionieren würde, doch das änderte sich, als er persönlich die prachtvollen Sets in den Studiohallen 15 und 30 besuchte, die für Alarm im Weltall konstruiert wur-den. „Ich war fasziniert von dem, was sie da machten“, erinnerte sich später Schary, „einfach fasziniert!“ Fortan unterstützte er Szenenbildner Arthur Lonergan und Effek-tespezialist A. Arnold Gillespie stets, wenn wieder einmal die zuvor geschätzten Kos-ten für die Bauten, Ausstattung und Effekte überzogen worden waren und die Pro-duktionsabteilung sich darüber beklagte. „Ich erinnere mich bei diesem Film, dass ich sagte: ,Kommt schon, wir haben hier etwas wirklich Tolles, gebt einfach das Geld, transferiert aus anderen Töpfen!’“ So ist es vor allem Dore Scharys Begeisterung zu verdanken, dass Alarm im Weltall überhaupt so außergewöhnlich teuer wurde – ohne seine Zustimmung wäre das unmöglich gewesen.

Nachdem Nicholas Nayfack Adlers und Blocks Story gekauft hatte, die letztlich nur ein dürres Treatment darstellte, be­auftragte er sofort den bei MGM beschäftigten Drehbuchautor Cyril Hume (1900–1966), die Story weiter auszuformen, und erst Hume war es, der Alarm im Weltall zu dem intelligenten Stück Science-Fiction machte, wofür der Film so ge­fei­ert wird.

 

Cyril Hume begann seine schriftstellerische Karriere 1923 in New York mit der Veröffentlichung seines ersten Romans The Wife of the Centaur, der von den Kritikern überschwänglich gelobt und ein Bestseller wurde; das Filmstudio Metro kaufte daraufhin für 25.000 Dollar die Rechte und verfilmte den Roman 1924 unter der Regie von King Vidor (1894–1982). Schon damals wurde Hume bewusst, wieviel lukrativer das Filmgeschäft gegenüber dem Buchmarkt für einen Autor sein konnte. Nach weiteren erfolgreichen Romanen zog Hume 1929 nach Kalifornien und betätigte sich fortan als Drehbuchautor, vornehmlich für MGM, während er parallel dazu weiterhin Romane schrieb. Bekannt wurde Hume in den Dreißigerjahren vor allem mit seinen Drehbüchern für die Tarzanfilme mit Johnny Weissmuller. Er hat sogar den Hauptdarsteller der Filme selbst, Johnny Weissmuller (1904–1984), im „Hollywood Athletic Club“ entdeckt und dazu überredet, für die Tarzan-Rolle vorzusprechen. Zu derselben Zeit füllten Humes zahlreiche geschiedene Ehen die Klatschspalten der Presse Hollywoods – Hume war unter anderem mit der Schauspielerin Helen Chandler verheiratet, die die Mina im Bela-Lugosi-Film Dracula (1931) gespielt hatte. Richard Maibaum (1909–1991), späterer Drehbuchautor zahlreicher James-Bond-Filme, war ein enger Freund von Hume, und neben einigen Drehbüchern, die sie gemeinsam geschrieben hatten – zum Beispiel Der große Gatsby (1949) von Elliot Nugent –, hatten sie mit B. E. M. (für Bug Eyed Monster) und First En­counter auch zwei Entwürfe zu Science-Fiction-Filmen verfasst, die allerdings nie realisiert wurden.

 

Cyril Hume war ganz offensichtlich bestens vertraut mit der zeitgenössischen Science-Fiction-Literatur. Aus ihr hat er eine ganze Reihe von Science-Fiction-Konzepten unverfälscht in sein Skript importiert. Das beginnt schon damit, dass Hume die Handlung des Films vom Merkur auf einen Planeten in einem Lichtjahre entfernten Sonnensystem verlegte und zeitlich in das 23. Jahrhundert verschob. Andere Konzepte, die Hume einführte, sind der Raumflug mit Überlicht­geschwindigkeit (ein Element, das hier das erste Mal in einem Spielfilm verwendet wurde), die physiologische An­strengung beim Durchbrechen der „Lichtmauer“, wenn das Raumschiff auf Unterlichtgeschwindigkeit abbremst (die Besatzung wird auf einem speziell dafür eingerichteten Deck in grünen Säulen aus Licht scheinbar in Energie verwan­delt oder in Stasis versetzt – jene Effektszene, die Gene Roddenberrys beaming in Star Trek inspirierte) und natürlich Robby der Roboter, dem die berühmten Asimovschen Robotergesetze einprogrammiert sind, woran sich zeigt, dass Cyril Hume Isaac Asimovs I, Robot (1950) gelesen haben muss. Weitere typische Science-Fiction-Details wie Strahlen­blaster oder Energiefelder wurden wie selbstverständlich in das Drehbuch eingebracht. Hume fügte auch, wie schon erwähnt, die faszinierende Idee von der untergegangenen Alienzivilisation der Krell und ihre kaum zu begreifende Supertechnologie hinzu. Die Krell beschrieb Hume in seinem Skript als froschähnliche Gestalten mit zwei langen Beinen und einem langen Schwanz; im Film bekommt man sie freilich nie zu Gesicht, nur durch die diamantförmigen Krell-Türen einen vagen Hinweis auf ihre Gestalt, was die Imagination des Publikums nur umso mehr anregt.

Szenenfoto aus dem Film "Alarm im Weltall" (Forbidden Planet, USA 1956) von Fred McLeod Wilcox; Robby der Roboter
Elektronischer Tausendsassa im Kanonenofen-Design – Robby der Roboter ist der erste wirkliche Roboter-Superstar der Kinogeschichte

Ein besonders interessantes Science-Fiction-Konzept, das Hume verwendete, wurde erst kurz vor der Veröffentlichung aus dem Film herausgeschnitten – in erster Linie wohl nur, um das Tempo etwas zu erhöhen, vielleicht aber auch, weil man fürchtete, dass es für ein unbedarftes Publikum zu unverständlich sein würde. So wurde der Dialog der Raum­fahrer am Anfang des Films leicht gekürzt, als die C-57-D im Altairsystem bedenklich nah am Zentralgestirn eintrifft, weshalb es im Schiffsinneren recht heiß wird. In der längeren Version dieser Szene beklagt sich Captain Adams bei seinem Steuermann Farman darüber, dass er das Raumschiff noch irgendwann mitten in einem Stern herauskommen lassen wird: “Someday you’re going to bring us out right inside some star.” Dies impliziert, dass die C-57-D im über­lichtschnellen Flug in einer anderen Dimension – im guten, alten „Hyperraum“ – unterwegs ist, aus dem sie beim Ab­bremsen auf Unterlichtgeschwindigkeit „heraustritt“. Das wird in der ursprünglichen Einleitung, die am Anfang des Films aus dem Off gesprochen wird, auch unterstrichen: Dort ist von der Entdeckung des “quanto-gravitetic hyper drive” die Rede, “through which the speed of light was first attained and later greatly surpassed”. Auch diese beiden Formulierungen wurden allerdings noch vor Veröffentlichung herausgekürzt.

