Raymond F. Jones: This Island Earth

Buchcover von dem Roman "This Island Earth" (1952) von Raymond F. Jones in der Ausgabe von Grafton Books London, 1991

Science-Fiction-Roman. Erstveröffentlicht im Pulp-Magazin Thrilling Wonder Sto­ries in Form von drei Kurzgeschichten: The Alien Machine (Juni 1949), The Shroud of Secrecy (Dezember 1949) und The Greater Conflict (Februar 1950). Die erste Buch­ausgabe erschien als Hardcover im Dezember 1952 im Verlag Shasta Publi­shers, Chicago. Die bisher einzige deutschsprachige Ausgabe erschien im Mai 1956 als von Walter Ernsting komplett nach dem Spielfilm neu gefasster Heftroman unter dem Titel Insel zwischen den Sternen in der Reihe Utopia Großband, Band 37. Vorliegend ist ein Exemplar der Shasta-Ausgabe als Bookclub Edition, erschienen im Septem­ber 1953 (laut ISFDb). Hardcover mit Schutzumschlag, 220 Seiten.

 

Cal Meacham, Ingenieur für Radiotechnik bei der Firma Ryberg Instruments, werden eines Tages ungewöhnliche Kon­densatoren von einem mysteriösen “Electronic Service, Unit 16” zugeschickt. Die Kondensatoren überstehen in Tests fast unbegrenzt starke elektrische Ströme. Ein mitgelieferter Katalog listet zahlrei­che weitere elektrotechnische Bau­teile auf, deren Verwendungen und Funktions­weisen Meacham rätselhaft bleiben. Besonders angepriesen wird in dem Katalog ein großes, rätselhaftes Gerät: ein sogenannter “Interocitor”. Neugierig geworden, bestellt Meacham sämtliche Bauteile, die für die Konstruktion eines Interocitors benötigt werden – viele Kisten mit mehreren tausend Artikeln – und macht sich allabendlich nach der Arbeit daran, das vor ihm liegende Puzzle zu verstehen und zusammenzusetzen.

 

Als Meacham nach wochenlangen Anstrengungen den Interocitor tatsäch­lich fertigstellt und einschaltet, wird er über den Bildschirm des Geräts von einem Mann namens Warner begrüßt. Warner gratuliert Meacham, dass ihm die Kon­struktion des Interocitors gelang – eine Aufgabe, die die Befähigung des Inge­nieurs testen sollte. Er lädt ihn ein, sich den “Peace Engineers” anzuschließen, einem Geheimbund von Wissenschaftlern, die ihre Forschungsergebnisse strikt unter Verschluss halten, um die Kontrolle darüber zu behalten, wofür sie verwen­det werden; auf diese Weise soll ihr Missbrauch für militärische Zwecke ausge­schlossen werden. Meacham, fasziniert von der extrem fortschrittlichen Techno­logie der Peace Engineers, willigt in die Mitarbeit ein.

 

Meacham wird von einem ferngesteuerten Flugzeug abgeholt und zu einem Industriegelände geflogen, das die Peace Engineers in der Wüste Arizonas errich­tet haben. Dort lernt er Ruth Adams, eine junge Psychologin, sowie Jorgas­no­vara , den undurchsichtigen, aber charismatischen Leiter der Anlage, kennen. Meacham wird mit der Leitung der Pro­duktion von Interocitoren betraut und meistert die Aufgabe zur vollen Zufriedenheit von Jorgasnovara. Schon bald jedoch beschleicht Meacham der Verdacht, dass die Peace Engineers ein ungeheures Geheimnis verbergen. Der Ver­dacht bestätigt sich, als er eines Nachts schockiert beobachtet, wie die von ihm hergestellten Interocitoren von einem gigantischen Raumschiff abtransportiert werden.

