Larry Niven: Ringwelt-Thron

Buchcover des Romans "Ringwelt-Thron" (The Ringworld Throne, 1996) von Larry Niven in der Ausgabe des Bastei-Lübbe-Verlags 1998

The Ringworld Throne (1996). Science-Fiction-Roman. In deutsch 1998 erschienen im Bastei-Lübbe-Verlag (Bergisch-Gladbach). Ungekürzte Übersetzung von Axel Merz. Taschenbuch, 503 Seiten.

 

Elf Jahre nach der Zweiten Expedition zur Ringwelt, nach irdischem Zeitmaß im Jahr 2892, hat sich das alte Team auf­gelöst. Der Kzin Chmeee hat sich auf der „Landkarte der Erde“ auf der Ringwelt ein eigenes Reich aufgebaut, der Hinterste hat sich in seinem Raumschiff, das auf der Ringwelt gestrandet und in einem massivem Block erhärteter Lava eingeschlossen ist, verschanzt und wartet auf eine Gelegenheit, die die Situation für ihn verändern könnte, und Louis Wu streunt ziellos auf der Ringwelt herum und wird langsam alt, da er seine Verjüngungsdroge Booster Spice nicht mehr einnimmt. Schließlich wird der Hinterste aktiv. Er kontaktiert Louis Wu und Akolyth, einen Sohn Chmeees, um sie erneut für seine Zwecke einzuspannen. Denn auf dem Ringweltwall wurden inzwischen von unbekannten Protektoren neue Stabilisierungsantriebe installiert, während sich auf der Ringwelt selbst plötzlich die Spezies der Vampire über­mäßig ausbreitet und alle anderen Spezies bedroht . . .

 

Schlimmer Absturz

 

Dieses Buch ist über 503 Seiten hinweg ein einziges Desaster. Was für eine herbe Enttäuschung! Ich habe wirklich viele Larry-Niven-Romane gelesen, aber dieser hier ist mit Abstand der schlechteste – um nicht zu sagen einer der schlech­testen Science-Fiction-Romane aller Zeiten. Das tut um so mehr weh, als es hier um die Ringwelt-Saga geht, die mir so ans Herz gewachsen ist und in den ersten beiden Bänden noch so überzeugend zu unterhalten vermochte. Der erste Band Ringwelt (1970) war ein Meisterwerk und sprühte nur so vor Witz und guten Ideen. Der zweite Band Ringwelt-Ingenieure (1980) war eine begeisternde, spannende Fortsetzung. Mit diesem dritten Band fährt Niven die großartigste Idee, die er je hatte, mit fliegenden Fahnen gegen die Wand.

 

Der Roman hat nicht einen einzigen guten Einfall vorzuweisen. Larry Niven erzählt völlig wirr und unstrukturiert. Man weiß wirklich bis zur letzten Seite nicht, was der Autor eigentlich erzählen will und wie die zahlreichen Figuren und Handlungsfäden miteinander verknüpft sind. Nie wird klar, was die Figuren motiviert, welche Ziele verfolgt werden, worum es überhaupt geht! Miserabler kann man keinen Roman schreiben. Die gesamte erste Hälfte des Buches langweilt Niven den Leser mit einem Kampf verschiedener verbündeter Spezies gegen die Überhand nehmenden Vampire. Warum das interessieren soll und was das mit dem Hintersten und Louis Wu zu tun hat? Das weiß vermutlich auch Larry Niven nicht.

 

Überdies ist es einfach nur ekelhaft, immer und immer wieder über die widerwärtigen Essgewohnheiten der nekro­phagen Ringweltbewohner zu lesen. Welch perverse Phantasie bricht sich hier Bahn? Auch dem Thema Rishathra, dem Sex zwischen verschiedenen humanoiden und hominiden Spezies, widmet Niven überdurchschnittlich viel Raum – Altherrenphantasien? Anregend jedenfalls ist’s nicht, stattdessen wiederholend und furchtbar ermüdend. Ein weiterer Kritikpunkt: Praktisch alle Figuren der verschiedenen Spezies auf der Ringwelt sind höchst unsymphatisch gezeichnet. Wie soll sich auch Symphatie einstellen, wenn die Figuren nur blutiges, rohes Fleisch fressen und sich stets und ständig übers Kopulieren unterhalten?

 

Im zweiten Teil, der sich dann endlich auf Louis Wu, den Hintersten und die Protektoren konzentriert, hofft man, dass es nun losgehen möge mit einer spannenden, rund erzählten Geschichte. Aber auch hier: Fehlanzeige. Nichts ist schlüssig, alles bleibt wirr und unzusammenhängend. Selbst die zahlreichen Beschreibungen von Szenerien, Geräten, Geschehnissen sind missraten und vermitteln keine konkreten Vorstellungen von dem, was da gerade beschrieben wird. Das lahme Ende ist dann nur noch eine Erlösung.

 

Fassungslos legt man das Buch aus der Hand. Was war bloß mit Larry Niven los? In diesem Buch hat der langjährig erfahrene Autor wirklich alle Grundregeln des schriftstellerischen Handwerks mit Füßen getreten, zum Leidwesen all der Ringwelt-Fans, die sich durch dieses Machwerk gequält haben. Wäre es nicht die Ringwelt gewesen, hätte ich diese schriftstellerische Frechheit bereits nach den ersten Kapiteln in die Mülltonne gepfeffert. Unglaublich. Und unglaublich schade.

 

 

 

© Michael Haul; veröffentlicht auf Astron Alpha am 4. Februar 2016