 

Alle Science-Fiction-Konzepte behandelte Hume mit großer Ernsthaftigkeit; ihm war es wichtig, diese Dinge wirklich glaubwürdig darzustellen. Die technologische und spekulative Reife von Humes Arbeit lässt das Herz jedes Genrefans höher schlagen. Darüber hinaus gelang Cyril Hume das Kunststück, die gewöhnliche Monsterstory von Adler und Block zu einer spannenden Reflexion über das Wesen des Menschen und die Grenzen, die ihn als vernunftbegabtes physi­sches Geschöpf beschränken, auszugestalten. Dafür zog er die psychoanalytische Theorie Sigmund Freuds heran und verknüpfte das Wüten des unsichtbaren Monsters mit Morbius’ unterbewussten Obsessionen – seine Hybris, unbe­grenztes Wissen zu erstreben, und das unterbewusste sexuelle Verlangen nach seiner Tochter. Außerdem nutzte er mythologische Motive und Topoi aus der antiken, biblischen und mittelalterlichen Überlieferung, die dem Film einen eng geknüpften, vielschichtigen Sinngehalt verleihen.

 

Ein besonders feinsinniger Verweis gelang Hume mit dem Namen des Raumschiffs, das Morbius einst nach Altair IV gebracht hatte; Hume änderte den Namen in den verschiedenen Drehbuchfassungen erst spät von Chronian zu Belle­rophon. In der griechischen Mythologie ist Bellerophon ein Held, der die monströse Chimäre tötete, und für seine An-maßung, dass er mit Pegasus zum Göttersitz des Olymp hinaufgeflogen war, bitter bestraft wurde. Bellerophon ist je­doch auch der Name des britischen Kriegsschiffes, das im Juli 1815 den bei Waterloo endgültig geschlagenen und in Paris zurückgetretenen Napoleon ins endgültige Exil brachte. Der Name evoziert somit auch einen Bezug auf Napole­ons Hybris, sein Diktatorentum und seine Verbannung auf der fernen Insel St. Helena, die in Morbius und dem fernen Altair IV ihren Widerhall finden.

 

Cyril Hume machte so aus der simplen Monsterstory von Allen Adler und Irving Block eine engmaschige, ungewöhn­lich intelligente Textur verschiedenster Bezüge, die sein Drehbuch von Alarm im Weltall trotz der oft gestelzten Dia­loge und der missglückten Versuche, humorvoll zu sein, zu einer der originellsten und besten Science-Fiction-Erzäh­lungen machen, die je auf die Kinoleinwand gebracht wurden. Bill Warren drückt es so aus:

 

Ein zentrales Thema von Alarm im Weltall ist unterdrückter Inzest – Morbius begehrt Altaira, was ihm nur in seinen Träumen klar wird. Doch auch wenn dies nur ein untergeordnetes Thema wäre, so ist doch die dunklere Seite elterlicher Beziehungen gewiss ein Hauptelement. Genau wie Sexualität, Träume, die ultimativen Ziele technologischer Entwicklung, das Id gegenüber dem Ich und dem Über-Ich, Loyalität, tragische Missbräuche von Wissenschaft (obwohl Alarm im Weltall grundsätzlich für Technologie ist), und andere. Tatsächlich hallt Alarm im Weltall wie ein geschlagener Gong mit starken Ideen und Themen nach. Je mehr man hinsieht, desto mehr entdeckt man – und anders als in vielen ähnlichen Filmen sind die Ideen wirklich da. (Bill Warren, Skies, S. 297).

 

Morbius’ Albträume

 

Der wortgewandte, aber auch selbstherrliche Wissenschaftler Dr. Morbius, souverän und aristokratisch dargestellt von Walter Pidgeon (1897–1984), hat die Supertechnologie der Krell erforscht und strebt danach, sie zu kontrollieren. Durch den direkten Anschluss seines Gehirns an diese Supertechnologie konnte er zwar seine geistige Leistungsfähigkeit um ein Vielfaches steigern. Dennoch ist Morbius der einstigen Gehirnleistung der Krell noch immer weit unterlegen, sein Verständnis des Krellwissens rudimentär. Ungeachtet der Risiken hält Morbius wie besessen daran fest, weiter auf die Durchdringung und Beherrschung des Krellwissens hinzuarbeiten. Morbius, darauf verweist schon sein an den Tod ge­mahnender Name und seine dunkle, dämonisch wirkende Erscheinung, ist eine faustische Gestalt, die im übertragenen Sinne im Pakt mit dem Teufel steht. Er ist ein anmaßender Wissenschaftler, der, wie sich später herausstellen wird, um das Versprechen allumfassenden Wissens im wahrsten Sinne des Wortes seine Seele veräußert. Damit stehen Faust wie Morbius motivgeschichtlich in einer Reihe mit Dr. Frankenstein und all den anderen mad scientists, die seither die Leinwand bevölkert haben, um die von der Schöpfung gezogenen natürlichen – oder auch göttlichen – Grenzen des menschlichen Geistes zu überschreiten.

Szenenfoto aus dem Film "Alarm im Weltall" (Forbidden Planet, USA 1956) von Fred McLeod Wilcox; Anne Francis und Walter Pidgeon
Altaira (Anne Francis) und ihr Vater Dr. Morbius (Walter Pidgeon) empfangen in ihrem Haus die unerwarteten Besucher von der Erde

Wie Morbius im Verlauf des Films offenbart, hatten die Krell daran gearbeitet, ihr Bewusstsein vollkommen von der Bedingtheit der Materie loszulösen. Es war ihnen schließlich gelungen, mit einer fantastischen Maschine und fast un­begrenzt leistungsfähigen Kraftwerken, die tief unter der Oberfläche des Planeten verborgen sind, Gedanken direkt aus Energie zu materialisieren. Schöpfung durch den bloßen Gedanken – eine wahrhaft kühne Vision, die einer inte­ressanten Science-Fiction-Story alle Ehre macht! Und eine Fähigkeit, die die Krell, wäre das Experiment geglückt, prak­tisch gottgleich gemacht hätte. Zu spät erkennt Morbius, dass die metaphysische Befreiung des Bewusstseins der Krell auch die Entfesselung ihres nicht kontrollierbaren Unterbewusstseins, des Id, mit sich gebracht hatte. Die Krell waren an ihren eigenen Albträumen und mörderischen Trieben, die von der Maschine materialisiert wurden, zugrundege­gangen.