 

Als Meacham kurz darauf am Interocitor eine verborgene Funktion aufspürt, mit der er die Gedanken Jorgasnovaras „abhören“ kann, er­kennt er schließlich die Wahrheit: Die Peace Engineers sind in Wirklichkeit ein von Außerirdischen auf der Erde gegründetes Unternehmen, das dazu dient, ahnungslose Menschen wie ihn hochentwickelte Waffen fertigen zu lassen; diese werden für einen intergalaktischen Krieg benötigt, der bereits seit Jahrhundert­tausenden tobt und ungezählte Welten verwüstet hat. Jorgasnovara kann Mea­cham zwar davon überzeugen, dass das Bündnis außerirdischer Spezies, dem er angehört – die Llanna –, für die richtigen, freiheitlichen Werte kämpft, ihre Gegner aber – die Guarra – nur Zerstörung und brutale Unterdrückung im Sinn haben. Doch als sich herausstellt, dass ein Streik der Arbeiter und Verwüstungen in den Fertigungshallen auf die Sabotage durch Guarra-Agenten zurückzuführen sind, steht Jorgasnovaras Versicherung, dass die Erde gewiss nie das Ziel eines guarrischen Angriffs werden würde, plötzlich auf tönernen Füßen . . .

 

Altehrwürdige Pulp-SF von erzählerischer Eleganz

 

Der prächtige, mit aufwendigen Effekten und Modellbauten gedrehte Farbfilm This Island Earth (1955) von Joseph M. Newman ist eine der teuersten und schönsten Space Operas, die das Science-Fiction-Kino der Fünfzigerjahre hervor­gebracht hat. Der Film ist unter Science-Fiction-Fans bis heute sehr populär und hielt über die Jahrzehnte auch das Inte­resse für den gleichnamigen Roman wach, auf dem der Film basiert, sodass das Buch immer wieder neue Auflagen und auch einige Übersetzungen in andere Sprachen erfahren hat.

Raymond F. Jones
Raymond F. Jones

Der Roman stammt aus der Feder von Raymond Fisher Jones (1915–1994), einem sehr begabten, vielseitigen und lesenswerten Science-Fiction-Autor aus Utah, der im Verlauf seiner schriftstellerischen Karriere um die 80 Kurzgeschichten und Novellen sowie 15 Romane geschrieben hat. Seine erste Kurzgeschichte Test of the Gods veröffentlichte Jones in der September-Ausgabe 1941 von Astoun­ding Science Fiction, dem Pulp-Ma-gazin von John Campbell Jr. In den darauffolgenden Jahrzehnten schrieb Jones regelmä­ßig für Astounding, aber auch für viele andere Pulp-Magazine wie Thrilling Wonder Sto­ries, Amazing Stories, Startling Stories oder Galaxy. Sein erster Roman in Buchform, Renaissance, ursprünglich 1944 in vier Teilen im Astounding veröffentlicht, erschien 1951 als Hardcover-Ausgabe. Noch im selben Jahr folgte der Roman The Alien (1951) und im Jahr darauf This Island Earth. Seine letzte literarische Arbeit, die Kurzgeschichte Death Eternal, wurde im Oktober 1978 im Maga­zin Fantastic Stories publiziert.

 

Jones liebte kaum etwas mehr, als Science-Fiction zu verfassen, wie er einmal in einem autobiografischen Essay in der August-Ausgabe 1951 von Amazing Stories erzählte. „Unglücklicherweise“, beklagte er dort allerdings auch, „scheinen die wirtschaftlichen Zwänge des Verlagsgeschäfts zu diktieren, dass ein SF-Autor nur in zweiter Linie Autor zu sein hat und seinen Lebensunterhalt anderswo verdienen muss. Ganz egal, wie sehr er dieses Zeug liebt, kann er nicht große Blondinen und Heckflossen-Cadillacs damit unterhalten, wie gemeinhin angenommen wird“ (zitiert nach der exzel­len­ten Raymond F. Jones-Website von Richard Simms). Als verheirateter Mann mit fünf Kindern musste Jones neben sei­ner Schriftstellerei hauptberuflich in bürgerlichen Jobs als Radiotechniker, als Mitarbeiter eines Wetterdienstes und als technischer Autor für die Raketen- und Waffenschmiede Sperry Utah Engineering Laboratory arbeiten. Diese Tätig­keiten ließen ihn allerdings auch mit beiden Beinen im „richtigen Leben“ stehen, wie man bei der Lektüre von This Island Earth und auch seinen anderen Romanen und Storys immer wieder deutlich spüren kann. Jones verstand offen­bar nicht nur eine Menge von Radiotechnik, ein Wissen, das unverkennbar in die Schilderungen elektrotechnischer Details einfloss und so die Herzen aller Liebhaber von Hard-SF höher schlagen lässt, sondern er wirkt auch authentisch, wenn er die Mit­arbeiter und die Abläufe in einem mittelständischen radiotechnischen Betrieb wie Ryberg Instruments ausmalt, der Firma, in der Cal Meacham zu Beginn des Romans arbeitet.

