Larry Niven: Ringwelt-Ingenieure

Buchcover des Romans "Ringwelt-Ingenieure" (The Ringworld Engineers, 1980) von Larry Niven in der Ausgabe des Bastei-Lübbe-Verlags 1998

The Ringworld Engineers (1980). Science-Fiction-Roman. In deutsch seit 1981 in mehreren Auflagen erschienen im Bastei-Lübbe-Verlag (Bergisch-Gladbach), zunächst in der leicht gekürzten Übersetzung von Bodo Baumann; ab 1998 in deutscher, ungekürzter Übersetzung von Axel Merz. Taschenbuch, 491 Seiten.

 

23 Jahre nach seinem Abenteuer auf der Ringwelt ist Louis Wu desillusioniert und lässt sich gehen. Die Ringwelt-Be­woh­nerin, die er mit nach Hause brachte, ist tot, das superschnelle Hyperraumschiff, das er vom Puppenspieler Nessus als Belohnung für die Mission erhalten hatte, hat er der irdischen Regierung übergeben, ohne nennenswerten Dank zu ernten. Abgestumpft gibt Louis Wu sich einer elektrischen Droge hin, einem Stecker in seinem Kopf, der sein Lustzen­trum stimuliert – bis „der Hinterste“, der ehemalige Regierungschef der Puppenspieler, ihn und seinen Kzin-Freund Chmeee (alias „Dolmetscher-der-Tiere“) zu einer erneuten Expedition zur Ringwelt entführt und so aus der Agonie reißt. Der Hinterste ist auf der Puppenspielerwelt entmachtet worden. Mit technischen Wunderwerken im Gepäck, die er auf der Ringwelt zu finden hofft, will er seine Artgenossen überzeugen, ihm sein Amt wieder zurückzugeben. Bei Ankunft im Ringweltsystem stellt das Expeditionsteam allerdings fest, dass die Ringwelt seitwärts aus ihrer Position gedriftet ist: Der Artefakt droht mit seiner Sonne zu kollidieren. Louis Wu beschließt, die Ringwelt zu retten . . .

 

Ein würdiges Sequel

 

In Ringwelt-Ingenieure erzählt Larry Niven, Autor des Geniestreichs Ringwelt, ein weiteres Abenteuer auf der gigan­tischen Ringwelt, und zwar durchaus ähnlich leichtfüßig, unterhaltsam und kurzweilig wie im meisterhaften ersten Band. Viele Fragen zur Konstruktion und zur Geschichte der Ringwelt werden hier endlich beantwortet. Zum Teil wurden diese inspiriert durch zahlreiche Leserbriefe, die Niven nach dem ersten Band erhielt und die auf eine Reihe von technologischen Knifflichkeiten des Ringwelt-Artefakts hinwiesen, wie Niven selbst in einem Vorwort zu seinem Roman auseinandersetzt. So wurde er von mehreren studierten Physikern vor allem darauf hingewiesen, dass die Ringwelt keine stabile Position um ihren Zentralstern halten würde; der gigantische Reifen würde mit der Zeit davon-driften und der Zentralstern damit aus seinem Mittelpunkt rücken. Diesem Missstand begegnete Niven, in dem er hier stabilisierende Raketenantriebe an den Rändern des Ringwelt-Reifens hinzudichtete und diese hinwiederum sehr clever zu einem wichtigen Plot-Element machte.

 

Ringwelt und Ringwelt-Ingenieure wirken zusammen wie aus einem Guss, obwohl zehn Jahre zwischen ihnen liegen. Mit kleinen Ausnahmen. So ist der zweite Band nicht mehr so humorvoll wie der erste. Dafür versucht Niven hier ein­zulösen, was ihm beim ersten Band zum Vorwurf gemacht wurde: Mehr Action auf der Ringwelt und mehr Einblicke in das Leben der vielfältigen humanoiden Spezies, die die Ringwelt bewohnen. Diese verschiedenen Spezies sind teil­weise recht gut gelungen – z. B. die Städtebauer, das Maschinenvolk, die „Herder“ –, teilweise auch etwas unglaub­würdig. Insbesondere die „Grasriesen“ (große, nackte Hominiden, die wie Elefanten das Grasland durchstreifen und vegetarisch leben) und die „Vampire“ (das ist wörtlich zu nehmen) stoßen sauer auf. Aber unterhaltsam und gegen Ende hin zunehmend spannend bleibt’s allemal.

 

Jedoch: Die unbekümmerte, technokratische Arglosigkeit, mit der Niven am Ende des Buches einen milliardenfachen Massenmord inszeniert, lässt den Leser am Ende doch empört zurück. Die Story schlittert in ein moralisches Dilemma: Darf man einige Milliarden töten, um damit hunderte Milliarden zu retten? Wie immer man darauf antworten würde – man fragt sich, weshalb Niven die Frage hier überhaupt aufwirft. Denn sie nimmt dem Roman am Ende viel von seiner Leichtigkeit, seiner unterhaltenden, positiven Grundstimmung. Das hat Larry Niven später wohl auch selbst eingese­hen und das Ereignis in einem Retcon im Nachfolge-Roman Ringwelt-Thron (1996) wieder zurückgenommen . . .

 

Insgesamt ist Ringwelt-Ingenieure ein überaus gelungener, toller, spannender Science-Fiction-Roman und eine würdi-ge Fortsetzung. Bedauerlicherweise gelang es Larry Niven nicht, weitere 16 Jahre später mit dem dritten Band Ring­welt-Thron an seine eigene Klasse anzuknüpfen.

 

 

© Michael Haul

Veröffentlicht auf Astron Alpha am 4. Februar 2016