 

Auch Morbius’ Id verursacht ein Fiasko. Er hegt unterdrückte inzestuöse Gefühle für seine unschuldige Tochter Altaira, die noch nie einen anderen Mann gesehen hat; außerdem sieht er durch die Eindringlinge von der Erde seine unabhän­gige Krellforschung bedroht. Seine unterbewussten Triebe, seine Eifersucht und sein Machtstreben erschaffen ein un­sichtbares Monstrum, das mordend gegen die Raumfahrer vorgeht. Als Altaira die schreckliche Wahrheit über ihren Vater erkennt und sich von ihm lossagt, um mit Captain Adams zur Erde zu fliegen, wendet sich Morbius’ Id-Monster auch gegen sie. Morbius verschließt sich bis zum Schluss vor der Wahrheit. Erst im dramatischen Höhepunkt des Films im Krell-Laboratorium akzeptiert er, dass seine unterbewussten Aggressionen den Tod zahlreicher Astronauten verur­sacht haben. Er stellt sich verzweifelt gegen das Monstrum und sagt sich in wilder Kraftanstrengung von ihm los – und rettet so seine Tochter. Das Monstrum verschwindet, doch Morbius stirbt. Ursprünglich sollte das Monster ihn, wie be­reits erwähnt, direkt töten, doch da der Film nicht zeigt, was genau mit Morbius geschieht, ist auch eine andere, psy­chologischere Deutung legitim: Morbius stirbt an der geistigen Erschöpfung, die ihn der Kampf mit seinem „Monster aus dem Id“ gekostet hat.

 

Der ödipale Twist des Showdowns ist eine gelungene Lösung des inneren Konflikts, der sich aus Gefühlen wie Eitel­keit, Machtstreben und unterdrückten sexuellen Gelüsten in Morbius zusammengebraut hat. Das Thema bietet jedoch mehr als die bloße Illustration eines Freudschen Lehrbuchs. Die psychoanalytisch durchleuchtete, zwiegespaltene Na­tur des Menschen entlarvt darüber hinaus in gewisser Weise die paranoiden Ängste ihrer Zeit. Die Bedrohung des Menschen drängt nicht wie zumeist in Science-Fiction-Filmen der Fünfzigerjahre von außen heran, sondern entspringt vielmehr der menschlichen Psyche selbst. Es ist unser eigenes Unterbewusstsein, aus dem die Monster unserer Ängste, aber auch unsere aggressiven, nach Dominanz und Herrschaft strebenden Triebe entspringen. Und dieser Teil der menschlichen Psyche bildet, offensichtlich, einen integralen Bestandteil dessen, was den Menschen Mensch sein lässt. Die dunklen Potenziale des Unterbewusstseins lassen sich durch die moralische Kultivierung des Bewusstseins nur zu einem gewissen Grade einhegen und lenken, aber nicht löschen. Das Menetekel hierfür bilden die extrem fortgeschrit­tenen Krell: Auch sie konnten selbst nach dem Höhenflug einer langen geistigen und technischen Entwicklung nicht ihrer kreatürlichen Bedingtheit entrinnen. Einmal entfesselt, richteten die unterbewussten Aggressionen ihre gesamte Spezies zugrunde.

 

Das Unterbewusstsein ist ambivalent, möchte man hinzusetzen, Triebe und Aggressionen sind nicht per se negativ. Der Wille zur Macht liefert die Kraft, sich durchzusetzen und für Ziele zu kämpfen; er ist damit eine wesentliche Trieb­feder, die die Zivilisation bislang vorangetrieben hat. Freilich nicht die einzige Triebfeder. Ohne eine gleichzeitige mo­ralische Kultur, die den Ansprüchen und der Menschenwürde aller gerecht wird, wirkt sie zerstörerisch. So hatte Mor­bius’ entfesselter Wille zur Macht bereits zwanzig Jahre zuvor ein Monster geschaffen, das alle Mitglieder der Bellero­phon-Besatzung ermordete, weil diese wieder abreisen und Morbius um die Macht über das Krellwissen bringen woll­ten. Nach dem Tod der Crew konnte Morbius dann seiner besessenen Forscherlust ohne Beschränkungen nachgehen.

 

Altairas Paradies

 

Der persönlichen und sexuellen Entfaltung seiner Tochter wurde Morbius mit der Isolation nicht gerecht – wie er in einer Szene auch selbst anerkennt. Altaira ist ein naives und unschuldiges – jungfräuliches – Naturkind, das das Para­dies eines kontingenten, unbewussten Seins im Hier und Jetzt noch nicht verlassen hat. Symbolisiert wird das mit zwei Motiven des biblischen Mythos’ vom Paradies: Altairas ungeschiedene Einheit mit den Tieren und ihr vollkommener Mangel an Schamgefühl, wenn sie nur knapp bekleidet vor den Männern von der Erde auftritt oder wie in der Bade­szene sogar völlig nackt ist. Den Übertritt in die Zivilisation, gleichbedeutend mit einem bewussten Dasein als Mensch mit all seinen kritischen Widrigkeiten, vollzieht sie – auch das ein uraltes, schon im altmesopotamischen Gilgamesch-Epos anzutreffendes Mythologem – mit der Liebe. In dem Moment, wo Altaira sich Captain Adams zugetan fühlt und ihn küsst, zerbricht ihr Paradies. Die Tiere erkennen sie nicht mehr als ihresgleichen und greifen sie an. Captain Adams muss von seiner Strahlenpistole Gebrauch machen, um einen anspringenden Tiger zu zerstrahlen, der bis dahin stets Altairas Freund und Spielgefährte gewesen war. Die Spaltung von Kultur und Natur ist vollzogen.