 

Jones’ flüssiger, eleganter Erzählstil und der überall spürbare menschliche Ton heben seine Werke deutlich über die Masse der trivialen Dutzendware der Pulps empor. Seine Erzählungen sind einfallsreich, clever und immer unterhalt­sam, und heute werden sie leider von viel zu Wenigen überhaupt noch erinnert. This Island Earth ist aufgrund des Spielfilms gewiss das bekannteste Werk aus seinem Œuvre.

Cover des Romans "This Island Earth" von Raymond F. Jones  im Verlag Shasta, Neuauflage 1955
Cover der Shasta-Neuauflage 1955

This Island Earth erschien 1952 erstmals als Hardcover-Ausgabe beim kleinen Chicagoer SF-Verlag Shasta. Auf Anregung seines Literaturagenten Forrest J. Ackerman hatte Jones den Roman aus drei Kurzgeschichten zusammengefügt, die er 1949 und 1950 in Thrilling Wonder Stories veröffentlicht hatte: The Alien Machine (Ausgabe vom Juni 1949), The Shroud of Secrecy (Dezember 1949) und The Greater Conflict (Februar 1950). Die Pulp-Gene sind dem Roman deutlich eingeschrieben: ein forscher, handlungsreicher und stellenweise auch humor­vol­ler Erzählstil, häufige überraschende Wendungen und Themenwechsel und vor allem eine serial-ähnliche Cliffhanger-Struktur, die am Ende jedes Kapitels einen spannenden Knalleffekt zündet. Das ist überaus kurzweilig, flott und unterhalt­sam zu lesen und ist trotz mancher logischer Schwächen und Absurditäten kei­neswegs intellektuell so minderwertig, wie sich womöglich vermuten ließe.

 

Gewiss ist schon die grundlegende Prämisse, dass eine hochentwickelte Spezies, die die interstellare Raumfahrt beherrscht, bei der Produktion von Waffen auf die Hilfe von Menschen angewiesen sein könnte, bei Tageslicht betrachtet Irr­sinn. Auch ist es kaum glaubwürdig, dass Cal Meacham sich so bereitwillig und naiv auf das völlig undurchsichtige Unternehmen der Peace Engineers einlässt. Schließlich ist das Versteckspiel, das der Außerirdische Jorgasnovara mit Cal und Ruth über die Hälfte des Romans treibt, enttäuschend schwach begrün­det: Der Direktor der Peace Engineers hatte damit nur herausfinden wollen, ob die beiden Menschen wirklich den Krieg genügend hassen, um für höhere leitende Aufgaben bei den Peace Engineers qualifiziert zu sein. Auf der ande­ren Seite aber formulieren Jorgasnovara und Cal Meacham einige interessante Gedanken über die ethische Forderung an die Wissenschaften, ihre Erkenntnisse und Erfindungen zu kontrollieren, um verheerende Missbräuche zu verhüten, über die Rechtfertigung von Kriegen und über die Zukunft der ständig bedrohten Freiheit im Universum.