Szenenfoto aus dem Film "Alarm im Weltall" (Forbidden Planet, USA 1956) von Fred McLeod Wilcox; Leslie Nielsen und Anne Francis
Chauvinismus oder dialektische Erkenntnis? Die Liebe zum Mann vollendet Altaira als Frau

In der Allegorie auf das biblische Paradies, symbolisiert mit dem lieblichen Park um Morbius’ Haus als Garten Eden und Altaira als unschuldiger Eva, deutet sich aber noch eine weitere Sinndeutung an, die auch im Titel des Films angezeigt wird: Forbidden Planet, der „verbotene Planet“, was natürlich an die „verbotene Frucht“ im Paradies anklingt. Dort bedeutet die verbotene Frucht die Verheißung von Erkenntnis und ihr Genuss der Sündenfall, der den Menschen für immer aus dem Paradies vertreibt. Auch hier versündigten sich die Krell – und Morbius –, als sie nach dem Wissen um die Schöpfung, um die göttliche Fügung der Welt griffen.

 

Die Krell hatten darüber hinaus auch nach der Erlangung göttlicher Eigenschaften getrachtet: Sich selbst ganz von der Bedingtheit der Materie abzulösen, sich metaphysisch zu transzendieren, bedeutet nichts weniger als die Überwin­dung des Todes.

 

Schöpferkraft und Unsterblichkeit – beides hatten die Krell mit wissenschaftlichen Mitteln zu gewinnen versucht und damit eine Grenze überschritten, die ihnen nicht zu überschreiten zustand. Ihr Untergang wird zwar wissenschaftlich, d. h. psychoanalytisch erklärt. Doch die eigenen unterbewussten bestialischen Ur- und Abgründe, durch die sie zugrun­degingen, sind ein direkter Rückverweis auf die tierische Herkunft der Krell. Sie konnten den tiefgründigen Fesseln ihres physischen Daseins nicht entkommen, da diese ihrer bewussten Intelligenz und ihrem Geist eingeprägt und nicht abzuscheiden sind – Gottes Plan ist am Ende doch allmächtig . . .

 

Vielschichtiger Sinn

 

Das Tabu für Sterbliche, göttliches Wissen oder göttliche Eigenschaften wie die Unsterblichkeit zu erlangen, ist ein uralter mythologischer Topos, der in Alarm im Weltall in origineller Art und Weise eine neue Ausprägung erfahren hat. Dass es Gott – oder ein Gott – ist, der die Grenzlinie des Tabus gezogen hat, wird an mehreren Stellen im Film mit der christlichen Frömmigkeit der Figuren unterstrichen. Die Besatzung der C-57-D und ihr Captain Adams drücken mehr­fach ihr selbstverständliches Vertrauen auf die christliche Religion aus. Als die Crew der C-57-D das erste Mal Altair IV auf dem Bildschirm bewundert, äußert Dr. Ostrow: “The Lord sure makes some beautiful worlds.” Als einer der Raum­fahrer vom Id-Monster getötet wird, erhält er ein christliches Begräbnis, bei dem Adams mit der Bibel in der Hand die Rolle des Priesters übernimmt. Und als Morbius voller Entsetzen erkennt, dass das unsichtbare, mordende Monster seinem eigenen Id entspringt, schleudert ihm Adams die denkwürdige Anklage entgegen: “We’re all part monsters in our subconcious so we have laws and religion.”

 

Gesetze und Religion – Kontrollinstanzen, bloße gesellschaftliche Werkzeuge, von denen Morbius sich fahrlässig selbst entbunden hat. Sie entsprechen der moralischen Kultur, von der ich oben bereits sprach. Bemerkenswert aber auch: Adams spricht hier, an entscheidender Stelle, in abstrakten Kategorien, nicht explizit bzw. absolut vom christlichen Gott. Im letzten Satz des Films drückt Adams die moralische Quintessenz der Geschichte zwar mit dem schlichten Begriff Gott aus: “Your father’s name will shine again like a beacon in the galaxy. It's true, it will remind us that we are, after all, not god.” Doch dürfte Hume auch hier eher die Grenzlinie zwischen dem Menschlichen und Göttlichen oder auch Transzendentalen im Blick gehabt haben, ob man Letzteres nun christlich oder anderweitig religiös oder philoso­phisch fasst. Im ersten Drehbuchentwurf Humes lautete der Schlusssatz noch: “And then your father’s name will stand like a milestone in the galaxy warning man to remember that he is not a god.”

 

Die Filmwissenschaftler James Chapman und Nicholas J. Cull haben in ihrem exzellenten Buch Projecting Tomorrow (London/New York 2013) mit Nachdruck auf diese feinen, kaum wahrnehmbaren Abweichungen vom christlichen Tenor hingewiesen und sie folgendermaßen kommentiert:

 

Die ungezwungene Religiosität steht gewiss im Einklang mit der US-Kultur der Fünfzigerjahre, und Humes beiläufige Anmerkung über das Jüngste Gericht scheint die Bereitschaft zu reflektieren, ihr zu frönen. Gleichwohl maskiert die oberflächliche Religiosi­tät die wahren Implikationen der Story und der Herausforderung, die die tatsächliche Entdeckung einer außerirdischen Zivilisa­tion für die irdischen Glaubensrichtungen bedeuten würde. Der „Gott“, der in der Schlussrede affirmiert wird, ist nicht ein aktiver christlicher Gott, sondern eine metaphorische Gottheit: „ein Gott“, der als Symbol dasteht für eine absolute und unkontrollierte Macht, die kein Mensch jemals besitzen sollte. Für Hume ist die Realität oder Irrealität von Religion nicht der Punkt – ihr Wert liegt in ihrer Fähigkeit, die dunklere Natur des Menschen unter Kontrolle zu halten. (Projecting Tomorrow, S. 85 f.)

 

Das ist schlüssig argumentiert – und macht die moralische Botschaft des Films auch für das Publikum des 21. Jahrhun­derts goutierbar, das sich in großen Teilen von den Gewissheiten der christlichen Kirche entfernt hat und die offen zur Schau gestellte Christlichkeit im Film eher distanziert zur Kenntnis nimmt. Allerdings scheinen mir Chapman und Cull den Gehalt des Films auch etwas zu verkürzen, wenn sie die zentrale Botschaft vor allem in der Warnung vor „absolu­ter und unkontrollierter Macht“ sehen:

 

Während des Schreibprozesses entwickelte Hume eine politische Allegorie innerhalb der Story: Er stützte sich auf das Thema der Warnung vor der Diktatur, und die Story wurde zu einer Variante der „Alle Macht korrumpiert“-Idee, insbesondere dadurch in­teressant gemacht, dass in der ersten Blüte des Atomzeitalters der korrumpierte Charakter ein Wissenschaftler ist. Dies würde durch die Schlussrede des Films betont werden ( . . . ) (Projecting Tomorrow, S. 83)

 

Meines Erachtens hat der Film dagegen durchaus direkt mit Religiosität zu tun, obgleich dies zugegebenermaßen eine Spitzfindigkeit in der Auslegung ist. Der Mensch soll nicht vergessen, dass er schlussendlich „kein Gott“ ist, sagt Adams – und pflichtet damit der Erkenntnis oder auch nur der Ahnung bei, dass der Bau der Welt ein transzendental uner­messliches Wissen birgt, ob man dies nun „Gott“ nennt oder nicht. Die Errungenschaften der Krell selbst verweisen auf die Existenz dieses transzendenten Reichs jenseits unserer Vorstellungskräfte. Und dieses Reich, so sagt der Film und wiederholt damit die uralte Warnung vor menschlicher Hybris, die sich in allen Religionen findet und allen Erzählungen und Filmen über mad scientists eingeschrieben ist, dieses Reich steht uns Menschen nicht zu.

 

Warum? Nun, darüber ließe sich trefflich und ausufernd philosophieren. Es scheint naheliegend, dass es mit dem Men­schentum selbst zu tun hat. Denn – und auch das ist ein wesentlicher Sinngehalt des Films, der bei Chapman und Cull zu kurz kommt – der Film ist auch eine anregende Spekulation über den Menschen und das, was ihn ausmacht. Der Mensch ist, das zeigt sich in der Überschreitung der Grenze, die ihm mit seinem sterblichen Körper gezogen ist, letzt­lich auch durch seinen Körper Mensch. Und vielleicht wird er – dies ist die demütige, vielleicht pessimistische Ahnung – trotz aller Fortentwicklung stets zu gering bleiben, um alle letzten Geheimnisse der großen kosmischen Schöpfung zu erfassen.

Szenenfoto aus dem Film "Alarm im Weltall" (Forbidden Planet, USA 1956) von Fred McLeod Wilcox; der Lüftungsschacht der Krell
Die kilometertiefen Ventilationsschächte der Krell-Maschinerie sind auch ein totes Relikt und Mahnmal der Hybris ihrer Erbauer

Da Dr. Morbius, wie schon dargelegt wurde, Züge des klassischen mad scientist aufweist, haben einige Kritiker den Film in einer Reihe mit den zahllosen Monsterfilmen der Fünfzigerjahre gesehen, die auf unterschwellige Weise die zeitgenössische Angst vor der Atombombe ausdrücken. Alarm im Weltall ist allerdings keine generelle Warnung vor der Technologie oder fortgeschrittener Forschung. Sein ganzes utopisches Design und sein letztlich positives Bild vom 23. Jahrhundert, in dem die Menschheit auf mehreren Planeten in einem interstellaren Gemeinwesen vereinigt ist und mit überlichtschnellen Raumschiffen weiter in den Kosmos vorstößt, offenbart seine grundsätzliche Befürwortung von Fortschritt und Technologie.

 

Auch die Atomenergie ist im 23. Jahrhundert längst nutzbringend domestiziert worden, wie im Film an einigen Stellen explizit ausgesagt wird. Letzteres spielt für die Interpretation von Morbius’ gefährlichem Handeln als Metapher auf die Angst vor der Atombombe zwar keine Rolle, und in den Fünfzigerjahren kam dieser metaphorische Sinn wohl auch wirklich zum Tragen. “Man does not behold the face of the Gorgon and live”, bemerkt Morbius düster, als er den Be­suchern von der Erde einen Blick auf die gewaltigen nuklearen Feuer der unterirdischen Krell-Maschinen gewährt – indirekt, über den „Spiegel“ eines Bildschirms. Die Warnung richtet sich jedoch weniger gegen die Technologie an sich als vielmehr gegen den Wissenschaftler, der seine Begriffsfähigkeit und die unabsehbaren Folgen unterschätzt, die sein Handeln zeitigen. So oder so täte man der mythologischen und philosophischen Vielschichtigkeit des Films aller­dings Unrecht, würde man ihn allein auf die Atomangst seiner Zeit reduzieren und damit auf eine Stufe mit den vielen eindimensionalen Monsterfilmen der Fünfzigerjahre stellen.

 

Es kursieren verschiedene, widersprüchliche Angaben über das Einspielergebnis von Alarm im Weltall, aber fest scheint zu stehen, dass dem Film während seiner Laufzeit in den amerikanischen Kinos im April und Mai 1956 trotz positiver Kritiken in der Presse kein großer kommerzieller Erfolg beschieden war und er bestenfalls seine Produktions­kosten wieder eingespielt hat. Science-Fiction-Filme erwiesen sich nach wie vor am profitabelsten, wenn sie mit be­scheidenen Budgets realisiert wurden. So machte Alarm im Weltall keine Schule, und der Versuch, eine großzügig ausgestattete, überwältigende Space Opera mit erstklassigen Sets und Tricks zu drehen, wurde für viele Jahre nicht mehr wiederholt. Der Wert des Films in Hinblick auf seine großartigen Produktionswerte und für die Geschichte des Genres im Kino wurde erst seit Anfang der Siebzigerjahre zunehmend gewürdigt. Heute hat der Film zu Recht Klassi­kerstatus.

 

Alarm im Weltall ist einer der besten und intelligentesten Science-Fiction-Filme aller Zeiten. Er führt eine Fülle von von mythologischen, literarischen, psychoanalytischen und philosophischen Verweisen mit sich, die verschiedene Perspek­tiven auf seinen Plot aufschließen. Der Film lässt sich nicht auf eine einzige Deutung reduzieren, und das weist ihn als Kunstwerk im klassischen Wortsinne aus. Er ist einer der ersten Science-Fiction-Filme, der die fiktiven wissenschaftli­chen Spekulationen der Science-Fiction-Literatur wirklich ernst nimmt, statt sie filmisch zu verballhornen. Darüber hinaus ist Alarm im Weltall ein fantasievolles, spannendes und wunderschönes Science-Fiction-Abenteuer, das mit seinem Fünfzigerjahre-Design einen nostalgischen Augenschmaus bietet. Ein wegweisender Meilenstein des Genres und damit ein Muss für jeden, der sich für Science-Fiction und ihre Geschichte interessiert.