 

Der Roman ist auch deshalb spannend zu lesen, weil die Verfilmung stark von ihm abweicht, die Dinge deshalb für den Leser bis zum Schluss unvorherseh­bar bleiben. Anfangs folgt der Film noch der im Roman erzählten Geschichte von Cal Meacham, der von dubiosen Außerirdischen für einen forschenden Geheim­bund von Wissenschaftlern angewor­ben wird, bald darauf von Zweifeln geplagt wird und schließlich eine dramatische Flucht per Flugzeug versucht, die damit endet, dass das Flugzeug per Traktorstrahl an Bord eines Raumschiffs gezogen wird. Es gibt aber auch schon in dieser ersten Romanhälfte viele Unterschiede. So ist Cal Meacham kein von Reportern bedrängter, berühmter Atom­physiker mit engen Beziehungen zur Regierung und eigenem Flugzeug, sondern nur ein über­durchschnittlich begab­ter, in einer gewöhnlichen mittelständischen Firma be­schäftigter Ingenieur. Die Peace Engineers residieren nicht wie im Film in einer behaglichen Villa in Georgia, sondern betreiben ein großes Fabrikarreal in der Nähe von Phoenix in der Wüste Arizonas. Erst dort lernt Cal Meacham Ruth Adams kennen, während sich beide im Film bereits seit Längerem bekannt sind – was Ruth dort anfangs jedoch, eine seltsame Grille des Drehbuchs, noch leugnet.

 

Der Interocitor spielt im Roman eine weitaus wichtigere Rolle als im Film. Er wird von den Menschen, die die Peace Engineers angeheuert haben, in großen Stückzahlen industriell produziert und ist eine imposante elektrotechnische An­lage von 15 Fuß Länge, ausgestattet mit zahlreichen Röhren, Kondensatoren und Bleiplatten – und jeweils einem quadratischen statt dreieckigen Bildschirm. Der Interocitor dient nicht nur als ein Kommunikationsgerät, das zusätzlich mit Laser­strahlen und Selbstzerstörung ausgestattet ist, sondern vor allem als Instrument, mit dem man Gedanken lesen und das Bewusstsein einer Zielperson mental an­greifen und zerstören kann – eine effiziente Psycho-Waffe. Die Figur des Exeter heißt im Roman Jorgasnovara, während Exeters Assistent Brack im Roman mit Dr. Warner vergleichbar ist. Dr. Steve Carlson, mit dem sich Cal und Ruth im Film ver­bünden, entspricht im Roman in etwa dem Schweden Ole Swenberg (der im Film erscheinende Dr. Adolph Engelborg, in der deutschen Synchronisation ein Schwe­de, ist in der Originalfassung ein Deutscher und spielt im Film keine große Rolle). Swenbergs Rolle wandelt sich gegen Ende des Romans allerdings in bester Pulp-Manier radikal: Der langjährige Freund Cals entpuppt sich als gerissener Agent der außerirdischen Gegenseite – womit schließlich auch Swenbergs ausländische Her­kunft motiviert ist, denn Ausländer sind nach den Klischees der amerikanischen Pulps grundsätzlich un-amerikanisch und damit Feinde.

 

Die außerirdischen Geg­ner heißen hier Guarra, nicht Zahgons, und werden als scheußlich stinkende, geschuppte Sumpfbewohner von humanoider Gestalt und bodenloser Niedertracht geschildert. Die Raumschiffe der Außerir­di­schen sind keine fliegenden Unter­tassen, sondern haben eine ellipsoide Form und gigantische Ausmaße. Schließlich gibt es keinen Planeten „Metaluna“. Die Außerirdischen, die auf der Erde ope­rieren, gehören einem intergalaktischen Bündnis an, das sich Llanna nennt, und der Heimatplanet Jorgasnovaras bleibt im Roman namenlos und wird auch nicht fortwährend von gelenkten Meteoriten bombardiert. Selbstredend gibt es auf ihm auch keine Mutantenmonster, die erst von Universal-International für den Film hinzugedichtet wurden.

 

Von dem Moment an, in dem Meachams Flugzeug von einem Raumschiff eingefangen wird, geht der Film völlig eige­ne Wege. Während im Film Cal und Ruth von Exeters UFO nach Metaluna gebracht werden, fliegt das Raumschiff im Roman zu einer Basis der Llanna auf der Rückseite des Mondes. Dort werden Cal und Ruth auf interessante Art und Weise über die Llanna und ihren Krieg gegen die finsteren Guarra aufgeklärt: Sie setzen komplizierte elektronische Helme auf, die sie in eine virtuelle Realität eintauchen lassen, und erleben so in ihrem Be­wusstsein die intergalak­ti­schen Raumschiffgefechte zwischen Llanna und Guarra und die Auslöschungen ganzer Welten mit, als wären sie leibhaftig dabei. Die interstellare Gefechtsführung schildert Jones dabei überraschend modern und ist damit den meisten seiner zeitgenössischen Kollegen weit voraus: Die Kriegsschiffe schießen einander nämlich nicht mit Strah­len­waffen ab, sondern manipulieren das Raumzeitgefüge selbst, das sie zu vernichtenden Verwerfungen und Fang­netzen raffen.