 

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Appendix: Das Schrifttum über Alarm im Weltall

 

Die Masse der in der Literatur über Alarm im Weltall verfügbaren Informationen und interpretatorischen Ansätze ist überwältigend groß, und es ist unmöglich, sie in einem Artikel wie diesem, der bereits weit über eine kritische Bespre­chung hinausgegangen ist, vollständig zu berücksichtigen. So musste ich zahlreiche Aspekte und Details der Produk­tionsgeschichte des Films zwangsläufig knapp halten oder ganz weglassen, auch wenn sie allesamt durchweg interes­sant sind. Bei meinen eigenen Recherchen hatte ich mich bemüht, insbesondere mehr über die Ursprünge der eigent­lichen Erzählung von Alarm im Weltall und über einen der ursprünglichen Autoren, Allen Adler, herauszukriegen, denn gerade über ihn gibt es in Büchern, Artikeln und im Internet kaum brauchbare Informationen. Im interpretie­renden Teil meines Artikels bemühte ich mich dagegen darum, eigene Gedanken zu entwickeln, statt mich darauf zu beschränken, nur die Interpretationen anderer wiederzukäuen.

 

Es ist schon so, wie Bill Warren in seinem Buch Keep Watching the Skies! über den Film gesagt hat: „Je mehr man hin­sieht, desto mehr entdeckt man“. Für jene, die Lust haben, noch tiefer in das umfangreiche Nerd-Wissen um diesen Film einzutauchen, möchte ich hier die hauptsächliche (durchweg englischsprachige) Literatur präsentieren, die dafür wichtig ist und aus der praktisch alle Interpreten des Films direkt oder aus zweiter oder dritter Hand ihre Informatio­nen schöpfen. Auch für mich waren sie die Hauptquellen. Sehr zu empfehlen sind natürlich zunächst die vorbildlich gemachten Bonus-Dokumentationen und die geschnittenen Szenen auf den exzellenten DVD- und Bluray-Ausgaben von Alarm im Weltall von Warner Bros. und Turner Entertainment (ab 2006). Im Internet konnte ich zumindest eine der zahlreichen Drehbuchfassungen, die Cyril Hume verfasste, als vollständige PDF-Datei ausfindig machen, und zwar die Fassung vom 3. September 1954, als Download zu finden auf der Seite SimplyScripts. Die ersten vier Seiten des schlussendlichen shooting scripts vom 10. März 1955 können im Internet-Archiv von Turner Classic Movies eingesehen werden, dem Rechteinhaber von Alarm im Weltall; dort ist auch eine schöne Fotogalerie mit Behind-the-scenes-Bil­dern, vor allem mit der bezaubernden Anne Francis, zu bewundern. Wer tiefer in das filmtechnische Thema der zahl­reichen, exzellenten matte shots eintauchen will, die in diesem Film eingesetzt wurden, dem sei der hervorragende Forbidden Planet-Artikel zum Thema im Blog Matte Shot – A Tribute to Golden Era Special FX ans Herz gelegt, verfasst von einem in Auckland (Neusee­land) ansässigen Filmfreak und außerordentlich detailliert, mit zahlreichen Abbildun­gen, recherchiert.

 

Im gedruckten Schrifttum sind vor allem die folgen­den Quellen für eine detaillierte Recherche des Films maßgeblich:

Cinefantastique Vol. 4 Nr. 1 (September 1974)

Cinefantastique Vol. 4, Nr. 1 (September 1974), darin: “Retrospect: Forbidden Planet” von Steve Rubin (S. 4–13). Das Magazin Cinefantastique, 1970 von Frederick S. Clarke (1948–2000) in Oak Park bei Chicago gegründet, war für viele Jahrzehnte die mit Abstand beste und am genauesten recherchieren­de Fachzeitschrift für das fantastische Kino. Von 2006 an existierte das Ma­gazin nur noch als Onlineportal unter vielen und hatte seine herausragende Rolle längst eingebüßt; inzwischen ist auch das Online-Portal eingestellt. In dem hier vorgestellten Heft erschien die allererste de­taillierte Produktions­geschichte überhaupt von Alarm im Weltall, illustriert mit zahlreichen Fotos von den Dreharbeiten, Spezialeffekten, matte pain­tings und Produktions­skizzen. Für seinen Artikel hatte Steve Rubin versucht, alle noch lebenden Beteiligten der Dreharbeiten von Alarm im Weltall auf­zuspüren und zu in­terviewen. Er sprach mit Irving Block, Arthur Lonergan, A. Arnold Gillespie, George Folsey und Bebe und Louis Barron. Dagegen waren Allen Adler, Cyril Hume, Nicholas Nayfack, Fred McLeod Wilcox, Joshua Meador, Warren Newcombe, Henri Hillinck, Howard Fisher und viele andere bis 1974 leider längst verstorben. Der Artikel ist prall gefüllt mit Informatio­nen zur Produktionsgeschichte des Films. In der 1979 er­schienenen Cinefantastique-Rückschau auf den Film wurde Steve Rubins Text fast unverändert eingearbeitet. Aller­dings ist die Geschichte von Bebe und Louis Barron und ihre Herstellung des Soundtracks zum Film hier eine Prise umfangreicher. Daher ist der Artikel immer noch lesenswert.

Cinefantastique Vol. 8 Nr. 2/3 (Spring 1979)