 

Nach ihrem Trip zum Mond werden die Menschen zum Industriegelände in Arizona zurückgebracht, um dort weiterhin die Llanna mit der Produktion von Interocitoren zu unterstützen. So spielt fast der gesamte Roman auf der Erde. Erst gegen Ende, als die Llanna sich dazu entschließen, ihre Produktionsstätten auf der Erde aufzugeben und den Planeten schutzlos den Guarra zu überlassen, werden Cal und Ruth auf einen zweiten Weltraumflug mitgenommen, diesmal zur weit entfernten Heimatwelt Jorgasnovaras. Dort darf Cal vor dem intergalaktischen Rat der Llanna sprechen, einer Art kosmischer UNO, um doch noch die Verteidigung der Erde zu erreichen.

 

Die episodische Pulp-Struktur des Romans führt zu manchen überraschen­den Wendungen, die sich jedoch als erzäh­le­ri­sche Stärke herausstellen, da die Charaktere facettenreicher und widersprüchlicher – und damit auch lebendiger – erscheinen. So ist der Held des Romans mehr als einmal auf dem Holzweg in der Beurteilung der mysteriösen Dinge, die um ihn herum geschehen, und lässt sich manchmal auch von bösen Vorurteilen leiten, die sich dann als falsch heraus­stellen. So verdächtigt er die in den Streik getretenen Arbeiter – zu Unrecht, wie sich später herausstellt –, auch die Fertigungshallen verwüstet zu haben, und nennt sie „Spinner“ und „Schwachsinnige“ (“crackpots and morons”, S. 159). Das Streikthema behandelt Raymond F. Jones leider recht unschön und gehässig, denn er stellt die Gewerk­schaf­ter sehr böse und klischeehaft dar: herausfordernd, arg­wöhnisch und von unbelehrbarer Unvernunft.

 

Die Insel Erde: Paradies und Kriegsschauplatz

 

Der besonders schöne, poetische Titel This Island Earth hat seit jeher zu zahl­reichen Interpretationen gereizt. Im Film ist der scharfe Kontrast zwischen dem trostlosen, völlig zerbombten Metaluna und unserer lieblichen Erde augenfällig, und so dominiert für den Film die Deutung, dass in ihm eine Mahnung stecke, „dieses Eiland namens Erde“ vor der Vernichtung durch Kriege – oder andere Dummheiten wie die Umweltzerstörung – zu schützen. Der Produzent des Films William Alland (1916–1997) hat die Botschaft des Films in einem Interview selbst so gesehen:

 

„Wir haben nur einen Planeten und wir sind die Bewohner auf ihm, und es gibt keinen anderen Ort, wohin wir gehen könnten. Und wenn wir diesen verlieren, dann war’s das. ( … ) In anderen Worten, man muss für seinen eigenen Ort Sorge tragen.“ (zitiert nach Bill Warren, Keep Watching the Skies!, S. 782)

 

Ähnlich sah es 1979 der Kritiker der Andro-Nachrichten, der Zeitschrift des Science Fiction Club Deutschland e.V.: „Eine unüberhörbare Warnung an die Wissen­schaft: Die Angst vor der Vernichtung unseres Planeten durch die entfesselte Atomkraft“ (zitiert nach Ronald M. Hahn/Volker Jansen, Lexikon des Science Fiction Films, 7. Aufl. 1997, S. 608). Zuletzt schloss sich Peter Osteried in seinem Buch Die Filme von Jack Arnold (2012) dieser Deutung an und sprach von einer „ökologischen Botschaft, die für die Zeit nahezu bahnbrechend war. Die Aussage von Metaluna 4 antwortet nicht – und der Originaltitel verdeutlicht dies viel mehr – ist, dass wir nur diesen einen Planeten haben und für ihn sorgen müssen“ (S. 153).

 

Eine etwas abweichende Auffassung vertrat Philip Strick in seinem Buch Science Fiction Movies (1976): „Unser Planet ist ein küstenferner Brocken, ignoriert von der Politik des Universums, und es gibt einige Vorteile, die aus dieser Ab­sonderung erwachsen“ (S. 137). In Stricks Augen impliziert der Film also, dass aus der Isolation unserer zerbrechlichen Erde im Kosmos ein Segen erwächst. Der Film würde damit eine ähnliche Haltung zur Raumfahrt und zum Kontakt mit Außerirdischen an den Tag legen wie zahlreiche andere Invasionsfilme des Science-Fiction-Kinos der Fünfzigerjahre.

 

Es ist interessant, dass Jones’ poetischer Titel in seinem Roman eine völlig andere, profanere Begründung erfährt. Jorgasnovara vergleicht die Menschen, die für die Peace Engineers ahnungslos Waffen herstellen, mit rückständigen Wilden, die unfähig seien, die Gründe und die Ziele des intergalaktischen Krieges, der bereits seit Ewigkeiten tobt, zu begreifen. Zur Illustration zieht er eine vergleich­bare Situation auf den pazifischen Inseln im Zweiten Weltkrieg heran:

 

“You saw how the waves of battle washed back and forth over primitive peoples who have little or no comprehension of who was fighting, or to what purpose. You saw these primitive peoples sometimes employed or pressed into service by one side or the other. On the islands of your seas they built airfields for you; they sometimes cleared jungles and helped lay airstrips. They had no comprehension of the vast purpose to which they were contributing a meager part, but they helped in a conflict which was ultimately resolved in their favor.” (S. 127)

 

Die Erde ist nur ein ferner, von „Wilden“ bevölkerter Außenposten, von denen die Llanna in verschiedenen Galaxien mehrere Tausend eingerichtet haben. Jeder einzelne dieser Außenposten ist für sich gesehen relativ unbedeutend; in ihrer Masse aber fallen sie in der Kriegsführung der Llanna durchaus ins Gewicht. “Earth is an island”, erklärt Jorgasno­va­ra, “which can be by-passed completely, or temporarily occupied if need be” (S. 135).

 

Die interessante Frage ist, welche Verantwortung aus dieser Stellung der Erde zu den Llanna für die Menschheit er­wächst. Soll die Erde Partei ergreifen? Muss sie es, notgedrungen, seit die Llanna auf ihr aufgetaucht sind? Der Leser erfährt nie, weshalb sich einst der Krieg zwischen Llanna und Guarra entzündete und worum es in diesem Krieg eigentlich geht; er erfährt nur, dass er, zumindest vonseiten der Guarra, als totaler Ausrottungskrieg geführt wird. Cal Meacham ist, nachdem er die Verwüstungen gesehen hat, die die Guarra auf den Welten der Llanna angerichtet haben, davon überzeugt, auf der moralisch richtigen Seite des Krieges zu stehen. Erst diese Überzeugung motiviert ihn, auch nach der Ein­weihung in alle Geheimnisse der Llanna weiterhin für sie Interocitoren zu bauen. Die Guarra da­gegen werden von Raymond Jones klischeehaft als abgrundtief böse Kreaturen dämonisiert; schon ihr Name bedeu­tet „Krieg“, und ihr reptilienartiges Aussehen unterstreicht noch symbolisch ihre Minderwertigkeit.