Cinefantastique Vol. 8, Nr. 2/3 (Frühjahr 1979), darin: “Forbidden Planet: The Production History of the First Film to Capture the Essence of the Science Fiction Genre as Told by the People Who Created It” von Frederick S. Clarke und Steve Rubin (S. 4–67). Dies ist unbestritten der definitive Artikel über Alarm im Weltall, praktisch die „Bibel“ über den Film – bis heute. Keine spä­tere Abhandlung über Alarm im Weltall hat je derart detailliert und umfas­send die Produktionsgeschichte des Films erforscht und dargestellt, und praktisch alle späteren Arbeiten stützen sich letztendlich auf diesen Artikel. Die über 60 Seiten füllende Abhandlung stellt noch immer eine herausra­gende, erstklassige Meisterleistung dar – sowohl in Hinblick auf die For­schungsarbeit als auch in Hinblick auf die journalistisch brillante Aufarbei­tung. Steve Rubins Text aus Cinefantastique Vol. 4 Nr. 1 wurde nahezu un­verändert in diese Arbeit inkorporiert. Allerdings wurde erheblich mehr Ma­terial über die Produktion des Films und Hintergrundinfos über die Beteilig­ten, zum Beispiel über Drehbuchautor Cyril Hume, recherchiert und verar­beitet, und weitere Beteiligte der Produktion wie beispielsweise die später bekannter gewordenen Künstler Joe Alves und Matthew Yuricich wurden zu dem Film interviewt. Wichtige neue, in­tensiv diskutierte Quellen waren das originale shooting script und ein rough cut des Films, den die Barrons noch in ihrem Besitz hatten (die dort enthaltenen Szenen, die später geschnitten wurden, finden sich inzwischen alle auf der DVD bzw. der Bluray als Extras wieder). Der Artikel strotzt außerdem vor einer Fülle von Illustrationen, die jedem Alarm im Weltall-Fan das Herz aufgehen lassen: Produktionsskizzen, matte paintings, originale Konstruktionszeich­nungen von Robby dem Roboter, Fotos von den Dreharbeiten und Vieles mehr. Schließlich ist auf zwei Seiten auch eine detaillierte Produktionsgeschichte von The Invisible Boy (1957) enthalten, Nicholas Nayfacks nächstem Science-Fiction-Film, in dem ein weiteres Mal Robby der Roboter auftrat.

 

Trotz der beeindruckenden Informationsfülle, die jeden Fan begeistern muss, ist heute, nach weiterer Forschung über den Film, allerdings auch eine gewisse kritische Distanz erforderlich. Die Autoren haben in allzu naiver Weise die Dar­stellung von Irving Block übernommen, nach der Block selbst alle wesentlichen Ideen, die die Erzählung und die Be­deutungen von Alarm im Weltall ausmachen, in den ursprünglichen Storyentwurf Fatal Planet hineingeschrieben habe. Cyril Humes Rolle wird demgegenüber in empörender Weise herabgespielt. Da sowohl Hume als auch Allen Adler be­reits verstorben waren und somit keine Gelegenheit hatten, diese Darstellung zu korrigieren, ist die „schiefe“ Darstel­lung in dieser Frage zumindest ein Stück weit verständlich. Leider wurde sie in den folgenden zwei Jahrzehnten über­all, wo über den Film geschrieben wurde, unkritisch übernommen.

Buchcover von Bill Warren, "Keep Watching the Skies!" (2010)

Bill Warren: Keep Watching the Skies! (2., überarbeitete Auflage 2010; orig. 1982), darin: „Forbidden Planet“ (S. 294–305). Bill Warren (1943–2016) war einer der größten Fans von Alarm im Weltall und hat daher in seinem monu­mentalen Buch über die Science-Fiction-Filme der Fünfzigerjahre diesem Film einen besonders umfangreichen und detaillierten Artikel gewidmet. Warren referiert erstmals ausführlich die mehreren, aufeinander folgenden Drehbuchversionen Cyril Humes (insgesamt fünf, die zwischen dem 23. Fe­bruar 1953 und dem 10. März 1955 datieren). Der wichtigste Punkt seines Artikels ist jedoch, dass er Allen Adlers und Irving Blocks Fatal Planet-Story, die inzwischen in der MGM Script Collection der Margaret Herrick Library der Academy of Motion Pictures Arts and Sciences in Beverly Hills archiviert ist, gelesen hat. Er gibt den Inhalt von Fatal Planet wieder, nennt den Ent­wurf “simpel, geradlinig und nicht sehr imaginativ” (S. 297) und streicht erst­mals Cyril Humes Verdienst um das intelligente Drehbuch heraus, das viele Jahre zugunsten Irving Blocks verkannt wurde.

James Chapman/Nicholas J. Cull, "Projecting Tomorrow" (2013)

James Chapman/Nicholas J. Cull: Projecting Tomorrow. Science Fiction and Popular Cinema (2013), darin: “Sex and the Single Robot: Forbidden Planet (1956)” von N. J. Cull (S. 79–92). Die Autoren dieses Buchs sind akademische Filmwissen­schaftler, die sich für die hier versammelten Artikel über mehrere Science-Fiction-Filme wohltuenderweise um die Konsultierung von Quellen aus erster Hand bemühten. Der enthaltene Artikel über Alarm im Weltall ist meines Wis­sens der jüngste publizierte Forschungsbeitrag über den Film, der auch essen­ziell als ertragreich bezeichnet werden kann. In erster Linie zeichnet er die be­reits bekannte Produktions- und Rezeptionsgeschichte des Films nach, berei­chert sie jedoch mit neu entdeckten Fakten. So wird hier eine bisher unbekannte Korrespondenz von MGM-Studiochef Dore Schary von 1952 zitiert, in der Schary sich darüber äußert, weshalb MGM bisher noch keinen Science-Fiction-Film pro­duziert hat, und außerdem kann man hier endlich auch mehr über den Werde­gang von Cyril Hume lesen.

 