 

Andererseits sind auch die Llanna nicht einfach nur „gütig“. Sie entpuppen sich vielmehr als nüchterne Bürokraten, die ihre Kriegsführung einem rational kalkulierenden Supercomputer anvertraut haben und mitleidlos ihre ausgebeuteten Außenposten dem Feind überlassen, wenn der Computer zu dem Schluss gekommen ist, dass die Verteidigung nicht lohnt oder zu hohe Verluste vermuten lässt. Die Erde ist nur ein entbehrlicher Bauer in einem großen Schachspiel um die Macht im All. Cal Meachams Appell an die Ideale der Freiheit und Solidarität vor dem Rat der Llanna ändert an dieser kühlen Haltung nichts. Erst nachdem Meacham die Entschei­dungen des Computers analysiert hat und er den Rat davon überzeugen kann, dass gerade die Berechenbarkeit der computergesteuerten Kriegsführung die Verletz­lichkeit der Llanna befördert hat, unberechenbares Handeln hingegen die Chancen auf überraschende Siege mehren kann, entschließen sich die Llanna, die Erde doch noch mit einer Raumflotte gegen die Guarra zu verteidigen.

 

Die Konsequenz dieses Sieges von Cal Meacham vor dem Rat der Llanna ist dem isolationistischen Unterton der Ver­filmung genau entgegensetzt. So sinniert Meacham am Ende des Romans:

 

“Like it or not, Earth was a member of the community of worlds. ( … ) What happened between the Llanna and the Guarra now would affect the destiny of unborn generations of Earthmen. The present generation should have a word as to what that destiny might be.” (S. 219)

 

So unterstreicht Raymond F. Jones, dass der Erde am Ende keine Wahl bleibt – die Flucht in die Isolation ist nicht mög­lich. Freilich muss die Menschheit, für die Cal Meacham stellvertretend agiert, schlichtweg darauf vertrauen, dass der Krieg der Llanna tatsächlich „ihr“ Krieg ist und sie sich für die richtige Partei engagiert.

 

Mit dem Ideal von der kampfbereiten Verteidigung der Freiheit, mit dem Raymond F. Jones auf metaphorischer Ebene dem Pazifismus nach dem verhee­renden Zweiten Weltkrieg eine Absage erteilt und die erneute Anspannung der Kräfte im Kalten Krieg sanktioniert, korrespondiert eine verzweifelt pessimistische Sicht auf die Zukunft. Jones kann sich entgegen der zeitgenössischen sowjetischen Utopisten wie etwa Iwan Jefremow nicht dazu durchringen, eine Zukunft zu er­warten, in der das militärische Ringen um die Freiheit Geschichte sein wird. Statt­dessen projiziert er dieses Ringen in die monströsen Dimensionen eines ewigen, das gesamte Universum erschütternden Krieges, dessen Beginn niemand mehr versteht und dessen Ende niemand mehr ernsthaft erwartet. “When will it ever end?”, fragt sich Cal Meacham verzweifelt, und: “Will there ever be a time when sentient beings will not murder their own kind?” (S. 132). Trotz der kultivierten Oberfläche der Erzählung und trotz der höflichen und beinahe symphatischen Er­scheinung der außerirdischen Invasoren malt Raymond F. Jones ein düsteres, von Angst und Paranoia beherrschtes Universum in This Island Earth aus.

 

Mehr als der „Roman zum Film“

 

This Island Earth steht seit Jahrzehnten im Schatten seiner Verfilmung – und hat seither Scharen von Fans des Films enttäuscht, weil der Roman eben nicht die barocke, abenteuerliche Space Opera bietet, zu der der Erzählstoff im Film aus­geschmückt wurde. Doch den Roman allein aus den Abweichungen zum Film heraus zu beurteilen, wird ihm nicht gerecht. Für Leser, die ein Faible für in Würde gealterte Science-Fiction des Golden Age haben, ist der Roman ein er­freulich wendungsreiches und spannendes Lesevergnügen. Pulp-SF, gewiss, und darü­ber hinaus auch von gesetzterem Stil als beispielsweise die ausgekochten, aben­teuerlichen Space Fantasys eines A. E. van Vogt. Cal Meacham ist nun einmal kein furchtloser, kämpferischer Flash-Gordon-Typ, sondern ein nüchterner, geradlini­ger Radio-Ingenieur. Der Roman punktet dafür mit glaubwürdig geschilderten Figuren und einigen originellen Ideen. Eine erzählerische Perle, den man gern ein zweites Mal in die Hand nimmt.

 

 

 

© Michael Haul; auf Astron Alpha veröffentlicht am 31. Januar 2016