Auch Nicholas Cull hat für seinen Artikel Allen Adlers und Irving Blocks Fatal Planet gelesen. Cull referiert den Storyentwurf erheblich detaillierter als Bill Warren. Überraschenderweise weist er zudem darauf hin, auch wirklich den originalen Entwurf gelesen zu haben, der sich in der MGM Script Collection der University of Southern California (USC) befindet; die von Bill Warren in der Margaret Herrick Library konsultierte Quelle von Fatal Planet (siehe oben) soll dagegen angeblich nur eine Zusammenfassung von Fatal Planet darstellen (vgl. Pro­jecting Tomorrow, S. 90, Fußnote 5). Leider ist Cull hier aber auch ärgerlich ungenau. So sagt er nichts Näheres über die Natur der Quelle in der Margaret Herrick Library – beispielsweise zur Frage, welcher Art diese angebliche Zusammen­fassung von Fatal Planet ist, weshalb sie angefertigt wurde und inwieweit sie sich vom „originalen“ Skript in der Skriptsammlung der USC unterscheidet. In Culls Zusammenfassung von Fatal Planet auf S. 80 ist der Schauplatz der Handlung nicht der Planet Merkur, wie noch Warren berichtete, sondern die Venus. Das erstaunt, denn in der Doku­mentation „Unglaublich! Hintergründe zu Alarm im Weltall“ auf der DVD und Bluray vom Film ist zu Beginn der 16. Mi­nute die erste Seite vom originalen, auf einer Schreibmaschine getippten Skript von Fatal Planet, datiert auf den 11. November 1952, zu sehen, und dort steht gleich zu Beginn des Textes deutlich zu lesen: “General Locale: Planet Mercury”. Was hat es also damit auf sich? Gibt es zwei verschiedene Versionen von Fatal Planet, von denen jene in der USC die Venus, jene in der Margaret Herrick Library den Merkur als Schauplatz der Handlung nennt? Oder ist Nicholas Cull einfach nur ein dummer Flüchtigkeitsfehler unterlaufen? Ich neige zu letzterer Ansicht, da Cull in keiner Fußnote diese bemerkenswerte Unstimmigkeit zu Warren kommentiert, was bei einer sorgfältigen Bearbeitung des Themas eigentlich eine Selbstverständlichkeit gewesen wäre. Es findet sich mindestens ein unzweifelhafter Fehler bei Cull. So datiert er Cinefantastique Vol. 4 Nr. 1 fälschlicherweise durchgängig in das Jahr 1976. Darüber hinaus ist in seinen Fuß­noten noch eine weitere, nicht aufzuklärende Abweichung zu Bill Warren festzustellen: So heißt der MGM-Studioleser, der Fatal Planet in knappen Sätzen kommentierte, bei Bill Warren noch Bill Cooke; bei Cull wurde daraus Bill Cole (vgl. S. 90 Fußnote 7). Hier gilt ähnlich wie beim Merkur/Venus-Problem: Wenn Warren sich wirklich geirrt haben sollte, hät­te die wissenschaftliche Sorgfaltspflicht eigentlich eine Fußnote erforderlich gemacht, in der Cull auf Warrens Irrtum hinweist; da sie fehlt, kann der Name genauso gut von Warren korrekt und von Cull falsch wiedergegeben worden sein. Dem Leser ist es unmöglich, hier eine Entscheidung zu treffen.

 

Die Besprechung des Artikels in Projecting Tomorrow hat gezeigt, dass in der „Alarm im Weltall-Forschung“ noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Eine filmwissenschaftliche Abhandlung über die Entstehungsgeschichte von Alarm im Weltall, die diesen Namen wirklich verdiente – bestenfalls eine Monografie, wie es sie für andere Filme längst gibt –, steht noch aus. Sie würde meiner Meinung nach unbedingt eine ungekürzte Veröffentlichung der Quellen selbst erfor­dern, vor allem von Fatal Planet und der verschiedenen Drehbuchfassungen von Cyril Hume. Auf diese Weise wären Leser nicht mehr ausschließlich auf die Beurteilung der originalen Texte aus zweiter Hand angewiesen und hätten die Chance, sämtliche Aussagen und Interpretationen direkt an den Quellen zu überprüfen.

 

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Forbidden Planet (USA 1956). Regie: Fred McLeod Wilcox. Company: Metro Goldwyn Mayer. Produzent: Nicholas Nayfack. Drehbuch: Cyril Hume (Drehbuch); Allen Adler, Irving Block (Story); William Shakespeare, The Tempest (Der Sturm; literarische Inspiration). Kamera: George J. Folsey. Schnitt: Ferris Webster. Musik: Bebe Barron, Louis Barron. Produktionsentwürfe/Storyboards: Mentor Huebner, Irving Block. Bauten/Art Direction: Cedric Gibbons (Head of MGM Art Department); Arthur Lonergan. Bühnenbild/Set Decoration: Hugh Hunt, Edwin B. Willis. Bühnenbild und Ausstattung: Arthur Lonergan, Mentor Huebner und Robert Kinoshita (erster Entwurf, Design und Konstruktion von Robby); A. D. Flowers (Morbius’ Garten); Arthur Lonergan (Morbius’ Haus u. Krell-Laboratorium); Jack Gaylord (Head of MGM Prop Department), Glen Robinson (Props, Strah­lenwaffen, Raumschiff-Miniaturen, Miniatur von Morbius’ Haus); George Gibson (Leitung der Malereien für Cycloramen/Bühnenhintergründe). Spezialeffekte: A. Arnold Gillespie (Leitung); A.D Flowers, Jack McMaster, Logan Frazee, Bob MacDonald, Chuck Frazier, Dean Pearson, Joe Zomar, Earl McCoy, Max Gebinger, Dion Hansen, Eddie Fisher, Doug Hubbard (mechanische und elektrische Spe­zialeffekte); Glen Robinson, Franklyn Soldo (Techniker Spezialeffekte); Max Fabian (Aufnahmen von Miniaturen, Pla­neten etc.); Harold Mazorati (Kamera Spezialeffekte); Ben Fugelsby (Schnitt Spezialeffekte). Visuelle Effekte: Joshua Meador (Disney Ani­mation Effects Direction); Bob Abrams, Joe Alves, Dwight Carlisle, Ron Cobb, Bob Trochim (Anima­tionen); Ken Hult­gren (Design und Animation des Id-Monsters); Irving G. Ries (weitere optische Effekte); Art Cruikshank (Kamera Ani­mationsaufnahmen); Mark W. Davis, Dick Worsfield (Kamera Matte-Aufnahmen). Matte Paintings: Warren Newcombe (Head of MGM Matte De­partment); Henri Hillinck, Howard Fisher; Matthew Yuricich (Assistenz-Matte-Maler).

Darsteller: Walter Pidgeon (Dr. Edward Morbius), Anne Francis (Altaira Morbius), Leslie Nielsen (Captain John J. Ab­rams), Warren Stevens (Lt. Dr. Ostrow), Jack Kelly (Lt. Jerry Farman), Richard Anderson (Chief Quinn), Earl Holliman (Koch), George Wallace (Bosun), Robert Dix (Grey), Jimmy Thompson (Youngerford), James Drury (Strong), Harry Har­vey Jr. (Randall), Roger McGee (Lindstrom), Peter Miller (Moran), Morgan Jones (Nichols), Richard Grant (Silvers); Fran­kie Carpenter, Frankie Darro (Robby) u. a.

Laufzeit: 98 Min.; Farbe. Premiere: 15. März 1956 (USA); 18. Januar 1957 (Österreich); 4. Februar 1957 (Deutschland).

 

 

© Michael Haul; veröffentlicht auf Astron Alpha am 15. Februar 2017

Szenenfotos © Turner Entertainment Co. und Warner Bros. Entertainment Inc.